Tichys Einblick
TICHYS LIEBLINGSBUCH DER WOCHE

Das Corona-Experiment und seine verzögerte Aufarbeitung

Sie haben mitgemacht. Sind zu Tätern geworden. Haben unbescholtene Bürger mit Hass und Gewalt überzogen, sie ihrer Freiheit beraubt. Politiker, Journalisten, Wissenschaftler und Bosse haben mittels quasireligiöser Dogmen und vermeintlich letzter Wahrheiten das Ende der demokratischen Ordnung eingeläutet.

Dieses Buch ist tatsächlich ein Dokument der Zeitgeschichte, um mit dem Epidemiologen, ehemaligen Amtsarzt und profilierten Kritiker der Corona-Maßnahmen Dr. Friedrich Pürner zu sprechen. Es dokumentiert in einfacher und um so schockierender Weise, wie rasch sich unsere Gesellschaft einem totalitären Maßnahmenkatalog unterwarf, sich Grundrechte entziehen ließ, Ausgangssperren gehorchte, an einem beispiellosen pharmazeutischen Großversuch teilnahm und bereitwillig in einen Denunziationsmodus verfiel, der die wenigen mutigen Warner und Kritiker ausgrenzte und stigmatisierte.

Es ist ein Protokoll der Spaltung unserer Gesellschaft, das gründlich nachvollzieht, was sich in den nahezu drei Jahren seit Beginn der Pandemie an gesellschaftlichen Umwälzungen vollzogen hat, akribisch belegt mit für jeden nachvollziehbaren Quellen und mit einer Fülle von Zitaten der Verantwortlichen aus Politik, Justiz und Medien. Diese Zitate stehen für sich, sind beredte Zeugnisse eines Sozialexperiments gewaltigen Ausmaßes, das dringend der Aufarbeitung bedarf. Auch das ist ein zentrales Anliegen dieses Buches. Einige dieser Zitate verteile ich hier exemplarisch, beginnend mit der titelgebenden:

»Ich hingegen möchte an dieser Stelle ausdrücklich um gesellschaftliche Nachteile für all jene ersuchen, die freiwillig auf eine Impfung verzichten. Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen.«

Nikolaus Blome, Journalist, Ressortleiter Politik und Gesellschaft
bei RTL und n-tv sowie Online-Kolumnist bei Der Spiegel

Man hätte sich wehren können
Ausgrenzung – eine grenzwertige Erfahrung
In seiner klugen, differenzierten Einleitung zu dieser Sammlung erörtert einer der beiden Autoren, der Soziologe, Medienwissenschaftler und Amerikanist Marcus Klöckner, die Frage, wie entnazifiziert unser auf seine Vergangenheitsbewältigung so stolzes Land denn tatsächlich wäre, angesichts der gesellschaftlichen Dynamiken, die während der Corona-Pandemie blitzschnell Fahrt aufnahmen:

»Es gehört zu den großen Lebenslügen gerade auch der Eliten in Deutschland,« schreibt Klöckner, »dass ›damals‹ niemals mehr ›heute‹ sein könnte. Die Pandemie hat gezeigt: Die Antriebe, die das ›faschistische Moment‹ in einer Gesellschaft erzeugen können, sind unter einer nur sehr, sehr dünnen Decke verborgen. Es braucht nicht viel, nein, es braucht erschreckend wenig, um selbst in einer angeblich aufgeklärten Gesellschaft wie in Deutschland jene Mechanismen und Verhaltensweisen an die Oberfläche zu befördern, aus denen sich nach und nach der Hass auf Gruppen, die politisch und gesellschaftlich stigmatisiert werden, entwickelt.«

»Es wird einen Unterschied geben im Zugang von Rechten und in der Freiheit des Lebens zwischen den Geimpften und den Ungeimpften.«

Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister (Die Grünen)

Ulrike Guérot – TE-Lesern als Autorin kritischer Bücher zum Thema bekannt – beschreibt in ihrem luziden Vorwort die Kapitulation vor dieser staatsbürgerlichen Herausforderung als ethischen Bankrott: »Der erste Artikel des Grundgesetzes lautet: ›Die Würde des Menschen ist unantastbar.‹ Genau diese Menschenwürde aber wurde in der Corona-Krise – und zwar auf staatliche Anordnung! – in unerträglicher Weise verletzt.

