Egal, in welchem Kiez sich ein Berliner derzeit bewegt: Er stößt auf Plakate, die für ein Ja zum Volksentscheid werben, der am 26. März stattfindet. Für Nein wirbt niemand. Menschen mit dieser Sicht auf das Thema haben sich nicht organisiert. Die Befürworter von „Berlin 2030 klimaneutral“ sehr wohl. Auch steht hinter ihnen Geld. Viel Geld.
Eine gute halbe Million Spenden hat die Initiative erhalten. So weist es zumindest die Internetseite des Landeswahlleiters aus. Doch diese scheint unvollständig zu sein. So wie der RBB berichtet, verfügt die Initiative sogar über 1,2 Millionen Euro Wahlkampfetat. Eine beeindruckende Summe. Der Volkspartei CDU stand bei der jüngsten Landtagswahl in Berlin nur rund eine Million Euro zur Verfügung.
Mit der „Vertrauensgesellschaft“ sucht Ponader jetzt nach einem Weg, Politik zu machen, ohne dafür auf verschreckte Wähler angewiesen zu sein. Erhält der einseitig und teuer beworbene Volksentscheid eine ausreichende Mehrheit, dann tritt ein Gesetz in Kraft mit zwei Paragraphen, die es in sich haben: Paragraph 6 sieht „Sofortmaßnahmen“ vor, sollte Berlin die ehrgeizigen Klimaschutzziele nicht erreichen. Paragraph 14 will einen Klimaschutzrat. Ein Gremium, das über die Einhaltung von Paragraph 6 wacht.
Das sind zwei Instrumente, die leicht aus dem Ruder laufen können. Diese Bedenken teilt mittlerweile sogar die Berliner SPD, wie der Pleiteticker berichtet. Zum einen könnte der Paragraph 6 zu einer Art Joker werden, der alle anderen Beschlüsse der demokratisch gewählten Bürgerschaft aushebelt. Der Rat könnte diesen zum Dauerinstrument einer Schattenregierung machen. Und zum anderen wäre eben diese Schattenregierung nicht parlamentarisch legitimiert. Den Klimarat setzt die Verwaltung ein. In diesem Rat könnten dann Menschen sitzen, die qua Engagement zu Experten geworden sind – zum Beispiel gescheiterte Politiker, die aufgrund ihres öffentlichen Verhaltens niemals demokratisch gewählt würden.
Laut der Seite des Landeswahlleiters stammen allein 350.000 Euro von der Wenger-Danziger-Foundation. Der RBB schildert es so, dass das hinter dieser Stiftung stehende Ehepaar Albert Wenger und Susan Danziger über ihre Familien-Stiftung „Eutopia“ zusammen rund 475.000 Euro an „Berlin 2030 klimaneutral“ gegeben habe. Die beiden seien Investoren und Philanthropen.
Wobei grundsätzlich zu sagen ist: Investoren sind Menschen, die Geld mit der Arbeit anderer verdienen, um sich damit Gutes zu tun. Philanthropen wiederum sind Menschen, die ihr Geld für andere ausgeben, um damit Gutes für diese zu bewirken. Wenn sich damit dann wiederum Geld verdienen lässt, umso besser, dann bleiben sowohl das Konto als auch das Gewissen im Plus.
Wie Bild berichtet, sind die beiden deutsche Staatsangehörige. Das Geld kommt aber über eine amerikanische Stiftung. Nach eigenen Angaben der Eutopia Foundation hat diese bereits Ponaders Vorstoß für ein Grundeinkommen unterstützt sowie Geld für den Verein „Sanktionsfrei“ gegeben, der Langzeitarbeitslose unterstützt, die vom Jobcenter Sanktionen erhalten haben. Außerdem hat die Stiftung nach eigenen Angaben Geld an die Klimaextremisten der „Extinction Rebellion“ gegeben.
Als weitere Geldgeber für „Berlin 2030 klimaneutral“ führt der Landeswahlleiter den Klimaschutz-Unternehmer Dr. Martin Oetting auf, die Haleakala-Stiftung und die Hertie-Stiftung. Von diesen kommen insgesamt rund 170.000 Euro. Die Privatleute Jochen Wermuth sowie Frauke Eysell und Paul Grunow haben demnach zusammen 200.000 Euro gegeben. Eysell und Grunow sind nach Angaben der Haleakala-Stiftung deren Gründer.
Im US-amerikanischen Wahlkampf spielte die Frage eine große Rolle, wie viel Hilfe Donald Trump aus dem Ausland erhalten hat. Die Amerikaner wehrten sich gegen russischen Einfluss auf ihre Politik. Nun beeinflusst amerikanisches Geld eine deutsche Initiative mit potenziell weitreichenden Folgen. In einer Kampagne, in der es kein Geld für die Gegenseite gibt.
„Follow the money“ heißt eine amerikanische Redewendung, die besagt, dass man Entscheidungen nur dann versteht, wenn man weiß, wer davon profitiert. „Follow the money“ könnte in der Hauptstadt demnächst aber eine ganz andere Bedeutung haben – dann, wenn die Stadt nicht mehr nach demokratischen, sondern nach den Ponaderschen Regeln von „Berlin 2030 klimaneutral“ funktionieren würde.
Korrekturhinweis: In einer vorherigen Version dieses Artikel wurde das Gründungsjahr des Vereins „Vertrauensgesellschaft e.V.“ fälschlich mit 2018 und sein Gründungskapital mit 10 Millionen Euro angegeben.