Rote, gelbe oder orangene Autos von Benz, Porsche, Ferrari oder Lamborghini und Handtaschen von Prada, Hermes oder Luis Vuitton sind die Sehnsuchtsobjekte in den Musik-Charts. Männliche Sänger beschreiben Frauen meist anhand ihres Körpers, ihrer Tattoos und ihrer Markentaschen. Von Soja-Lattes und Elektroautos ist nichts zu hören. Auch dicke Frauen und „Body Positivity“ werden knallhart ignoriert. Irgendwie passen Weltbild und Musikrealität nicht so wirklich zusammen. TE hat sich die 15 meist gehörten Lieder auf Spotify mal genauer angesehen.
Im Bikini so in Shape, dass man Victoria Secret vergisst
Den ersten Platz der beliebtesten Lieder nimmt das Lied „All Night“ ein. Darin singen RAF Camora und Luciano darüber, dass ein Mädchen „im Bikini so in Shape“ ist, dass „man gleich Victoria Secret vergisst“. Das Mädchen trage schwarz, Kleidung von der Marke Prada und mache Fitness. All das mache sie perfekt: „Was ’ne Maschine“. Mit ihr fliegt er nur und schläft nicht: Von Paris nach Los Angeles. Derweil kauft er ihr Taschen von Hermes und Luis Vuitton. Konsum, eine Frau mit guter Körperform und vermeidbarer Kohlenstoffdioxidausstoß. Wenn das Baerbock hören würde.
Ähnlich im Lied „Shoot“. In diesem heißt es: „Dein Body ist ’ne Waffe und ich shoot“. Das Mädchen: Sie ist exotisch wegen ihrer Tattoos, sie ist scharf, sie ist kein Plastik. Über ihren Character lernen wir nichts.
Hol‘ sie ab im Vroom-Vroom
Auch das Lied „Geld machen Jung“ handelt davon, hübsche Mädchen beziehungsweise „Hoes“ zu beeindrucken. Eine dieser „Hoes“ ist „pretty in pink“. Um sie zu begeistern, müssen die „Jungs“ Geld verdienen, denn „Hoes lieben, wenn du Geld machst jung“. Und „Hoes“ lieben, wenn der Junge sie in einem neuen „Vroom-vroom“ abholt. Ein Lastenrad kriegt keine rum. So geht es auch in dem Lied „Orange“ insbesondere um Automarken: Porsche, Ferrari, Lambo Urus in orange. Sehnsuchtsobjekte trotz Verbrenner-Motor. Einen Verbrenner-Motor beschreibt auch Bonez in seinem Lied „Tarzan (mit Handschellen)“: Ob der Benz Cabrio rot oder gelb sein solle, lautet die Frage. Die Antwort darauf: „Ja“. Vegan ist er auch nicht: Er habe „Keine Lust, muss los, Käsetoast geht schnell“. Weit weg von raffinierter Lyrik, aber in den Charts ist es trotzdem.
Statt auf Umwelt- und Klimaschutz – wie die Grünen – setzen Luciano und Aitch in „Bamba“ auf „viele Dollar“. Für das Mädchen gibt’s eine Handtasche, weil ihr Körper ist „fantastisch“. Übrigens: „Body in shape, deine Girls in love“
Du brauchst keinen Mann, nur dich
Die Lieder der wenigen weiblichen Musikerinnen unter den Top 15 auf Spotify singen derweil eher frauenbestärkend: „Glaub mir, Girl, du kannst alles schaffen, was du willst. Dafür brauchst du keinen Mann, dafür brauchst du nur dich“, heißt es in dem Lied „Was mir gefällt“. Alles, was sie besitz, habe sie sich auch verdient, singt die Sängerin Ayliva weiter. Und auch Miley Cyrus Song „Flowers“, der auf Platz 5 liegt, klingt eher feministisch: sie kauft sich eigenen Blumen, geht selbst tanzen, kann mit sich selbst reden und braucht keinen Mann. Selbstbestimmung ist wichtig: Aber immer noch kein Wunsch nach E-Auto.
Die Inhalte der Lieder von Musikerinnen spiegeln also schon eher das woke Weltbild wider. Allerdings sind mehr Musiker in den Charts männlich: Zehn Lieder der aktuellen Top 15 stammen von männlichen Künstlern. Darum hat Spotify im April 2021 ein internationales Musikprogramm namens „Equal“ gestartet. Unter diesem Programm erstellt Spotify Playlists aus Liedern von ausschließlich Frauen, aktualisiert diese monatlich und ernennt „Künstlerinnen des Monats“. Das Ziel dahinter: Die Gleichberechtigung der Frauen in der Musikbranche fördern. Blos hören will das keiner. Die „Equal“ Playlist hat 892.000 Follower – weltweit. Eine kleine Spezialplaylist für den deutschen Markt, wie „Frühlingsgefühle“ hat Mehr als 1,2 Millionen Follower. Shindys „Geld machen Jung“ wollten schon über 4 Millionen Menschen hören, dabei ist die Single erst zum April erschienen.