Drei Jahre nach Ausrufung einer globalen Pandemie, die sich vermutlich infolge eines „Laborunfalls“ im chinesischen Wuhan entwickelte, lässt sich eines festhalten: Schweden folgte der Wissenschaft. Beziehungsweise: Das Land hatte das Glück, dass sich die Politik weitgehend heraushielt und die Zügel sozusagen einem medizinisch-epidemiologischen Philosophenkönig übergab, der in diesem Fall Anders Tegnell hieß und die aus medizinischer Sicht geeigneten Maßnahmen treffen und alles andere unterlassen konnte.
In einem Podcast aus der Reihe „Planet Normal“ gingen nun zwei Journalisten des britischen Telegraph diesem Erfolg nach. Für die Moderatoren Allison Pearson und Liam Halligan steht fest, dass die britischen Lockdowns letztlich mehr Menschenleben gekostet als gerettet haben. Ein starker Satz, den sich hierzulande wohl noch kaum einer zu sagen traut. Dafür gebe es inzwischen Beweise in großer Zahl, so Halligan. Und Pearson sekundiert, Lockdowns seien die schlechteste Politik seit Menschengedenken gewesen.
Dabei war eigentlich alles bekannt. Schon am 29. Oktober 2020 fiel dem Kabinettssekretär Simon Case etwas „brutal Ehrliches“ auf: „Vollständige Lockdowns optimieren unsere Gesellschaft/Wirtschaft im Hinblick auf das Kleinhalten der Covid-R-Rate – aber sie sind schrecklich für andere Bereiche (Nicht-Covid-Gesundheit, Arbeitsplätze, Bildung, sozialer Zusammenhalt, psychische Gesundheit usw.).“ Langfristig brauche es einen „ausbalancierten Ansatz“ statt „härterer“ Maßnahmen. Warum beherzigte man genau das eigentlich nicht sofort und kurzfristig? Aus dem Interview mit Tegnell lernt man: vermutlich aus Feigheit vor der öffentlichen Meinung und mangelnder Klarsicht auf das eigentliche Problem, das hinter steigenden und sinkenden Infektionszahlen versteckt wurde. Und dieses Problem hieß: Wie kann man mit dem Virus leben?
Als Beispiel, wie es anders und besser hätte gehen können, reiste Pearson nun nach Schweden, um den schwedischen Arzt und ehemaligen Staatsepidemiologen (2013 bis 2022) Anders Tegnell persönlich zu befragen. Was war die Erklärung für das „schwedische Wunder“? War es vielleicht das Verdienst eines einzigen Mannes? Die Bescheidenheit Tegnells sagt uns etwas anderes. Denn natürlich hat auch er nicht alleine, sondern im Team gearbeitet. Und was mehr ist: Er konnte sich auf eine Struktur stützen, die in Jahrhunderten heranwuchs, heute fest im schwedischen Recht verankert ist und die Unabhängigkeit aller Fachbehörden garantiert.
Aber ein bisschen hat vielleicht auch Tegnells Persönlichkeit zu dem Erfolg beigetragen. Seinem Vorgänger Johan Giesecke war er angeblich als ein völlig „apolitischer“ junger Mann aufgefallen, der seine Aufgabe erfüllte, ohne darüber nachzudenken, was gerade opportun oder politisch erwünscht war. Das qualifizierte ihn für den Führungsposten bei der schwedischen Gesundheitsbehörde. Ein Anti-Hancock oder Anti-Lauterbach also. Ersterer, der britische Ex-Gesundheitsminister und Ex-Dschungelstar, hat sich durch seine Whatsapp-Korrespondenz als ziemlich ehrsüchtiger Mensch erwiesen, der im Körper eines mittleren Verwaltungsbeamten das Herz eines Löwen oder Gockels mit sich herumträgt. Ähnliches gilt für den ehrzerfressenen, nach Macht und Einfluss süchtigen Karl Lauterbach.
