Vor dem Koalitionsausschuss bestand die Bundesregierung aus einer rot-grünen Koalition mit gelbem Anhängsel. Nach dem Koalitionsausschuss besteht sie aus einer sozialliberalen Koalition mit grünem Anhängsel. Bereits der Ausbruch von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in den Tagesthemen kündete an, dass sich etwas verändert hatte. Wie eine empörte Ehefrau, die sich nicht genügend beachtet fühlte, teilte Habeck gegen die Partner aus.
Die Reaktionen von SPD und FDP nahmen sich dagegen gelassen aus. Bundeskanzler Olaf Scholz ließ die Attacke abperlen. Stattdessen servierte Volker Wissing im Namen der FDP den Grünen das nächste kalte Gericht: Einen kompletten Ausstieg aus dem Verbrenner würde es nicht geben. Statt über die Koalition agierten SPD und FDP gleich über Brüssel. Dass sich beide Parteien darauf geeinigt hatten, den Heizungsaustausch zu torpedieren, entpuppte sich als gemachte Sache. Da änderten auch 30 Stunden Koalitionsgezeter nichts.
Die Stärke der FDP in der Koalition ist daher nicht nur eine Schwäche der Grünen. Freilich: Scholz betreibt eine gelungene Schaukelpolitik, indem er mal den Liberalen, mal den Grünen ein Zuckerbrot zuwirft, damit sich diese nicht gegen ihn verbünden können. Bei der Atompolitik wies der Kanzler die FDP zurecht. In anderen Fragen lässt er dem Koalitionspartner Spielraum. Das gilt nicht nur beim Verbrenner und Heizungen.
Denn das Bundesfinanzminister Christian Lindner bewusst in Abgrenzung zu Protz und Prunk beim Bundeskanzleramt den Akzent setzt, das Finanzministerium möglicherweise nicht auszubauen, dann ist das eine Ansage – auch Richtung Scholz. Die andere Möglichkeit, nämlich dass Scholz und Lindner in bewusster „good cop, bad cop“-Manier auftreten, würde die These eher noch stärken als schwächen. Offenbar ist das Vertrauen zwischen Kanzler und Finanzminister gewachsen.
Damit liegt der Grund für Habecks Eifersucht offen. Die FDP hat sich nach einigen Rückschlägen berappelt. Sie ist nun der bevorzugte Partner der Sozialdemokraten. Die Genossen haben verstanden, dass die FDP – anders als die Grünen – keine SPD-Wähler abspenstig machen kann. Zugleich bewahrt sie die SPD-Klientel vor unzumutbaren Kosten. Angela Merkel beruhigte ihr Wahlvolk einst damit, dass die Einlagen sicher seien. Olaf Scholz beruhigt es, indem er sagt, dass niemand Sorgen haben müsse, wenn seine Heizung kaputtgehe.
Man sollte sich dabei nicht darüber täuschen, dass mit dem Kompromiss in E-Fuel-Fragen das letzte Wort gesprochen ist. Auch Verbrenner mit synthetischem Kraftstoff blieben zum heutigen Zeitpunkt für weite Teile der anvisierten SPD-Klientel unerschwinglich. Doch die E-Fuel-Industrie ist ein deutsches Phänomen. Wenn die informelle sozialliberale Koalition schon nicht den Verbraucher schützt, so doch zumindest Aufträge und Arbeitsplätze, die in der grünen Utopie der Zerstörung anheimgefallen wären.
Ob die FDP ihre neugewonnene politische Macht dazu verwendet, urliberale Forderungen durchzusetzen, steht dabei auf einem anderen Blatt. Die neugewonnene Vertrautheit, wie sie seit 1982 nicht mehr existiert hat, ist brüchig. Die Gunst der Medien besitzt nicht die FDP, sondern die düpierte grüne Partei. Die öffentliche Meinung als Hebel der Grünen besteht damit weiter. Große Würfe sind nicht zu erwarten. Aber dass die FDP ideologische Irrwege der Ampel verhindern kann, hat sie in der vergangenen Woche deutlich gezeigt. Sie muss es nur wollen.