Die einen schimpfen es unsägliche Hexenjagd, die anderen sind lautstark der Ansicht, es sei längst überfällig, dass Donald Trump aus dem Verkehr gezogen und in ein Gefängnis eingeliefert wird. Möglichst schon gestern, lebenslänglich und mit Entzug des Handys, um keine Social-Media-Tweets mehr absetzen zu können. Und dann gibt es da noch die dritte Fraktion, die leiseren, unauffälligeren, die davon ausgehen, dass Trump gerade sehr geschickte Medienberater hat. Bisher ist das Fazit des einwöchigen Spektakels nämlich: viel Rauch um nichts, aber viele neue Unterstützer.
Was genau ist bisher passiert? Im Wahlkampf 2016 kam eine angebliche Affäre des damaligen Präsidentschaftskandidaten Trump mit der Erotikdarstellerin Stormy Daniels an die Öffentlichkeit und wurde von den Demokraten ausgeschlachtet. Trump selbst bestreitet bis heute, eine Affäre mit Stormy Daniels gehabt zu haben. Nichtsdestotrotz zahlte Trumps Anwalt Michael Cohen der Dame 130.000 US-Dollar Schweigegeld (hush money), wurde später dafür angeklagt, gestand und wurde verurteilt. Jetzt der neueste Dreh in der scheinbar niemals endenden Kette von Anschuldigungen gegen Trump: Sein Büro soll die Erstattung des „hush money“ an den Anwalt angeblich nicht als Schweigegeld verbucht haben, sondern als Wahlkampfspende.
Das zumindest behauptet Alvin Bragg, Manhattans Bezirksstaatsanwalt. Seit Januar versucht er, eine Grand Jury zu überzeugen, gegen Trump Anklage zu erheben. In Washington würde damit ein Traum wahr: Trump müsste sich Fingerabdrücke abnehmen und „mug shots“ machen lassen. Er müsste der Anklageverlesung persönlich beiwohnen und eventuell eine Kaution zahlen. Bilder, die in Dauerschleife um die Welt gehen würden.
Aber wieder einmal hat die Washingtoner Elite den Kampfeswillen Trumps und seiner Anhänger unterschätzt. Kaum verkündete Trump auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social, dass er im Begriff sei, von Manhattans „korruptem“ Staatsanwalt verhaftet zu werden, ging ein Erdbeben durch die sozialen Netzwerke. Seine Anhänger drückten ihre Empörung lautstark aus, was aber viel wichtiger war: Die Republikaner sammelten sich geschlossen hinter ihm. Sogar diejenigen, die Trump lieber Golf spielen sehen würden, statt erneut zu kandidieren. Ohne es zu wollen, haben Bragg und seine Hintermänner Trump gewaltig gestärkt. Seine Umfragewerte schossen in die Höhe. Er liegt mittlerweile bei 60 Prozent Zustimmung bei den republikanischen Wählern.
Für eine politische Hexenjagd spricht, dass der gleiche Alvin Bragg, der jetzt alles in die Wege setzt, um Trump anzuklagen, scheinbar seinen eigenen Beweismitteln nicht traut. „Bragg hielt 2021 die Stärke der Beweise und die Glaubwürdigkeit eines wichtigen Zeugen in der Schweigegelduntersuchung für nicht ausreichend“, schreibt Mark Pomerantz in seinem Buch „People vs. Donald Trump“. Pomerantz war im Februar 2021 von Bragg als ermittelnder Staatsanwalt mit der Untersuchung gegen Trump beauftragt worden. Nach nur einem Jahr trat er zurück. Der Grund: Bragg wollte damals mangels Beweisen keine Anklage erheben. All das enthüllte Pomerantz in seinem Insider-Buch, das bei Demokraten und Medien einen Sturm des Entsetzens auslöste. Es heißt, dass George Soros hinter den neu aufgenommenen Aktivitäten Braggs steht und dessen politische Karriere davon abhängig ist, ob er es dieses Mal schafft, Trump zur Strecke zu bringen. Kaum jemand in Washington bezweifelt jedenfalls, dass die Anklage weniger strafrechtlich als vielmehr politisch motiviert ist. So weit, so schmierig.
Mit der Ankündigung seiner angeblich bevorstehenden Verhaftung hat Trump eines auf alle Fälle erreicht: Senatoren, Abgeordnete und einflussreiche Republikaner stellen sich hinter ihn. Jonathan Turley, Juraprofessor in Georgetown, nennt Braggs Scharade eine peinliche Produktion für die Fernehkameras. Speaker Kevin McCarthy und Senator Rand Paul sprechen von Machtmissbrauch.
Seine Unterstützer spendeten in wenigen Tagen 1,5 Millionen Dollar und bringen dabei klar zum Ausdruck, dass sie ihn sich als nächsten Präsidenten wünschen. Trump hat nämlich die täglich an seine Follower rausgehenden Spendenaufrufe modifiziert. Statt wie bisher Spenden in Höhe von 25 oder 50 Dollar vorzuschlagen, werden jetzt 24 beziehungsweise 47 Dollar empfohlen. Warum? 24 ist das Jahr, in dem gewählt wird, und es geht um die Wahl des 47. Präsidenten der USA. Eine äußerst erfolgreiche Taktik. In Echtzeit kann man verfolgen, wie beide Summen in Rekordtempo eingehen.
Natasha Owens neue Single „Trump won“ steht an der Spitze der iTunes Charts und auf Platz 5 der Billboards, was von Trump mit diebischer Freude verkündet wird.
Sogar Trumps größter Konkurrent Ron DeSantis wird mittlerweile von Republikanern angegriffen. „Wäre ich Gouverneur von Florida, würde ich nicht zulassen, dass ein Floridian durch einen von Soros unterstützten Staatsanwalt politisch verfolgt wird … Die Tatsache, dass er dies nicht tut, gefährdet jeden Floridian, der Gegenstand einer falschen Anschuldigung sein könnte“, twittert Matt Gaetz.
DeSantis reagiert bisher gelassen, auch wenn die steigenden Umfragewerte für Trump ihm sicherlich nicht gefallen. Auf einer Pressekonferenz in Panama City, Florida wurde er auf die Vorwürfe gegen Trump angesprochen und erwiderte nur: „Ich kann nichts zu Zahlungen von Schweigegeldern an Pornostars sagen“. Das sei einfach nicht sein Thema. Die Lacher waren auf seiner Seite.