Ein Urteil des Amtsgerichts Osnabrück sorgt für Empörung: Ein 30-jähriger Syrer, 2015 nach Deutschland gekommen, hat am 10. Juli 2022 ein 15-jähriges Mädchen vergewaltigt – und kommt mit einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren davon. „Bewährung“, das heißt also, er muss keinen Tag in Haft verbringen, sofern er in der „Bewährungszeit“ von drei Jahren keine weiteren Straftaten begeht. Er muss dem Opfer ein Schmerzensgeld von 3000 Euro bezahlen und darf sich dem Mädchen auf nicht mehr als 50 Meter nähern. Letzteres dürfte reichen, um ihr künftig freundlich zu winken.
Nicht weniger verstörend als die läppische Strafe an sich waren auch die von der Neuen Osnabrücker Zeitung am Mittwoch zitierten Aussagen des Richters und der Tenor des Artikels selbst. Dort heißt es schon im ersten Absatz, der Täter hätte „Glück“. Zur Tatsache, dass er nun nicht in Haft müsse, schreibt der Autor lapidar: „Beim ersten Blick auf die Tat mag das verstören.“ Mit anderen Worten: Bei genauerer Betrachtung sei es also in Ordnung.
Vom Schicksal des 15-jährigen Mädchens, das am frühen Morgen jenes 10. Juli 2022, einem Sonntag, auf dem Weg zu seinem Freund war, und dessen Sexual- und Liebesleben durch dieses traumatisierende Gewalterlebnis nachhaltig beeinträchtigt sein dürfte, ist weder in den zitierten Aussagen des Richters und des Verurteilten noch vom Autor des Artikels selbst die Rede. Dafür wird ausführlich über den Täter berichtet:
„Warum genau der Angeklagte, der noch nie wegen eines sexuellen Übergriffs auffällig geworden ist, dann die Jugendliche vergewaltigte, blieb offen. ‚Möglicherweise war er durch den Alkohol angepiekst, er dachte wahrscheinlich, ,die kann ich noch überzeugen‘‘, sagte Otten. ‚Es war das erste Mal, dass ich Alkohol getrunken habe‘, ergänzte sein Mandant.“
Der Autor belehrt die Leser noch fälschlich, dass der Täter sich für „einvernehmliche sexuelle Handlungen“ mit der 15-Jährigen nicht hätte verantworten müssen. Was angesichts des jungen Alters des Opfers nicht stimmt. Bei Jugendlichen zwischen 14 und 16 ist auch einvernehmlicher Sex dann strafbar, wenn der Täter älter als 21 ist und die fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt.
Den Tathergang schildert der Artikel so: „Gegen ihren Willen drückte der Angeklagte sein Opfer an die Wand ‚und hörte auch nicht auf, an ihr herumzufummeln, als sie in einen Treppenaufgang flüchtete‘, sagte der Vorsitzende Richter Michael Hune in seiner Urteilsbegründung. Schließlich kam es unter dem Einsatz von Gewalt zu einer Vergewaltigung. Eine DNA-Analyse überführte den Täter.“
Der Richter selbst bedachte den Täter nicht nur mit der Milde des Urteils, sondern auch mit geradezu wohlwollenden Worten, die angesichts des Verbrechens fassungslos machen können. Es ist zwar von „hart durchgreifen“ und „Generalprävention“ die Rede, aber sowohl die tatsächlich milde Strafe als auch die Worte des Richters an den Täter entwerten diesen Anspruch.
Für den Angeklagten spreche, so zitiert ihn die NOZ, dass er alkoholbedingt enthemmt gewesen und nicht nennenswert vorbestraft sei. Nicht nennenswert! Also wohl doch ein wenig, wofür auch spricht, dass er, wie man nebenbei erfährt, dem Opfer Cannabis gab. Die Intensität der Vergewaltigung sei aus rein rechtlicher Sicht „am unteren Rand“ gewesen.
Und dann hat der Richter noch betont, dass der 30-Jährige, der 2015 aus Syrien nach Deutschland „geflüchtet“ war, eine Wohnung und demnächst auch einen Job habe. Schließlich sagt er laut NOZ über einen gerade als Vergewaltiger Verurteilten: „Sie sind ja auf einem guten Weg, hier ein ganz normaler Mitbürger zu werden.“
Als blanken Hohn müssen diesen Satz nicht nur die 15-Jährige und ihre mitleidenden Angehörigen empfinden, sondern jeder, der diesen Satz eines Richters zu einem Vergewaltiger vernimmt. Eine Vergewaltigung soll also zum „guten Weg“ eines künftigen „normalen Mitbürgers“ gehören, der als vermeintlich Schutzsuchender nach Deutschland kommt?
Als Verhöhnung des Opfers kann man auch die weitere Begründung des Richters empfinden, warum der Täter seine Strafe nicht absitzen solle. Die 15-Jährige habe von der Bewährungsstrafe schließlich auch mehr, als sie von einem Gefängnisaufenthalt hätte, denn, so der Richter zum Verurteilten: „So können Sie nämlich wenigstens arbeiten und ihr das Schmerzensgeld zahlen, das sie sonst mit Sicherheit nie bekäme.“