Die Welt war verrückt geworden
Der ganz andere Charakter Tegnells war vielleicht notwendig für das, was als das „schwedische Experiment“ in die Geschichte der Pandemie einging. Denn Ansehen auf der internationalen Corona-Bühne war damit zunächst nicht zu erringen. Stattdessen nannte die New York Times Schweden einen „Pariah-Staat“, was angesichts des doktrinären Charakters des Blatts schon fast als Ehre gelten kann. Immerhin wurde Tegnell nicht persönlich Schmiergeld vom Internationalen Währungsfonds (IWF) angeboten, um seine Abweichung vom Lockdown-Kurs zu beenden, wie er gegenüber Allison Pearson erzählte. Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hatte von solchen IWF-Avancen berichtet, die dann doch glaubhaft wirken. Der Druck auf Schweden war ebenfalls spürbar, auch wenn viele Experten sich neugierig bei Tegnell meldeten, um zu erfahren, wie er die Sache so gut „unter Kontrolle hielt“.
Im März 2020 hatte Johan Giesecke seinem Nachfolger einen lateinischen Satz zugeschickt, der die schwedische Reaktion auf Corona und die der Welt schön zusammenfasst: „An nescis, mi fili, quantilla prudentia mundus regatur?“ – „Weißt du nicht, mein Sohn, mit wie wenig Weisheit die Welt regiert wird?“ Und auch für Tegnell stand bald fest: „Die Welt ist verrückt geworden.“ Das sagte er damals zu seinen engsten Mitarbeitern.
Angesichts seiner eigenen Erfahrung sowohl mit Ebola als auch mit der weitgehend harmlosen Schweinegrippe war auch Tegnell erschüttert über so viel Konformismus in der Welt, vor allem auch bei den europäischen Nachbarn, die über ähnliche Sicherungsnetze hätten verfügen müssen wie Schweden. Die Gefährdung durch das Coronavirus schätzte Tegnell – dank seiner Erfahrung mit anderen, weitaus tödlicheren Infektionskrankheiten – sehr sachlich ein, vielleicht so ähnlich wie ein deutscher Ministerialbeamter namens Stephan Kohn. Anfangs seien vor allem die Alten gefährdet, seit Omikron nicht einmal die, denn seitdem schadet das Virus „im Grunde niemandem sehr“.
Tegnell legte den Grundstein für eine internationale Bewegung
Tegnells Politik kann man als wichtige Voraussetzung für die „Great Barrington Declaration“ sehen, die im Oktober 2020 von einem britisch-amerikanischen Team von Forschern veröffentlicht wurde, das sich in der Folge unzählige Anfeindungen gefallen lassen musste. In Schweden galten von Anfang an nur sehr wenige Beschränkungen, etwa für Versammlungen von über 50 Personen und einige Regeln für die Gastronomie, die aber stets offen blieb. „Es gab sehr wenige Fälle in Restaurants.“ Neben den Schutz der Alten und Vulnerablen stellte Tegnell so den Erhalt der Freiheit und den Aufbau einer Herdenimmunität für den Rest der Gesellschaft.
Die Autoren der „Great Barrington Declaration“ kamen auf eine Art „schwarze Liste“, werden bis heute auf der englischsprachigen Wikipedia (mit zweifelhaften Belegen) als Vertreter einer „randständigen Vorstellung von fokussiertem Schutz“ präsentiert. Tegnell kann an dieser Stelle nur darauf verweisen, dass er die Orientierung an Evidenz als grundlegend für seine Arbeit und für die Wissenschaft insgesamt versteht. Er führt das Vorsichtsprinzip an: „Das Vorsichtsprinzip bedeutet für mich, dass man nicht handeln sollte, es sei denn man hat gute Belege dafür, dass man damit mehr Gutes als Schlechtes hervorruft.“ In der allgemein angewandten Corona-Politik sei dieses Prinzip dahingehend verändert worden, dass man „so viel tun“ sollte, wie irgend möglich war.
Wie gelang nun die schwedische Ausnahme? Worauf gründete sich der schwedische Erfolg beim Verteidigen der Freiheiten? Tegnell nennt mehrere Gründe:
- Die schwedische Gesundheitsbehörde hatte gute Erfahrungen mit Freiwilligkeit.
- Die Öffentlichkeit stand in dieser Frage hinter Tegnell, empfand seinen Weg als angemessen, was sich auch in der (bis heute) sehr hohen Zustimmung zeige. Und das galt sogar für die wissenschaftliche Gemeinschaft in Schweden, wie Tegnell hinzufügt.
