Tichys Einblick
seit Übernahme durch Elon Musk

US-Behörde fordert von Twitter Freigabe der Identitäten von Journalisten

Einem Bericht des US-Justizausschusses zufolge wird Elon Musks Twitter seit Monaten von der Behörde FTC mit bürokratischen Forderungen belästigt. Eine der Forderungen? Die Preisgabe der Identitäten der in die Veröffentlichungen der Twitter-Files verwickelten Journalisten.

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IMAGO / NurPhoto

Der Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses veröffentlichte am Dienstag einen Bericht, in dem gravierende Vorwürfe gegen die US-Wettbewerbs- und Verbraucherschutzaufsicht FTC (Federal Trade Commission) wegen systematischer Belästigung von Elon Musks Twitter erhoben werden. In mehr als einem Dutzend Briefen, die in den knapp drei Monaten seit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk von der FTC versandt wurden, erhebt die Behörde mehr als 350 teils äußerst spezifische Forderungen, was vom – seit kurzem wieder republikanisch geführten – Justizausschuss als Versuch der Einmischung in Elon Musks Bekenntnis zu einem Twitter der freien Meinungsäußerung interpretiert wird.

Die FTC ist zwar offiziell eine unabhängige Regierungsorganisation, wird aber seit 2021 von der Demokratin Lina Khan geleitet. Erst Mitte Februar erregte der Abschied der letzten verbliebenen republikanischen FTC-Kommissarin Christine Wilson die Gemüter in den USA. Wilson warf Khan die „Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und ordnungsgemäßer Verfahren“ vor und bezichtigte die FTC-Chefin des „Missbrauchs staatlicher Gewalt“. Eben jene Behörde arbeitete sich nun intensivst an Elon Musks Twitter ab.

Die formellen Bedenken rechtfertigt die FTC vor allem mit den zahlreichen Entlassungen bei Twitter nach Musks Übernahme, die bei der FTC die Sorge erweckten, die Privatsphäre der Nutzer könnte nicht mehr hinlänglich geschützt werden. Dabei beruft sich die Behörde auf Regularien, die bereits vor Musk bestanden, sowie einen im Vorjahr besiegelten 150 Millionen Dollar schweren Vergleich wegen Datenschutzverletzungen, der noch der alten Twitter-Führung angelastet wurde. Eben dieser Vergleich wurde im November 2022 mit einer Erklärung veröffentlicht, in der die FTC sich mit „neuen Instrumenten“ brüstete, die die Einhaltung der Vorschriften gewährleisten würden und die zu nutzen man bereit wäre. Es gibt doch nichts Vertrauenerweckenderes als eine staatliche Behörde, die offen mit dem Einsatz der ihr verliehenen Kompetenzen droht.

„Beiläufige Verletzung“ der Verfassung durch Untersuchung der Identitäten von Journalisten

Doch für die vermeintliche Untersuchung der Gewährleistung des Datenschutzes fragte die FTC bei Twitter unter anderem die vollständige Identität aller Journalisten an, die im Zuge der Twitter-Files-Veröffentlichungen Informationen und Datensätze von Twitter erhielten. Diese Grenzüberschreitung, die einen direkten Angriff gegen den 1. Verfassungszusatz, der die freie Meinungsäußerung gewährleistet, darstellt, zog vehemente Kritik auf sich. Elon Musk selbst bezeichnete dies auf Twitter als „beschämenden Fall, in dem eine Regierungsbehörde als Waffe für politische Zwecke und die Unterdrückung der Wahrheit eingesetzt wird!“

Auch der Vorsitzende des Justizausschusses, der Republikaner Jim Jordan, bezog auf Twitter Stellung zu der Forderung der FTC. „Joe Bidens FTC wollte, dass Elon Musk preisgibt, mit welchen Journalisten Twitter Kontakt hatte. Das sollte uns nicht überraschen. Sie wollten die vom ersten Verfassungszusatz garantierten Rechte von Journalisten einfrieren, weil diese uns die WAHRHEIT brachten.“

Selbst der Professor für Medizin an Stanford und Gesundheitsexperte Jay Bhattacharya empörte sich über die „beiläufige Verletzung des ersten Verfassungszusatzes durch die Biden Administration“, eine Verletzung, die „jeden Journalisten schockieren sollte“, denn diese Art der Untersuchung könnte zukünftig auf jeden Journalisten ausgeweitet werden. Twitter-Eigentümer Musk antwortete mit der Feststellung, es handle sich hierbei um „einen ernsthaften Angriff auf die Verfassung durch eine Regierungsbehörde“.

Neben dieser „beiläufigen Verletzung des ersten Verfassungszusatzes“ forderte die FTC auch jegliche interne Kommunikation – ohne inhaltliche Einschränkung – mit Bezugnahme auf Elon Musk seit dessen Übernahme an, sowie die Aufführung aller Beweggründe, warum Twitter-Mitarbeiter entlassen wurden und wer in Zukunft für die Fragen der Wahrung der Privatsphäre von Nutzern bei Twitter zuständig sein würde. Doch damit nicht genug, Twitter sollte auch Informationen über den „Verkauf von Büromaterialien“ übermitteln, den Ursprung von „Twitter Blue“ darlegen und noch viele weitere Informationen liefern, deren unmittelbarer Nutzen zur Sicherung des Datenschutzes für den Justizausschuss keineswegs ersichtlich war.