Alte, die aus Einsamkeit in Krankenhäusern starben, Frauen, die in zu engen Wohnungen von ihren Männern verprügelt und vergewaltigt wurden, Schulkinder, die man in der Pause im Schachbrettmuster auf dem Schulhof im Freien mit Maske vor dem Mund bewegungslos stehen ließ. Es waren grausame Bilder, die man sehen konnte, wenn man achtsam war, während die mediale Berichterstattung sich buchstäblich in einen Impfrausch hineinbewegte.«

»Kein Impfgegner wird wie ein Staatsfeind behandelt. Er darf nur, hoffentlich bald, nicht mehr unter die Leute gehen, weil er ein gefährlicher Sozialschädling ist. Aber er hat die Freiheit, sich nicht impfen zu lassen. Aber er hat nicht die Freiheit, mich zu gefährden.«

Rainer Stinner, FDP-Politiker

Ausgerechnet jene gesellschaftlichen Kräfte, die sonst nicht müde werden, Hetze und Diskriminierung anzuprangern und bisweilen in Form von Mikroaggressionen auszumachen, haben ohne Scheu Maßnahmenkritiker und Ungeimpfte herabgesetzt, beleidigt, ausgegrenzt und von gesellschaftlicher Teilhabe abgeschnitten. Dieser Prozess hat alle gesellschaftlichen Bereiche erfasst, auch die institutionellen von Politik, Justiz und Ordnungskräften sowie die Medien.

Die bisher gründlichste Retrospektive
Corona-Politik: Nur wer zurückblickt, erkennt die Fehler
Der vermeintliche Schutz der Gesundheit – für den paradoxerweise ein hohes gesundheitliches Risiko einzugehen von jedem als staatsbürgerliche Pflicht gefordert wurde – war das vorgegebene Ziel, für das kein Opfer zu groß schien. In einer grotesken, Orwell‘schen Verkehrung der offen vor aller Augen sich abspielenden Tatsachen, wurden die Verteidiger demokratischer Prinzipien und Spielregeln als Antidemokraten beschimpft – auch von dem Mann im höchsten Amt des Staates, der unter anderem gelobt hat, Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben.

»Ich sehe aber mit Sorge, dass radikale, vor allem rechtsextreme Kräfte, denen es nicht um Corona geht, sondern die unseren demokratischen Rechtsstaat angreifen, dass die die Proteste für ihre Zwecke instrumentalisieren und zunehmend andere vor ihren demokratiefeindlichen Karren spannen. (…) Ich bin sicher, die Impfpflicht-Debatte wird nicht das letzte Thema sein, mit dem extreme Kräfte versuchen werden, den vergifteten Stachel in unsere Demokratie zu treiben.«

Frank-Walter Steinmeier, deutscher Bundespräsident

Ein Kapitel trägt die Überschrift: »Warum nicht einfach vergessen?« In ebenso sympathischer wie empathischer Weise werden die Vorzüge des Verzeihenkönnens für das menschliche Miteinander und das Individuum beschrieben; doch es wird auch deutlich, dass es nicht allein um zwischenmenschliche Verletzungen geht (was für sich schwer genug wiegt), sondern um Verletzungen der unveräußerlichen, nicht verhandelbaren Grundrechte.

Es macht fassungslos, dass dieser Fakt jenen in Erinnerung gerufen werden muss, deren vornehmste Aufgabe in Schutz und Bewahrung eben dieser Grundrechte besteht. Es steht überdies zu befürchten, dass »alles vergessen und alles verzeihen« das inakzeptable Risiko vergrößern dürfte, bei der nächsten Pandemie oder vergleichbaren Ereignissen erneut unsere Grundrechte – womöglich sogar in weit höherem Maße – einkassiert zu sehen.


»Es darf keine roten Linien geben, das hat uns die Pandemie nun wirklich gezeigt. Wir müssen immer bereit sein umzudenken,
wenn die Umstände es erfordern.«

Olaf Scholz, deutscher Bundeskanzler (SPD)

Es ist also höchste Zeit, eine Aufarbeitung einzuklagen. Ermutigung und argumentatives Rüstzeug liefern dieses Buch. Auch wenn die hier versammelten O-Töne wütend machen und reichlich Anlass bieten zum Ärgernis. Ein Ärgernis besonders für die, die ihre Fingerabdrücke am Tatort verwischen wollen, die vergessen machen wollen, was sie gesagt, gesendet, gefordert haben und jetzt nichts mehr davon wissen wollen. Aber nur, wer dies in Erinnerung behält, kann verhindern, dass sich die Geschichte wiederholt.

Nein, wir kehren nichts unter den Teppich, der würde Wellen schlagen und zur Stolperfalle werden. Vielleicht sollten manche Täter und Schreiber überlegen, ob ein Berufswechsel nicht die bessere Alternative wäre; die anständigere sowieso. Denn die vorliegenden Zitate sind beschämend.

Marcus Klöckner / Jens Wernicke, Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen! Das Corona-Unrecht und seine Täter. Rubikon, Klappenbroschur, 208 Seiten, 20,00 €.


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