- Die Entwicklung sprach nicht gegen das schwedische Vorgehen. Die diversen „Wellen“ stellten sich in Schweden ähnlich dar wie in vielen anderen Ländern.
Tegnell zusammenfassend dazu: „Ich glaube fest daran, dass die meisten Menschen einigermaßen zurechnungsfähig sind, und wenn man sie gut darüber informiert, was sie tun können und welchen Gefahren sie möglicherweise ausgesetzt sind, treffen sie in der Regel gute Entscheidungen.“
„Eis im Bauch“ – mit kühlem Kopf durch die Pandemie
Doch eines musste auch Tegnell zur Kenntnis nehmen: Die Lockdown-Phantasie eroberte Europa im März 2020 sozusagen im Sturm. In Großbritannien löste die berühmte „Studie“ des Imperial College und Neil Ferguson, die eher schon eine gewaltige Spekulation mit angeschlossener Blase war, einen totalen Wandel der öffentlichen Meinung aus. Laut Ferguson wäre es ohne den britischen Frühjahrslockdown von 2020 zu 500.000 Toten gekommen, was er auch mit Zahlen aus Wuhan und Bergamo begründete. Auch Tegnell kennt sich mit solchen Modellrechnungen aus: „Wir kannten sowohl die Stärken als auch die Schwächen von Modellen.“ Dieselben könnten ein gutes Instrument sein: „Aber wenn man mit Daten arbeitet, die nicht sehr verlässlich sind, können die Ergebnisse trügerisch werden. Man kann zu sehr seltsamen Ergebnissen kommen.“
Dann stellt Pearson eine sehr treffende Frage: „Zeigte die Wissenschaft, was man tun musste, oder wurde sie dazu benutzt, um eine Erzählung zu unterstützen, auf die man sich zuvor geeinigt hatte?“ Tegnell verweigert die direkte Antwort, aber natürlich könne die Wissenschaft auf viele verschiedene Arten benutzt werden. Wenn man sich nur auf ein Denkmodell verlasse, dann sei das „normalerweise ziemlich gefährlich“, fügt der Schwede ruhigen Bluts hinzu. Aber genau das tat wohl die Mehrheit der Regierungen im Frühjahr 2020, wie eine Herde am Abgrund.
Die Politik übernahm damals fast überall das Heft des Handelns von den Fachbehörden. Das hatte man, so Tegnell, „auch bei großen Gesundheitsgefahren schon lange nicht mehr erlebt“. Der Schwede zeigt sich noch heute erstaunt darüber, dass „die Politiker so weit gegangen sind, mit so wenig Evidenz darüber, was für Auswirkungen ihre Entscheidungen haben würden“.
Ganz anders das Bild in Schweden: Die schwedische Regierung nahm laut Tegnell keinen Einfluss auf seine Entscheidungen, eher wandte sich seine Behörde an die Regierenden, wenn sie etwas brauchten. Diese Zurückhaltung der Politik sei sowohl im schwedischen Gesetz als auch in 400 Jahren Geschichte verankert, erzählt Tegnell, und das habe man eben „beibehalten“. In Schweden sei „es sogar im Gesetz verankert, dass die Gesundheitsfürsorge sich an der evidenzbasierten Medizin orientieren soll“. Außerdem habe seine Behörde dabei eine „sehr breite Verantwortung für wirklich alle Bereiche der öffentlichen Gesundheit“. Hier kommt wieder das Vorsichtsprinzip, das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zum Zuge: „Es ist nicht erlaubt, Maßnahmen zu ergreifen, die mehr schaden als sie nutzen.“
Und noch ein weiterer Grundsatz des schwedischen Krisenmanagements mag erstaunen: „Management sollte in der Krise genau so funktionieren wie in normalen Zeiten.“ Also kein Gerede vom notwendigen Notstand, sondern „business as usual“ als Erfolgsrezept. Der Wahlspruch des Schweden Björn Borg auf dem Tennisplatz („Eis im Bauch“) soll auch Tegnell bei der Erledigung seiner Aufgabe geholfen haben.
