Tichys Einblick
Der AWO-Sumpf wirkt immer noch

Die Schlammschlacht geht weiter: Frankfurt vor der OB-Stichwahl

Am Sonntag entscheidet sich, wer neuer Oberbürgermeister der Wirtschaftsmetropole wird. Die Entscheidung fällt zwischen Mike Josef, dem Kandidaten der nach der Korruptionsaffäre angeschlagenen SPD, und dem Herausforderer von der CDU Uwe Becker. Von Claus Folger

Mike Josef, SPD-Kandidat für die OB-Wahl in Frankfurt am Main

IMAGO / Kessler-Sportfotografie

Am Sonntag wird entweder der gezwungen professionell und aufgesetzt weltmännisch wirkende Mike Josef (SPD) der neue Oberbürgermeister – oder aber der gelegentlich fahrig und chaotisch wirkende Uwe Becker (CDU) hängt sich die goldene Amtskette um. Mike Josef vermag nicht auf Menschen zuzugehen und wirkt arrogant in seinem Umfeld; Becker strahlt eher biederes Vertrauen aus.

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Nachdem in der ersten Wahl 18 der 20 Kandidaten ausgeschieden sind, ist die Frage: Wohin wandern die Stimmen der Grünen, der AfD und vor allem der parteiunabhängigen Bewerber? An Mike Josef klebt die unappetitliche Korruptionsaffäre des SPD-Oberbürgermeisters Peter Feldmann, wobei Mike Josef sich in der Attitüde des Saubermachers aufspielt, der Feldmann aus dem Amt und aus der Partei gedrängt haben will. Allerdings passt da nicht dazu, dass pünktlich zur Ausrufung der Stichwahl ein neues Korruptionsmonster in Person des Leiters des Hauptamts, Tarkan Akman, aus dem SPD-AWO-Sumpf aufgestiegen ist. Jetzt rächt sich, dass die SPD zwar Feldmann abgeräumt hat – aber den Sumpf der AWO hat feucht liegen lassen.

Gegen Akman, den Protegé des abgewählten Peinlich-OBs Peter Feldmann (SPD), ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt seit April 2022 wegen ähnlicher Vorteilsannahme-Vorwürfe wie die, die „den überzeugten Frankfurter“ Feldmann um Amt, Ehre und möglicherweise sogar Pension brachten. Brachte Feldmann seine Ehefrau in führende Position in der deutsch-türkischen AWO-Kita „Dostluk“ unter, gelang dies Akman mit seiner Schwester. Beide Male wurde dem sozialdemokratischen Vorfeld-Sozialverband im Gegenzug Wohlwollen für seine Anliegen entgegengebracht und damit praktisch ein Schaden für die Stadt in bis zu zweistelliger Millionenhöhe zugefügt.

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Tarkan Akman übernahm 2017 als Mitarbeiter im Büro des damaligen Oberbürgermeisters Peter Feldmann die Leitung des Amts für Kommunikation und Stadtmarketing. Daraus wurde später ein „Hauptamt“, eine Art Superbehörde innerhalb der Stadtverwaltung. Schon vor dem offiziellen Bewerbungsverfahren klang durch, dass der Feldmann-Vertraute diese Stelle bekommen würde. Was nicht überrascht, da der PR-Profi Akman Feldmann wie einen Star-Saxophonisten immerdar im glanzvollen Licht zeigen sollte. Bis zum finalen Vertrauensbruch vieler Bürger trug der von seinem Amtsmissbrauch völlig ungerührte, dauerlächelnde Skandal-OB seine goldene Amtskette auf Karnevalsumzügen und durch sich zunehmend nach Einkommen, sozialem Status und Ethnie aufteilende Frankfurter Stadtteile spazieren, während immer neue Korruptionsfälle auftauchten.

