Wenn die AfD gegen eine Sache ist, dann muss es eine gute Sache sein. So die gängige Bundestagslogik, die sich am Donnerstag wie so häufig durchsetzte. Dabei war das Thema pikant: Denn die AfD hatte ihre eigene Enthüllung zu den von Bundesministerien bezahlten Journalisten als Aktuelle Stunde angesetzt. Martin Renner (AfD) eröffnete mit einer Rede, die die Beauftragungen einen Skandal nannte, der „für den symptomatischen Abriss vieler demokratischer Prinzipien“ stehe. Sein Hauptangriff galt den öffentlich-rechtlichen Medien, die den Vorsatz der Staatsferne nicht einhielten. Die „Meinung der Herrschenden“ werde zur „herrschenden Meinung“ gemacht, so Renner.
Im Internet zirkuliert seit Jahren ein Meme. Es handelt sich um eine Pyramide der Argumentation. An der Spitze steht die Widerlegung des zentralen Punktes, danach folgt die Widerlegung, Gegenargumentation, der Widerspruch und schließlich die Kritik des Sprachstils. Die Politiker der meisten Fraktionen entschieden sich an diesem Tag dazu, auf die Argumentation der zweitniedrigsten Stufe zurückzugreifen: ad hominem.
Zum Wortführer der Regierungsparteien stilisierte sich Helge Lindh (SPD). Die AfD geriere sich als Feuerlöscher, obwohl sie „Brandstifter“ sei. „Sie wittern hier eine Verschwörung, obwohl Sie die Verschwörungstheoretiker sind“, so Lindh. Es sei illegitim, eine Aktuelle Stunde „für einen völlig durchschaubaren Angriff“ anzusetzen, der sich gegen die öffentlich-rechtlichen Medien richte.
Dass eigentliche Thema, nämlich, dass Journalisten in den letzten fünf Jahren rund 1,5 Millionen Euro für Aufträge aus den Bundesministerien erhielten – Bezahlungen durch den BND nicht miteinberechnet – und damit die Frage insbesondere bei öffentlich-rechtlichen Vertretern aufwirft, wie unabhängig diese wirklich sind, schliffen die Fraktionen nur am Rande.
Sitte fand durchaus auch kritische Worte, bevor sie zum Angriff auf die AfD losging. Thomas Hacker (FDP) bekannte, man müsse sich „dennoch“ mit dem Ergebnis der Anfrage befassen, man lehne jede Form von „Gefälligkeitsjournalismus“ ab: „Wenn Vertrauen in Vertrautheit umschlägt, gerät die Distanz in Gefahr.“ Den Begriff des Staatsjournalismus, wie ihn die AfD in der Aktuellen Stunde formulierte, lehne die FDP jedoch ab.
Die Parteien erklärten das Problem des Staatslohns für die Vierte Gewalt also implizit zu einem AfD-Hirngespinst. Dabei kam die Kritik an der Staatslohnliste nicht allein aus dem Lager der AfD. Auch die Presse hat den Fall aufgenommen und kritisiert: von NZZ bis Tagesspiegel.
Bär wirft der AfD eine „Haltet den Dieb!“-Haltung vor. Aber ist es nicht eben diese Haltung, die die Parteien selbst an den Tag legen, wenn sie mit Fingerzeig auf die AfD von einem Problem ablenken, das man an anderer Stelle als solches realisiert hat? In ihrem Ansinnen, den Missstand zu verschweigen, sind die Parteien mittlerweile ganz nah beim öffentlichen Rundfunk, der die Affäre ebenfalls aussitzen will. Womöglich aus gutem Grund. Denn die Ministerien, die die Aufträge erteilen, sind seit Jahrzehnten ebenso parteilich verfärbt wie die Medien, die sie bezahlen.