Lockdowns haben nie funktioniert
Eines aber galt wohl international: In keinem bekannten Pandemieplan vor Corona war das Mittel vorgesehen, bei dem ganze Städte und Länder lahmgelegt wurden. Es hatte wohl lokale Versuche etwa bei der „Spanischen Grippe“ gegeben, danach aber kam das Mittel für 100 Jahre vollkommen außer Gebrauch. Tegnell kannte keine derartigen Pläne und weiß deshalb auch nicht, warum man sie nicht diskutiert hat. Es gab sie schlicht nicht. Als Erklärung fallen ihm nur die Ereignisse in China ein. Diese Reaktion schien zu funktionieren, also ahmte man sie nach. So schlicht könnte es laut Tegnell gelaufen sein.
Die strengen Maßnahmen nach chinesischem Modell vergleicht Tegnell mit einer Serie von Hammerschlägen („Bam!“), die wie Thor mit seinem Hammer Mjöllnir in der nordischen Mythologie die Atmosphäre von Nebel und Wolken reinigen – in diesem Fall von Viren. „Aber das hat nie funktioniert“, sagt Tegnell. Und er gibt noch etwas Allgemeineres zu bedenken: „Wir haben relativ bald gelernt, dass es einfach ist, verschiedene Restriktionen einzuführen, aber sehr schwer, sie wieder zu beenden.“ Warum? Es gibt mehrere Gründe: Weil es kommunikativ schwer wird, die Rücknahme eines Lockdowns zu begründen. Aber auch weil das Virus immer wieder zurückschnellt wie ein Jojo, sobald die soziale Distanzierung wieder gelockert wird: „Alle Pandemien, die wir hatten, haben durch die Bevölkerung gefegt, langsam oder schnell.“
Wie aus Restriktionen Angstmacherei folgte
Allison Pearson erinnert sich an etwas sehr Charakteristisches: Als sie 2020 auf Twitter ihre Freude darüber kundtat, dass ihr zwanzigjähriger Sohn sich mit Corona angesteckt hatte, so dass er durch die erworbene Immunität auch Umgang mit den Großeltern haben könne, wurde sie öffentlich dafür gesteinigt, eine Rabenmutter zu sein, die wolle, dass Menschen sterben. Der Tweet wurde als Falschinformation markiert. Pearson stellt das in den Kontext einer Entwicklung, in der Herdenimmunität plötzlich „ein schmutziges Wort“ geworden sei. Tegnell erklärt, Herdenimmunität sei niemals ein Ziel, das man anstrebe, sondern ein „epidemiologisches Factum“, etwas, das nun einmal passiert, nicht mehr und nicht weniger. Schweden habe deshalb den Schwerpunkt auf den Schutz der verletzlichen Gruppen gelegt.
Zu Anfang der Pandemie war die Sterberate in Schweden in der Tat etwas höher. Diesen Rang gab das Land aber in den kommenden Wellen an andere Länder ab. Die Todesfälle im Zusammenhang mit dieser Atemwegserkrankung erwiesen sich als Nullsummenspiel: Man konnte durch Lockdowns und andere Maßnahmen (soweit sie überhaupt wirkten) Infektionen aufschieben, aber letztlich nicht vermeiden. Am Anfang sagten das auch die Medien großflächig dem Volk, dass es darum gehe, das Aufkommen von Infektionen über die Zeit zu strecken („flatten the curve“). Seltsamerweise vergaß man das bald wieder, als die Maßnahmen anhielten.
Stattdessen setzte man in Ländern, die sich für den restriktiven Weg entschieden haben, sehr früh auf die Erzeugung von Angst. Bald fügten sich viele Menschen in diese Angst. Ein kollektives „Stockholm-Syndrom“ – so benannt nach einem bekannten Entführungsfall, bei dem eine Geisel sich gut mit ihren Entführern vertrug – griff um sich, von dem nur Schweden und seine Hauptstadt ironischerweise verschont blieben.
Es gab keinerlei Nutzen bei den Schulen, nur Schaden
In Schweden machte Tegnell es anders, sein Gesicht wurde deshalb in kultischer Weise auf T-Shirts gedruckt oder als Tätowierung herumgetragen, auch er erhielt aber Morddrohungen und musste in der Folge unter Polizeischutz leben. Glaubt er, dass der internationale Wahnsinn, die Lockdown-Mentalität, nun von uns Abschied nimmt? Immerhin hat nicht nur in Großbritannien eine kritische Diskussion eingesetzt, sogar im lauterbach-regierten Deutschland werden einzelne Maßnahmen inzwischen als „schwerer Fehler“ angesehen.
