Die Bundeswehr hat ein Nachwuchsproblem, und sie hat ein Imageproblem. Beides hat viel miteinander zu tun. Aber nicht nur. Der maßgebliche Einbruch bei der Rekrutierung von Nachwuchs für die Bundeswehr erfolgte durch das Aussetzen der Wehrpflicht im Jahr 2010/11. Damals zog die schwarz-grüne Koalition dieses populistische und wohl auch populäre Projekt durch. Angeführt von Merkel (CDU), Seehofer (CSU-Vorsitzender), zu Guttenberg (CSU-Verteidigungsminister) und Koalitionspartner FDP. Bis dahin hatte die Bundeswehr zwei Drittel der Längerdienenden, also der Zeit- und der Berufssoldaten, über die Wehrpflichtigen gewinnen können. Das war 2011 vorbei, und auch der freiwillige Wehrdienst, der eingeführt wurde, blieb bis heute ein Flop.
Apropos „Job“. Jahrzehntelang wurde so getan, als sei Soldatsein ein Job wie jeder andere im Zivilleben. Voller „Work-Life-Balance“. Folge: Dass Soldatsein bei nicht gerade üppigstem Sold auch mit dem Einsatz des eigenen Lebens und zumindest der eigenen Gesundheit zu tun hat, blieb verdrängt. Und es bleibt auch jetzt 15 Monate nach Putins Überfall auf die Ukraine verdrängt. Mehr noch: Seitdem haben sogar aktive Soldaten und Reservisten den Wehrdienst verweigert. Von einer hohen dreistelligen Zahl ist die Rede.
Nun hat die Bundeswehr aktuell eine Personalstärke von 183.000. Dabei sind jetzt schon viele Dienststellen mangels geeigneter Bewerber nicht besetzt. Darüber hinaus, so der Wille der Politik, soll die Bundeswehr in wenigen Jahren auf 203.000 „Mann“ aufwachsen, um Deutschland für die Landes- und Bündnisverteidigung zu ertüchtigen. Woher die dafür mehr als 20.000 Leute kommen sollen? Da ist guter Rat teuer. An die Wiedereinführung der Wehrpflicht oder gar an die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht traut sich niemand heran.
Also probiert man es seit dem 2. Mai mit einer Werbe- und Imagekampagne. Kern dieser Kampagne ist ein mit martialisch anmutendem Sound unterlegtes Filmchen von 1:10 Minuten Länge. Überschrift: „Deutschland braucht eine starke Bundeswehr. Arbeite mit uns daran.“
Nun ja, da dürften Zweifel angebracht sein. Denn die Bilder vermitteln doch kaum anderes als ein etwas aufregendes „Outdoor“-Abenteuer. Dass das auch mit Krieg zu haben könnte, wird nicht artikuliert. Allenfalls sehr abstrakt in den eingestreuten Fragen: „Was zählt, wenn wir wieder Stärke zeigen müssen? … Wenn die Welt um uns rauer wird? … Wenn wir über den Wolken Grenzen aufzeigen müssen? … Was zählt, wenn unsere Freiheit auf dem Spiel steht?“ Und dann der Appell: „Deutschland braucht eine starke Bundeswehr. Arbeite mit uns daran!“. Dazu Appelle wie „Weil jetzt dein Einsatz wirklich zählt.“
Alles ganz neu, jetzt mit der Agentur Castenow? (Motto: „Wir machen Marken menschlich“). Nein. Schon im Jahr 2015 hieß das Motto: „Mach, was wirklich zählt.“
Das bedeutet: So richtig kreativ sind die Bundeswehr bzw. deren politische Führung nicht geworden. Mit dem 70-Sekunden-Filmspot wird die Bundeswehr nicht auf die Beine kommen und keine Zeitenwende einläuten. Wir wissen nicht genau, was diese Kampagne kostet. Wir wissen nur, dass die Bundeswehr beispielsweise im Jahr 2020 insgesamt 35 Millionen Euro für Werbung ausgegeben hat. Das war damals schon eine Menge hinausgeworfenes Geld. So wird es wohl auch bleiben.