Tichys Einblick
"Fortschrittskoalition" gegen den Fortschritt

Sehr, sehr, sehr ernüchternd

„Niemand muss sich, weil seine Heizung kaputt geht, Sorgen machen.“ Das ist ein ungedecktes, unhaltbares Versprechen. Es verrät, wie Scholz die Bürger gern hätte, entmündigt und zu beschränkt, um von A bis B zu denken. Die Bürger sollen glauben, die grün illuminierte Zeitenwende, die „große Transformation“ sei harmlos, obwohl sich alles ändert.

Das Knäckebrot im Kanzleramt kriegt sich nicht mehr ein. Ein „großes Werkstück“ sei gelungen. Zu verkünden seien, „sehr, sehr, sehr gute Ergebnisse“ auf dem „Weg in die Moderne“. Die Ampelkoalition der Bundesrepublik werde den „menschengemachten” Klimawandel „aufhalten“. Nicht mehr und nicht weniger. Und zwar mit „Deutschlandtempo“. Wenn ein derart nüchterner Mensch wie Scholz von sich selbst derart besoffen tönt, kann etwas nicht stimmen. Etwas nicht mit ihm, und etwas nicht mit der Koalition, die dieses Land selbstgefällig in den Abgrund regiert.

I.

Wenn Scholz das magere Ergebnis der selbstquälerischen Ausschusssitzung zum Triumph aufdonnert, erscheint er als Schmierenkomödiant. Seine Rolle ist doch eine ganz andere: Dieser Kanzler sucht sein Heil darin, die tiefen Konflikte der Ampel geduldig zu beschönigen. Er möchte gern als der Klügere erscheinen, der um des lieben Friedens willen nachgibt. Wie ein Advokat, der er ist, hofft er die Bürger mit ungeklärten Details einzulullen, bis sich ihre Sorgenfalten im Schlaf glätten. „Niemand muss sich, weil seine Heizung kaputt geht, Sorgen machen.“ Das ist ein ungedecktes, unhaltbares Versprechen. Es verrät, wie Scholz die Bürger gern hätte, entmündigt und zu beschränkt, um von A bis B zu denken. Die Bürger sollen glauben, die grün illuminierte Zeitenwende, die „große Transformation“ sei harmlos, obwohl sich alles ändert. Dieser Kanzler hält das Volk für dumm. Doch so vertrauensselig, wie er hofft, ist dieses Volk nicht. Die neue Den-Grünen-die-Grenzen-aufzeigen-Show verfängt deshalb nicht.

II.

Wie um alles in der Welt kommen die professionellen Beobachter beinahe unisono zu der Einschätzung, die „Grünen“ seien an einem neuen sozialliberalen Bollwerk gescheitert? Es muss Wunschdenken sein. Die Grünen haben ihre Maximalforderungen nicht durchgesetzt. Das versetzt manche Journalisten in Begeisterung, andere in Alarm – je nach Standort. Aber daraus zu schließen, die Ampel habe nun ihren Kurs korrigiert, ist falsch. Sie hat ihren Klimatotalitarismus nur nicht noch weiter verschärft. Noch immer sägt Deutschland entschlossen den Ast ab, auf dem es sitzt. Es zeigt sich nun, nicht „die Grünen“ allein sind eine große Gefahr, sondern der ganze Verein. Nur die öffentliche Wirkung ist nun eine andere, günstigere. Das ist die Botschaft, auf die das Volk hereinfallen soll.

III.

Die Grünen haben lediglich eine lange Nacht lang erfahren, dass sie nicht weiter durchregieren dürfen. Die beiden anderen wollen auch etwas abbekommen vom stramm wehenden Weltgeist. Sie wollen die grüne Sache nicht allein den Grünen überlassen. Sind sie doch selbst hinreichend grün. Deshalb das Scheingefecht um das längst beschlossene, kaum zu verbrämende Aus für die Blüte deutscher Ingenieurskunst, dem Verbrenner. Deshalb kein Wort zur Atomenergie, zwei Wochen vor dem endgültigen Ausstieg. Es ist ein allgemein akzeptiertes Tabu, das auch die FDP nicht mehr anzurühren wagt. Es bleibt der größte Fehler im schaurigen Spiel: Wer allein auf Strom setzt, ob im Verkehr oder beim Heizen, kann nicht die einzige „klimaneutrale” Quelle verdammen, die zuverlässig immer Strom erzeugt. Wer die Energiewende mit Macht und Tempo zum Erfolg führen wollte, müsste heute die modernsten Reaktortypen zur Serienreife entwickeln, Reaktoren, deren Kerne nicht mehr schmelzen können und die wenig strahlenden, weiter verwertbaren Müll hinterlassen. Aber die Fortschrittskoalition wendet sich erneut gegen den Fortschritt.

IV.

Während selbst in Berlin immer mehr Wähler erkennen, worauf sie sich mit den grünen Spießbürgern eingelassen haben, tickt die „veröffentlichte“ Meinung noch immer sattgrün.
Das große Dogma bleibt und wurde noch einmal bekräftigt. Der deutschen Politik ist nichts annähernd so wichtig wie „Klimaschutz“. Erst danach kommt Menschenschutz, Bürgerschutz, Geldentwertung, Wohnungsnot, die heraufziehende demographische Katastrophe, Frieden, Freiheit. Die Politik folgt nur mehr und weniger fanatisch einer Glaubenslehre. Die schwarze Opposition setzt kaum etwas dagegen, will lieber selbst mit den Grünen scholzen. Die Apokalypse bleibt das Geschäftsmodell der Politik, nur etwas kaschiert und glatt gebügelt.

V.

Das dramatische Kreißen des Ampel-Berges gebar eine Monstermaus aus Papier. Aber es diente konsequent zwei Zielen. Erstens: Die Bürger sollten nach dem wirtschaftspolitischen Amoklauf Habecks halbwegs beruhigt werden. Zweitens: Die Ampel will sich um jeden Preis bis zur nächsten Wahl schleppen. Vorgezogene Neuwahlen fürchten alle drei Parteien – darum kleben sie aneinander wie die „Letzte Generation“ am Asphalt. Und deshalb will die Koalition auch die nächste Hürde irgendwie überspringen: den Haushalt. Nicht überspringen, wohl eher unterkriechen. Die nächsten dramatischen Nachtsitzungen werden inszeniert.


Die mobile Version verlassen