Auf die Frage, ob Schweden es nicht besser mache, rastete Matt Hancock einst aus. „Das verdammte Schweden-Argument“, schrieb er auf Whatsapp und verlangte „drei oder vier Stichpunkte“ von einem Zuarbeiter dazu, „warum Schweden unrecht hat“. Das ist der übliche Widerlegungs- und Argumentationsmodus ‚verantwortlicher‘ Minister auch in Deutschland. Vier Punkte sind schon mehr als genug, um in einem Tagesschau-Einspieler oder auch einem Talkshow-Sessel die Contenance zu wahren und so zu tun, als ob man auf der Seite der Guten und Gescheiten wäre.
Wären die Briten nicht so woke, hätten auch sie profitiert
Doch nun hat sich Tegnell als besser und gescheiter erwiesen, weil Schweden ganz ohne Lockdown, das heißt mit weniger Umpflügen der Gesellschaft, weniger Geschäftspleiten und leeren Ladengeschäften „besser durch die Pandemie“ gekommen ist, die vielleicht gar keine war. Schweden liegt, was die Übersterblichkeit in den Jahren 2020 und 2021 angeht, weit hinter Deutschland und dem Vereinigten Königreich und knapp hinter dem lockdown-versessenen Frankreich. Bestätigt fühlen will sich Tegnell aber keineswegs: „Es geht nicht um einen Wettbewerb. Es geht um die öffentliche Gesundheit, darum, sein Bestes zu tun, um die Bevölkerung während einer Gesundheitskrise so gesund wie möglich zu halten.“
Hancock wusste, dass er eine hysterisierte, woke öffentliche Meinung in seinem Rücken hatte, und versuchte, eben darauf eine Karriere zu errichten. Zu dumm, dass er am 4. Mai 2020 eine Affäre mit seiner Gehilfin Gina Coladangelo begann, die durch Küssen und „heavy petting“ eindeutig gegen die selbstgemachten Lockdown-Regeln verstieß. Heraus kam all das im Juni 2021. Etwas zu spät, um die Politik des Jahres 2020 rückgängig zu machen, aber nicht zu spät, um zu zeigen, wie doppelzüngig die Politik gewesen war – und blieb, solange sie eben konnte.
Aus dem Job bei der WHO wurde dann doch nichts
Einige kritische Fragen gab es zum Schluss des Interviews: Auch Tegnells Behörde betrieb ein massives Impfprogramm, das einen großen Teil der Gesellschaft erreichte. Tegnell hebt hervor, dass man sich zunächst ganz auf die Alten und Vulnerablen konzentriert habe und nie eine Impfempfehlung für kleine Kinder ausgab, weil die gar nicht von den Impfungen profitierten. An diesem Mittel der Pandemie- oder Virusbekämpfung hatte auch ein Tegnell offenbar keinen Zweifel. Zu diesem Thema wären sicher andere Experten zu befragen.
Eigentlich wollte Tegnell im Frühjahr 2022 zur WHO wechseln, wird also keinen ganz negativen Ausblick auf die internationale Zusammenarbeit in Sachen Gesundheit haben. Vielleicht würde man dem internationalen Organismus mehr trauen, wenn ein Mann wie Tegnell in ihm eine Rolle spielte. Aber die angeblich „guten Signale“, die Schweden und Tegnell aus der WHO bekommen hätten, erwiesen sich letzten Endes als Ente. Vielleicht war die in vielem abweichende Position Tegnells dann doch nicht genehm in dieser global agierenden Gesundheitsverwaltungskrake.
Anders Tegnell war, so schreibt eine Britin an den Epidemiologen, ein „Hoffnungsstrahl“ für Millionen Menschen europaweit, selbst wenn er kaum Einfluss auf die nationalen Pandemiepolitiken abseits von Schweden ausgeübt haben dürfte. Doch allein die Tatsache, dass es auch anders ging, öffnete den Horizont – umso mehr, wenn es endlich zur Abrechnung mit den verschiedenen Handlungsmodellen kommt.