Tichys Einblick
Im Land der Ingenieure

Triumph des Schwachsinns

Irrationale Angst setzte Atomenergie gleich mit Atombomben. Das ist das Dogma vom absolut Bösen der Kernspaltung, das noch immer in den Köpfen spukt, aus denen der Verstand längst amputiert worden ist. Gefüllt wurden die Hohlräume mit grüner Weltanschauung, die die Zerstörung des Abendlands zum Ziel hat.

Die einzige „klimaneutrale“ Energiequelle, die immer liefert, wird heute abgeschaltet. Das offenbart die Tragödie eines verblendeten Volks und seiner verblödeten Führung. Devot und verängstigt zugleich, zerstören sie die eigenen Lebensgrundlagen.

I.

Die Deutschen marschieren gern, mal im Namen der Nation, mal im Namen der Natur, mal im Namen einer Ideologie, mal nur im Namen einer Idiotie. Es ist ein halbes Jahrhundert her, als die „Schlacht um Brokdorf“ und die „Republik Freies Wendland“ die Nation erregten. Nicht wenige Pastoren zogen im Talar mit an die Front. „Weiche Satan!“ Kernenergie wurde zum Inbegriff des Bösen erklärt und der Kampf gegen sie zum Sammelbecken der Feinde von Wachstum und Wohlstand. Die Mehrheit des um seinen noch nie ausreichend vorhandenen Verstand gebrachten Volks zog mit. Irrationale Angst setzte Atomenergie gleich mit Atombomben. Das ist das Dogma vom absolut Bösen der Kernspaltung, das noch immer in den Köpfen spukt, aus denen der Verstand längst amputiert worden ist. Gefüllt wurden die Hohlräume mit grüner Weltanschauung, die sich die Zerstörung des Abendlands – Aufklärung, Fortschritt – zum Ziel gesetzt hat.

II.

Schon nach Tschernobyl, der von skandalöser sowjetischer Schlamperei verursachten Katastrophe, stand die Kernkraft im Hochsicherheitsland Deutschland auf der Abschussliste. Aber dann kamen Merkels Energiewende und der 11. März 2011. Der von einem Seebeben verursachte Tsunami tötete viele tausend Japaner und zerstörte ein Kernkraftwerk in Fukushima. Ein einziger Mensch fand den Tod durch radioaktive Verstrahlung. Kein einziger deutscher Meiler war von Seebeben bedroht. Während in Japan längst wieder neue Kernkraftwerke gebaut wurden, stieg Deutschland aus. Merkel beschloss im Alleingang kurz nach der Verlängerung der Laufzeiten: „Das war’s!“ Für sie war es „ein Einschnitt für die Welt, ein Einschnitt für mich persönlich“.

Im Grunde aber handelte es sich nur um ein – erfolgloses – Wahlkampfmanöver vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg. Der radikale Einschnitt erfolgte ohne den notwendigen gesellschaftlichen Diskurs und ohne eine rationale Vorbereitung der Entscheidung. Ohne große Debatte billigten Bundestag und Bundesrat damals den Ausstieg. Merkel und ihr Verein warfen sich den Grünen an den Hals. Bis 2022 sollten alle 17 Atomkraftwerke schließen. Die überrumpelte Industrie kuschte, statt sich zu wehren. Und nicht vergessen werden sollte, dass der damalige bayerische Umweltminister Söder (CSU) einst besonders laut gegen die Kernkraft krakeelte, und heute besonders scheinheilig jammert. Obwohl inzwischen das Klima als Menschheitsbedrohung geradezu verehrt und gefürchtet wird, blieb es dabei – von ein paar Streckbetriebsmonaten abgesehen.

III.

Persönliche Anmerkung. Damals war offenbar kein Kundigerer als ich bereit, bei Anne Will gegen Merkels Atomausstieg zu streiten. Es wollte sich niemand schaden, auch kein Sprecher der Atomindustrie. Deshalb saß ich als einziger Skeptiker in dieser betroffen dreinblickenden Runde. Neben mir der evangelische Bischof Wolfgang Huber, der von Merkel in die Kommission berufen wurde, die den Ausstieg mit allem ethischen Ernst begleiten sollte. Die letzte Ölung für die Kernkraft. Fachkräfte für Sterbehilfe, nicht etwa Physiker, missbrauchte die „Physikerin“ Merkel, um ihr Machtwort zu flankieren. Auf so etwas fallen die Deutschen seit jeher gern herein.

Ich stellte dem frommen Besserwisser die simple Frage: „Verstehen Sie von Atomenergie deshalb mehr als die Fachleute, weil Sie Bischof sind?“ Danach erlebte ich einen veritablen Shitstorm. Meine Vorgesetzten glaubten, ich hätte dem Ansehen des ZDF geschadet. Aus dem damaligen Verlag meiner Romane – S. Fischer – erreichte mich die besorgte Frage, ob ich meine letzten Leserinnen verlieren wolle. Seither bin ich abgestempelt. Wie konnte ich nur so bescheuert sein, eine wichtige Sachfrage sachlich behandeln zu wollen, statt auf den Moral-um-jeden-Preis-Mainstream Rücksicht zu nehmen. Immer wieder – von der Migrations-, der Covid-, bis zur Klimahysterie – wiederholt sich dieser Mechanismus. Das wird sich nie ändern. Darauf einen Asbach Uralt.

IV.

Gar keine Hoffnung? Wenn die Grünen für lange Zeit von der Teilhabe an der Macht verbannt sein werden, gescheitert am eigenen Hochmut, werden Fusionsreaktoren und Kernreaktoren modernster Bauart, teuer importiert, das deindustrialisierte Deutschland bewegen und erwärmen. Technologiefeindlichkeit im Land der Ingenieure: Das ist einer der ewigen Widersprüche der mit sich selbst niemals ins Reine kommenden Deutschen. Die idealistischen Tüftler verfehlen nicht nur ihre willkürlich gesetzten absurden Klimaziele, sondern suspendieren auch immer wieder die Vernunft als Maß der Politik. So waren sie, so sind sie, so werden sie sich immer wieder selbst zur Ader lassen, und diese Quacksalberei für eine fortschrittliche Therapie ihrer eigenen Gebrechen halten.


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