Tichys Einblick
Unzufriedenheit über E-Fuel-Kompromiss

Salvini über Verbrenner-Aus: „Das Spiel ist noch nicht vorbei“

Italien sieht sich in der Frage um die Zukunft des Verbrennungsmotors übergangen: Der Kompromiss aus Berlin kam durch, der aus Rom nicht. Infrastrukturminister Matteo Salvini gibt sich noch nicht geschlagen.

IMAGO / Independent Photo Agency Int.

In Deutschland herrscht in der Politik- und Medienlandschaft eine Meinung zum Verbrennungsmotor vor: Die E-Fuels sind ein fauler Kompromiss. Mehr Klimaschutz, ein alternativloses E-Auto, keine Subventionen für andere Technologien. Aus der Perspektive anderer europäischer Länder war das Manöver von Verkehrsminister Volker Wissing dagegen eine Düpierung.

Italien ist mit dem Ergebnis unzufrieden. Das hat mehrere Gründe. Infrastrukturminister Matteo Salvini hatte bereits im Wahlkampf deutlich gemacht, dass er alles unternehmen werde, das Verbrenner-Ende im Jahr 2035 zu verhindern – im Zweifel sogar mit einem Referendum. Das war kein populistischer Ego-Trip. Die Regierung von Giorgia Meloni steht hinter dem Minister. Aber Salvini ist der Frontmann in diesem Kampf, ähnlich, wie er als scharfer Hund früher gegen die Migration vorging.

ABSCHALTTECHNIK AUCH FÜR E-Autos
Wenn Brüssels Verbrenner-Aus-Politiker konsequent wären
Zudem hat Brüssel auf einen letzten Kompromissvorschlag Italiens nicht reagiert, während es zugleich das deutsche Angebot annahm. Rom wollte zuletzt durchsetzen, dass Biosprit als „klimaneutrale“ Alternative bestehen bleibt. Doch aus der EU kam kein Signal.

Was die Regierung Meloni besonders ärgert: Nachdem Wissing seinen Willen bekommen hatte, sprach sich Deutschland gegen Biosprit aus. Die Front gegen das Verbrenner-Aus bröckelte, weil einer der Verbündeten für ein günstiges Angebot ausscherte. Üblicherweise sind das die Metaphern, mit denen man sonst italienisches taktisches Verhalten umschreibt.

Italienische Medien schießen sich bereits auf E-Fuels ein, aber nicht aus der Klima-Perspektive, sondern aus Kostenüberlegungen. Sie bezeichnen ihn als „Kraftstoff der Reichen“ oder rechnen vor, dass eine Tankfüllung dann 200 Euro oder mehr kosten könnte. Und während Deutschland seine E-Fuel-Industrie gerettet hat, sieht die italienische Biokraftstoffindustrie einer unbekannten Zukunft entgegen. Zitat aus der Tageszeitung Libero:

„Unser Land hat eine ganze Lieferkette zur Herstellung von Biokraftstoff entwickelt. Heute gibt es 5 Produktionsstätten: 3 von Eni, eine der Caviro-Gruppe und eine der Bertolino-Gruppe. Der Verbrauch dieser Kraftstoffe betrug im Jahr 2021 rund 1,7 Millionen Tonnen. Und sie können mit Mais, Soja, Raps, Sonnenblumen, Pflanzenölen industriellen Ursprungs, Abfällen aus der Holzverarbeitung oder Düngemitteln tierischen Ursprungs hergestellt werden. Die Europäische Union erlaubt die Verwendung von Biokraftstoffen (vorerst) nicht.“

Hintergrund: Die EU erkennt Biosprit nicht als Träger von „Null-Emissionen“ an. Die Italiener werfen ein: Die E-Fuels sind nur potenziell klimaschonend. Zur Produktion bedarf es Energie – und wenn diese nicht aus „Erneuerbaren“ oder Atomstrom generiert wird, dann sind E-Fuels sehr wohl CO2-lastig. Da Wind und Sonne nur vorübergehend funktionieren und Kohle- und Gaskraftwerke für die Grundlast zuständig sind, ist die emissionsfreie Herstellung von E-Fuels fraglich. Dass dies allerdings nicht nur ein Argument gegen E-Fuels, sondern auch gegen E-Autos wäre, ist bis heute eine Achillesferse der Energie- und Verkehrswende.

Märchen über E-Fuel und Klientelpolitik
Vernunft sticht Ideologie: Der Verbrenner-Motor wird nicht sterben
Vizepremier Salvini twitterte nach der Entscheidung am Dienstag, dass es nun nicht weniger, sondern mehr Mut bräuchte. „Italiens Standhaftigkeit garantiert den Verbrennungsmotoren auch nach 2035 eine weitere Überlebenschance“, erklärt der Chef der Lega. „Der ideologische Ansatz der Kommission hat sich auf eine Öffnung gegenüber E-Fuels beschränkt, wir vertrauen darauf, dass die Experten auch die volle Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen nachweisen können.“

Die italienische Position sehe so aus, dass die Brüsseler Entscheidung „nicht ausreichend“ sei. „Wir sind entschlossen, dass die Vernunft obsiegt“, erklärte Salvini. „Nächstes Jahr wird es mit der Abstimmung ein neues Parlament und eine neue Kommission geben: Das Spiel ist noch nicht vorbei.“

In Rom spekuliert man also auf eine Momentaufnahme und eine mögliche Machtverschiebung, die es leichter machen könnte, günstigere Kompromisse zu schließen oder Gesetzeslagen rückzubauen. Ganz aussichtslos erscheint das nicht angesichts des Wissing-Manövers vor ein paar Tagen. Rückendeckung aus Rom hat Salvini genügend. Fraglich bleibt, ob er Rückendeckung in Brüssel bekommt – ob heute oder in anderthalb Jahren.

Kritik kommt in Italien nicht nur von rechter, sondern auch von linker Seite. Das gilt medial wie politisch. Ausgerechnet Angelo Bonelli von den Grünen sagt: „Das ist die dramatische, politisch-diplomatische Niederlage Italiens, das mit seinem Nein zur Elektroauto-Verordnung vor wenigen Wochen synthetische Kraftstoffe aus deutscher Produktion favorisierte.“

Am Ende beließ es Italien bei einer bloßen Enthaltung. Aber auch das nützte nichts mehr. Es wurde in der EU offenbar nicht als Zeichen der Verhandlung, sondern als Zeichen der Schwäche interpretiert.

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