Tichys Einblick
Werte-Arroganz des Westens führt ins Abseits

Warum die Bedeutung der BRICS-Staaten zunimmt

Die nichtwestliche Welt orientiert sich neu. Mehr Staaten wollen Mitglied im Club der BRICS-Länder werden. Neben Interessenpolitik gibt es noch viel tiefer gehendere kulturelle Gründe, sich den BRICS-Staaten zuzuwenden: Die Wertedifferenz zum Westen und der Unwille, moralisch belehrt zu werden.

IMAGO / ITAR-TASS

Das Gleichgewicht in der Welt verschiebt sich zunehmend zuungunsten der westlichen Staaten, während die BRICS-Staaten (B-Brasilien, R-Russland, I-Indien, C-China, S-Südafrika) mächtiger werden. Die Hyper-Moral der West-Welt inklusive ihres Werte-Missionierungsgedankens begleitet den Abstieg des Westens. Wer sich westliches Unverständnis gegenüber nichtwestlichen Staaten einmal exemplarisch vor Augen führen möchte, kann sich dieses Interview eines typisch ideologischen ZDF-Reporters mit der südafrikanischen Außenministerin Naledi Pandor über den Ukraine-Krieg zu Gemüte führen.

Die nicht-westliche Welt orientiert sich hin zu den BRICS-Ländern

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Die südafrikanische Außenministerin bestätigt nun ein „weltweit riesiges Interesse“ am Club der BRICS-Staaten. „Auf meinem Schreibtisch liegen Anfragen aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten, Algerien, Argentinien, Mexiko und Nigeria „, erklärte sie in einem TV-Interview. Dort wird in Zukunft die Musik spielen. Schon heute leben hier 3,5 Milliarden Menschen, fast die Hälfte der Menschheit.

Natürlich verdienen viele der BRICS-Staaten hervorragend an den Sanktionen des Westens gegen Russland. Russland profitiert als Teil des Handelsverbunds der BRICS-Staaten und kein Paria außerhalb der Weltgemeinschaft, wie es die deutschen Medien so gerne schönreden.

2014 gründeten die BRICS-Staaten die „New Development Bank“ (NDB) als Alternative zur Weltbank und dem Internationalen Weltwährungsfonds (IWF). Zusätzlich wurde ein Liquiditätsmechanismus geschaffen, der Contingent Reserve Arrangement (CRA), der Mitglieder in Zahlungsschwierigkeiten unterstützt.

Die New Development Bank und das Contingent Reserve Arrangement ist nicht nur für die BRICS-Staaten selbst, sondern auch für viele Entwicklungs- und Schwellenländer attraktiv. Sie sind dann nicht an die Sparprogramme des IWF und die Forderungen nach Strukturanpassungen gekoppelt. Schon allein deshalb haben viele Länder Interesse an einem Beitritt zur BRICS-Gruppe.

Mit dem US-Dollar sichert die USA die Finanzstabilität und ihre wirtschaftliche Potenz. Doch der monetäre Hegemonialstatus bekommt Risse. So haben sich im März Brasilien und China darauf geeinigt, zukünftig Handelsgeschäfte in ihren eigenen Währungen abzuwickeln. Indien und Russland suchen eine eigene Verrechnungsmöglichkeit für ihren Handel, der von den USA nicht sanktioniert werden kann.

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Auch gibt es vonseiten Saudi-Arabiens Überlegungen, Öl-Geschäfte in Yuan, anstatt in US-Dollar abzuwickeln. So liest man immer öfter vom Petro-Yuan, der den US-Dollar bei Rohstoffgeschäften zusehends in bestimmten Regionen ablöst.

Die BRICS-Länder arbeiten an einer eigenen Währung, die sie gegen den Dollar aufstellen wollen. Es gibt also einen Zug der nicht-westlichen Länder, sich wirtschaftlich unabhängig der G7 zu positionieren.

BRICS ist nicht explizit antiwestlich, aber natürlich ist es immer besser, zwischen unterschiedlichen Optionen wählen zu können, als von einer Organisation abzuhängen, die auch noch von den USA dominiert ist.

