Wer gestern Abend bei Illner eingeschaltet hat, der hat schon gleich in zweierlei Hinsicht einen Schreck bekommen. Dafür brauchte man gar nicht so weit gehen, die Gästeliste zu studieren, denn da fällt vorher etwas ganz anderes ins Auge: Illner hat sich beziehungsweise ihrer Show eine optische Totalerneuerung gegönnt. Lila – die Farbe der letzen Hoffnung – und orange, eine Farbkombi wie man sie in Paris ganz sicher nicht kennt, zieren nun das Studio, dazu neues Logo, neuer Jingle. Ihre Sendung strahlt nun den geschmackvollen kosmopolitischen Flair aus, den man sonst nur von 70er-Jahre-Tapeten aus der DDR kennt: Währenddessen klingt die neue Überarbeitung ihrer Titelmusik nach einer groovy UdSSR-Version von James Bond.
Aber in dieser Sendung geraten nicht nur die Farben aneinander. Passend zum femininen Touch, den ihre Sendung nun erfahren hat – wenn auch mit dem Presslufthammer –, wurde auch die Gästeauswahl entsprechend angepasst. In der Runde sind, einschließlich Illner, fünf Frauen und ein Mann, und der ist nur zugeschaltet. Frauen-Flower-Power im 70er-Jahre-Studio und im Vorspann der Sendung wird John Lennon gespielt, denn das Thema ist: „Friedensverhandlungen jetzt – naiv oder notwendig?“ Gleich zu Beginn steigt man auch gleich mit einer doch sehr gewagten Frage ein: Wer darf sich Lennons Friedenshymne aneignen? Das Diplomatie-Lager um Sahra Wagenknecht, oder das Ukraine-Lager um die Ampel-Regierung?
Im Studio diskutieren: Amira Mohamed Ali, Linke-Fraktionsvorsitzende und Unterzeichnerin des „Friedens-Manifests“, Saskia Esken, SPD-Parteivorsitzende und Anhängerin der Waffenlieferungen, Nicole Deitelhoff, Friedens- und Konfliktforscherin, Marina Weisband, Mitglied der Grünen. Na, und dann noch der ehemalige Diplomat Wolfgang Ischinger, der Hahn außerhalb des Korbs und für diese Sendung uninteressant.
„Aus meiner Sicht wäre die richtige Strategie, die Ukraine früh und so stark wie möglich zu unterstützen, damit Russland sich zurückziehen muss.“, erklärt Marina Weisband. Dabei fällt wieder mal auf, wie viel Vertrauen in den letzten Jahren gerade mit Corona verspielt wurde. Denn dieses Argumentationsmuster kommt doch bekannt vor. So früh und stark wie möglich wollte man vor zwei Jahren auch noch die Lockdowns durchsetzen, damit das Virus sich zurückzieht und Schulschließungen verhindert werden. Und angesichts der Tatsache, dass diese Frau in den letzten Jahren Expertin für so ziemlich alles war und ihre ganze Kompetenz in dieser Debatte ein ukrainischer Pass ist, sitzt ihr Heiligenschein jetzt nicht mehr ganz so fest.
Da kann man direkt wieder ein Zitat des Konfliktforschers Lennon heranziehen: „Wenn Affen Klavierspielen können, warum sollten Menschen nicht dazu singen?“ Klavierspielende Affen sind jedenfalls genau das Bild, das mir in den Sinn kommt, wenn ich mir diese Runde aus „Expertinnen“ anschaue, von denen Illner erwartet, dass wir sie ernst nehmen.
Es ist eben auch kein Wunder, dass der Friedensbewegung Naivität vorgeworfen wird, wenn man sich anschaut, aus welchem Gedankengut die Idee von mehr Diplomatie entspringt. Wenn die Gaspreise zu hoch sind, deckeln wir die einfach, Schuld am Krieg ist der Kapitalismus, und wenn wir Frieden wollen, sagen wir Putin einfach, er soll aufhören zu schießen. Ganz nach John Lennon: „Der Krieg ist vorbei, wenn du es willst.“ Oder auch: „Wenn jeder anstelle eines neuen Fernsehgeräts Frieden verlangen würde, dann würde es Frieden geben.“ Wobei das ja schon wieder daran scheitern würde, dass zu „allen“ ja auch die AfD gehört.
Insofern sollte man sich mit den Lennon-Bezügen vielleicht doch eher an George Harrison von den Beatles halten: „Was mich angeht, so wird es keine Beatles Reunion geben, so lange John Lennon weiter tot bleibt.“ Vielleicht kommen wir in dieser Debatte ja mal an einem Punkt an, der über pseudointellektuelle Sprüche von beiden Seiten hinausgeht. Einem Sänger im Jesus-Hippi-Look kann man sowas noch verzeihen, weil alles andere auch schwer in Verse zu verpacken ist. Und die Hälfte der Zeit war er wahrscheinlich eh high. Von denen, die den Diskurs unseres Landes bestimmen, erwarte ich mir ein bisschen mehr.