„Es gibt keinen logischen Grund, warum die FTC zum Beispiel die Identität von Journalisten kennen muss, die mit Twitter zusammenarbeiten. Es gibt keinen logischen Grund, warum die FTC auf der Grundlage des Nutzerdatenschutzes alle Personalentscheidungen von Twitter analysieren muss. Und es gibt auch keinen logischen Grund, warum die FTC jede einzelne interne Twitter-Kommunikation über Elon Musk benötigt,“ so der Bericht des Justizausschusses.

Musk selbst wurde vom FTC auch zu einer Anhörung bestellt, doch hat er diesen Termin aufgrund einer anderen gerichtlichen Verpflichtung bislang nicht wahrgenommen. Während die FTC sich über eine Taktik der Hinauszögerung bei der Beantwortung ihrer Fragen beschwert, verweigert Twitter auf Nachfragen jeglichen Kommentar zu der Angelegenheit. Auch die FTC-Chefin Khan wollte in einem Interview mit dem Wall Street Journal keine weitere Stellungnahme zu der Angelegenheit abgeben. Musk beteuerte jedoch in der Vergangenheit, dass Twitter auch in Zukunft sowohl den rechtlichen Anforderungen, als auch dem Geist der FTC-Regularien entsprechen möchte.

Die vielen Forderungen der FTC erscheinen widersprüchlich, denn wenn die Sorge der US-Behörde tatsächlich der prekären Personalsituation bei Twitter gelten würde, dann würde sie den verbliebenen Mitarbeitern nicht solch eine bürokratische Beschäftigungstherapie aufbürden. Entsprechend klar liegt die Sache für den Justizausschuss, der folglich der FTC politische Motive gegen den auf Demokratenseite als unliebsam wahrgenommenen Musk unterstellt.

Allianzen und Kompromisse gegen die „ausufernde Zensurbürokratie“

Besonderen Zündstoff erhält die Veröffentlichung des Berichts des Justizausschusses angesichts des kürzlich angekündigten Kurswechsels in der Berichterstattung der Twitter-Files. Während anfänglich vor allem die Parteinahme durch Twitter-Mitarbeiter im Fokus stand, verschob dieser sich im Zuge der Enthüllungen mehr und mehr in Richtung jener Lobbyisten und Regierungsorganisationen, die oftmals unter fadenscheinigen Vorwänden versuchten, direkten politischen Einfluss auf die Moderation des Diskurses auf Twitter zu nehmen. Die neuesten Veröffentlichungen der Twitter-Files Anfang März behandelten daher auch vornehmlich die Rolle einer eher unbekannten, aber sehr aktiven Regierungsorganisation namens Global Engagement Center (GEC), die sich vor allem den Kampf gegen „Desinformation“ – und damit einhergehend der Denunziation unliebsamer Meinungen auf Twitter – auf die Fahnen geschrieben hat.

Der Journalist Matt Taibbi, der in den bisherigen Veröffentlichungen der Twitter-Files eine führende Rolle spielte, betonte bei der letzten Veröffentlichung aber gleichzeitig die Notwendigkeit, diese abseits der Parteilinien bzw. entlang überholter Links-/Rechts-Schemen zu beurteilen. Stattdessen kristallisiere sich eine „ausufernde Zensurbürokratie“ heraus, die jenseits von Parteizugehörigkeit eine universale Steuerung und Einengung des politischen (Dis-)Kurses anstrebe, ein Leviathan, der drohe sich zu verselbstständigen.

Oberflächlich gesehen findet aber genau das statt: Der republikanische Justizausschuss arbeitet sich am demokratisch geführten FTC ab und die Stellungnahmen der politischen Lager im Zuge von Anhörungen verdeutlichen die parteipolitische Gebundenheit aller Beteiligten. Dem republikanischen Lager muss in diesem Falle zumindest die Parteinahme für Elon Musks Twitter und dessen Veröffentlichungen der Twitter-Files zugute gehalten werden, auch wenn dabei sicherlich ein gewisses Maß an politischem Kalkül und Eigeninteresse mitschwingt. So lobt der Bericht des Justizausschusses explizit Elon Musk für die „Umformung von Twitter, um die freie Meinungsäußerung im Internet wiederzubeleben“.

Es ist sicher keine perfekte Allianz, eher ein notwendiger Kompromiss, der zumindest verhindert, dass Regierungsorganisationen wie die FTC hinter verschlossenen Türen Elon Musks Twitter die Daumenschrauben anlegen und Enthüllungsjournalisten nachstellen. Der Angriff auf die Arbeit der Journalisten der Twitter-Files durch die FTC ist nur der neueste Rundumschlag des Leviathans. Weitere werden folgen.

Doch die Zeit zur Veränderung drängt. Ob nun die Regularien der FTC oder die angedachten Schritte der EU, um den Diskurs im Internet zu regulieren: Die nächsten Monate werden richtungsweisend sein, wenn es darum geht, nicht nur das von Elon Musk erträumte Projekt eines Twitters der freien Meinungsäußerung zu erhalten, sondern den Erhalt der freien Berichterstattung und des freien Diskurses zu wahren.

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