Der Ukraine-Krieg führte auch zu einer politischen Trennung zwischen dem Westen und den Ländern, die Russland unterstützen. Die Abstimmungsverhältnisse in der Uno sind vor allem dem Druck der USA geschuldet. Wer sich in den Ländern bei der Bevölkerung umhört, gewinnt einen ganz anderen Eindruck.

Von den westlichen Medien wird Interessenpolitik als Grund für die wachsende Distanz zum Westen und das Interesse an den BRICS-Staaten erklärt. Es gibt aber noch wesentlich tiefer gehende, kulturell bedingte Gründe für die Entfremdung der Dritten Welt zum Westen. 

Dazu seien 2 Beispiele genannt:

1. Die Politik der Entwicklungsländer ist sehr oft führerorientiert. Sie ist nicht auf westliche, angeblich „universelle“ Werte abgestellt, sondern darauf, dass die eigenen Führer erfolgreich sind. Für eine führerorientierte Politik ist Mentalität der Führer entscheidend.

Wenn Trump behauptet, mit ihm als Präsident hätte es keinen Ukraine-Krieg gegeben, dann ist dies ein Stück weit ernst zu nehmen, denn Trump spricht nicht nur die Sprache seiner Wähler, sondern er trifft auch den Ton vieler nicht-westlicher Länder. Dies ist leicht am Beispiel Saudi-Arabiens zu sehen. Zwischen Trump und dem saudischen Hof gab es stets ein herzliches Einvernehmen. Er traf den richtigen Ton und die Verteufelung Trumps durch die westlichen Medien sorgte in den nicht-westlichen Ländern eher für Respekt ihm gegenüber. Dieses persönliche Einverständnis mündete auch in ein „Friedensabkommen“ zwischen Emiraten und Israel.

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Es geht um eine neue Weltordnung
Als dagegen US-Präsident Joe Biden in Saudi-Arabien eintraf, verlief das Treffen mit Kronprinz bin Salman unterkühlt. Beim Eintreffen am königlichen Palast stießen die beiden Politiker nur kurz die Fäuste aneinander. Danach gingen sie ohne ein weiteres Gespräch auseinander. Die Ergebnisse des Biden-Besuchs waren mager.

Der Bittgang Habecks nach Katar verlief schon deshalb enttäuschend, weil es kurz zuvor eine uniforme Diffamierungskampagne der deutschen Medien gegen den Ausrichter der Fußball-WM gab.

Nun bekundet Saudi-Arabien Interesse an einem Beitritt zu den BRICS-Staaten. Vorher schon sorgte die Meldung über die gedrosselte Öl-Förderung durch die OPEC-Staaten für großen Ärgern in den USA. Die USA-Regierung wertete diesen Schritt als direkte Unterstützung Russlands im Ukraine-Krieg. Die dadurch steigenden Öl-Preise bringen Russland mehr Geld ein. Dies hat auch Auswirkungen auf die USA selbst, denn die hohen Erdölpreise führen dort zu hohen Benzinpreisen. Dies steigert die Inflation weiter und schadet vor allem dem regierenden Joe Biden.

Die treibende Kraft bei der Drosselung der Öl-Förderung durch die OPEC war offenbar Saudi-Arabien.

Wenn also Annalena Baerbock meint, westliche Werte missionieren, und andersdenkende Politiker der BRICS-Länder China und Indien abkanzeln zu können, dann ist das eine sichere Grundlage für einen außenpolitischen Misserfolg Deutschlands.

2. In der Bevölkerung der unterschiedlichen Länder gibt es kulturspezifische Vorlieben und Aversionen, die NICHT westlich wertegeleitet, sondern kulturgebunden sind. Für arabische Länder und für Afrika ist der Ukraine-Krieg ein Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland als Vertreter der nicht-westlichen Staaten. Putin als „starkem“ Führer fühlen sie sich kulturell wesentlich näher als Biden, der für sie den wirtschaftlichen und kulturellen US-Imperialismus repräsentiert. Der dann die Moralkeule schwingt, wenn es zu seinem Vorteil ist, aber eigene völkerrechtswidrige Kriege (Irak, Libyen) verschweigt.

Die Ukraine ist für sie nur eine Marionette der USA. Die EU wird als vollkommen machtlos angesehen, die so lange respektiert wird, wie die USA ihre Hand über sie hält. Moralische Allüren à la Baerbock wirken hier lächerlich.