Die Entscheidung für die Gründung des „Hauptamts“ im Magistrat fiel Anfang 2017 mehrheitlich. Selbst die damals im Magistrat mitregierenden Parteien CDU und Grüne unterstützten die Besetzung des im Oktober 2016 neu geschaffenen, rund 100 Mitarbeiter starken Amts, obwohl ein umfassender Zuschnitt der Öffentlichkeitsarbeit auf die Person des Oberbürgermeisters abzusehen war. Eine größere Propagandaabteilung unterhält vermutlich nur der Bundeskanzler mit dem Bundespresseamt. Jetzt will SPD-Josef das Amt auflösen – ein eher verzweifelter Versuch, sich endgültig von Feldmann zu distanzieren, und wohl wissend, dass der nur einer der Teilnehmer an den Raubzügen der Sozi-AWO in den Stadtkassen ist.

Bleibt die Frage, warum die schon länger ermittelnde Staatsanwaltschaft die jüngste SPD-AWO-Affäre die Woche vor der Oberbürgermeisterwahl offenlegte. Nun ist in Deutschland die Staatsanwaltschaft eine Institution zwischen Judikative und Exekutive und weder rechtsprechender noch vollziehender Gewalt eindeutig zuzuordnen. Während Richter vor dem Grundgesetz unabhängig sind, haben Staatsanwälte die Weisungen ihrer Vorgesetzten zu befolgen. Sie sind gegenüber der Politik weisungsgebunden. Dabei können sich interne, externe, ministerielle und politische Weisungen auf jede staatsanwaltliche Aufgabe und jeden Zeitpunkt beziehen.

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Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sorgte immerhin für Transparenz, indem er noch auf der Frankfurter Wahlparty anlässlich des ersten Wahlgangs um den Oberbürgermeisterposten vor drei Wochen in Interviews seine Verwunderung darüber zum Ausdruck brachte, „dass Mike Josef gar nicht verbunden wird mit dem AWO-Skandal“. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft musste sich an dieser Stelle sofort den Vorwurf gefallen lassen, Handlanger der CDU-Politik zu sein.

Alfred Fuhr, unterlegener OB-Kandidat der lokalen „Bürger für Frankfurt BFF“, schildert seine Sicht: „Im ganzen Wahlkampf wurde von keiner Partei mehr die AWO thematisiert, weil man sich stillschweigend auf einen Neuanfang geeinigt hatte. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft handelt zutiefst politisch, denn sie sagt: So, jetzt könnt ihr entscheiden, ob ihr die SPD wählen wollt oder nicht. Es hat natürlich einen Grund, warum wir einen neuen OB brauchen. Weil die gesamte Verwaltung mit der SPD verfilzt ist. Die Korruption fängt dann an, wenn du einen Bauantrag stellst und kein SPD-Mitglied bist.“ 

Vornehm verschweigt er, dass das Allparteien-System der hessischen Kommunalverfassung die Zusammenarbeit vieler Parteien erfordert und damit eine echte Opposition ausgeschlossen wird. Zu viele Lokalpolitiker wärmen ihre Füße in der kommunalen Badewanne. Der ebenfalls im 1. Wahlgang unterlegene FDP-Fraktionsvorsitzende Yanki Pürsün, der als Ein-Mann-Opposition und selbsternannter politischer Ermittler die Aufklärung um den SPD-AWO-Skandal maßgeblich vorangetrieben hat, mag der Frankfurter Staatsanwaltschaft hingegen „keine unguten Absichten“ unterstellen. Die Staatsanwaltschaft soll „ja ohne Rücksicht auf Wahltermine agieren“. Im Übrigen habe die Staatsanwaltschaft schon im Juli 2022 das Büro von Hauptamtsleiter Akman durchsucht. „Eigentlich hätte Feldmann davon wissen müssen. Warum wurde dies nie kommuniziert?“, fragt der Chefaufklärer. Dabei liegt die Antwort auf der Hand: Man soll im Sumpf nicht die Frösche fragen, ob sie trockengelegt werden wollen.

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