Nachdem sich in den vergangenen Tagen wieder mehrere Messer-Gewalttaten in Deutschland ereigneten (siehe weiter unten), die in der medialen Berichterstattung kaum überregional erwähnt wurden, sorgte am Mittwochnachmittag ein Messerverbrechen an einer Berliner Grundschule bundesweit für Entsetzen. Zwei Grundschülerinnen, sieben und acht Jahre alt, wurden von einem Messertäter so schwer verletzt, dass sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Eines von beiden war laut Polizeiangaben zunächst in Lebensgefahr, erst später gab die Polizei Entwarnung. Das Verbrechen fand auf dem Hof der Evangelischen Schule in Neukölln statt.
Obwohl der mutmaßliche Täter von der Polizei verhaftet werden konnte, teilte diese zunächst nur sein Alter und Geschlecht – ein 38-jähriger Mann – mit, aber nicht seine Staatsangehörigkeit, wie so oft bei ähnlichen Gewaltverbrechen. Außerdem meldete die Polizei: „Die Hintergründe sind bislang unklar.“ Während die Staatsangehörigkeit des Tatverdächtigen also vermeintlich unbekannt ist oder jedenfalls von der Polizei für öffentlich irrelevant behauptet wird, wusste die Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) allerdings schon über diesen „tragischen und traurigen Vorfall“ zu berichten, „dass vermutlich ausgeschlossen werden kann, dass es sich um eine religiöse oder politisch motivierte Tat handelt“. Woher sie das weiß, sagte sie nicht.
Wie üblich empörten sich zahlreiche Twitter-Nutzer darüber, dass die Polizei sich nicht zur Staatsangehörigkeit des offenkundigen Täters äußerte. Darauf reagierte das „Team Social Media“ der Polizei aber nicht mit näheren Informationen. Stattdessen gab es einige Stunden nach der ersten Nachricht eine Belehrung samt Drohung: „Falls Sie sich wundern, dass Ihre Antwort unter unserem Tweet nicht erscheint, dann liegt es daran, dass Sie pietätlos schwerverletzte Mädchen, ihre Familien und Freunde für rassistische Hetze missbrauchen. Btw. eine strafrechtliche Prüfung ist inklusive.“
Aus der Tatsache, dass das Alter des Mannes der Polizei eindeutig bekannt ist, dürfte man jedenfalls schließen können, dass er eindeutig identifiziert wurde, also dann wohl auch seine Nationalität den Behörden bekannt ist. Nur indirekt kann man aufgrund dieser Nicht-Kommunikation folgern, dass der Tatverdächtige womöglich einen Migrationshintergrund hat. Sonst hätte die Bekanntgabe des Vornamens oder zumindest das Durchstechen an die Presse wohl genügt, um die „rassistische Hetze“ abzustellen.
Inzwischen ist der Name des Täters bekannt. Laut Tagesspiegel sieht die Staatsanwaltschaft Berlin bei Berhan S. Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung infolge von Drogenkonsum und will einen Befehl zur Unterbringung beim Amtsgericht beantragen. Der Täter käme dann in den Maßregelvollzug.
Der Twitter-Nutzer Argo Nerd weist auf einen Messerangriff von 2009 hin, bei dem der mutmaßliche Täter ebenfalls Berhan S. hieß, bereits polizeibekannt war und aus einer „streng gläubigen Familie“ stammte. Das Alter stimmt jedenfalls überein: Dieser Berhan S. war damals 24 Jahre alt.
Dass der alleinige Hinweis auf deutsche Staatsangehörigkeit nicht den Zweck erfüllt, einen Migrationshintergrund auszuschließen, ist offenkundig. Und zwar nicht erst seit dem absurden Streit um die Bekanntgabe der Vornamen der polizeibekannten Randalierer in der Silvester-Nacht. Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist eine parlamentarische Antwort der (früheren) Landesregierung von Nordrhein-Westfalen vom 29. Dezember 2021, in der diese nicht nur die Staatsangehörigkeiten der Delinquenten an ausgesuchten Bahnhöfen benennt, sondern auch die Vornamen der deutschen Tatverdächtigen.