Wenn die BRICS-Staaten mit Russland sympathisieren

Nein zum "Klimaclub"
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Wenn unterschiedliche Kulturen über alle Kontinente hinweg mit der russischen und nicht mit der ukrainischen Position sympathisieren, dann sollte das sehr zu denken geben. Diese Länder sammeln sich um die BRICS-Staaten. In den westlichen Medien ist bereits eine gewisse Ratlosigkeit erkennbar. Aber die westlichen Medien sind in ihrer eigenen Ideologie verstrickt.

Asfa-Wossen Asserate, Großneffe des äthiopischen Kaisers Haile Selassie: Stellen Sie sich vor, in meiner Heimatstadt Addis Abeba sind im letzten Sommer Hunderte, wenn nicht Tausende junger Männer vor die russische Botschaft gezogen.
NZZ: Um gegen den Krieg in der Ukraine zu protestieren?
AWA: Nein, um sich als freiwillige Kämpfer gegen die Ukraine zu melden!

Die «Washington Post» veröffentlichte einen amerikanischen Geheimdienstbericht, wonach Ägypten massenhaft Raketen und Waffen nach Russland verkaufen wollte. Ägypten plante, rund 40.000 Raketen sowie Artilleriegeschosse für den russischen Krieg in der Ukraine bereitzustellen. Präsident Abdelfatah al-Sisi soll sogar befohlen haben, die Herstellung und Verschiffung der Waffen geheim zu halten, um Probleme mit dem Westen zu vermeiden. Auf amerikanischen Druck hin sah sich Sisi nun gezwungen, umzudisponieren. Nun gehen die Waffen angeblich an die Ukrainer.

Brasilien und Kolumbien verweigerten sich aber dem amerikanischen Wunsch, Waffen an die Ukraine zu liefern. Ägypten, Brasilien und Kolumbien sind teils Mitglied, teils Interessenten am BRICS-Club.

Auch die Kultur bestimmt politische Entscheidungen

Mal anders betrachtet
Die Welt zwischen USA und China – Westeuropa außen vor
Die Frage, ob es zwischen Nationen Freunde oder nur Interessen gibt, ist falsch gestellt. Jede Nation ist Teil einer tradierten Kultur, die Gedanken und Gefühle und davon ausgehend Entscheidungen bestimmt.

Dies bestimmt sogar, was als Interesse definiert wird. Denn auch Interessen sind zunächst subjektive Konstrukte. Vermeintlich objektive Interessen und die daraus folgenden Handlungen stellen sich im Nachhinein oft genug als falsch heraus.

Wer wie Außenministerin Baerbock angibt, vom Völkerrecht her zu kommen, sollte eigentlich wissen, dass verschiedene Völker, verschiedene Kulturen, auch unterschiedliche Wertvorstellungen haben. Wer allerdings mehr vom Trampolinspringen herkommt, sieht nur unten und oben. Wenn der/die/das Springer*In oben ist, sind die anderen unten. Entsprechend sind die eigenen Werte oben und die der Anderen unten. Das ist Gift in Beziehungen mit nicht-westlichen Ländern. Die Bedeutung des Westens, insbesondere von Europa, nimmt ab, die Bedeutung der nicht-westlichen Länder nimmt zu.

Die BRICS-Länder und die vielen Interessenten sind daran interessiert, sich in jeder Hinsicht von den USA unabhängig zu machen. Da geht es nicht ausschließlich um Wirtschaft. Immer wichtiger wird auch die Bedeutung der lokalen Kulturen, die sich durch einen westlichen „Kulturimperialismus“ massiv angegriffen sehen. Mit den BRICS-Ländern entsteht ein neuer Machtblock, der insbesondere durch seine Rohstoffe, mit China und Indien aber auch über wachsende Industrien großen Einfluss hat. Moralische Belehrungen deutscher grüner Politiker verstärken nur den Trend zur Distanzierung.

Glück im Unglück: Die Besuche der deutschen Außenministerin werden als so unbedeutend, ihre Vorstellungen als nahezu irre wahrgenommen, dass sie in den Medien und der Öffentlichkeit der Länder praktisch keine Rolle spielen.

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