Tichys Einblick
Kanzlerin a.D. als Krimiheldin

Mord in der Uckermark: „Miss Merkel“ ermittelt demnächst bei RTL

RTL sendet demnächst eine Verfilmung von David Safiers Krimi-Roman „Miss Merkel – Mord in der Uckermark“. Man kann gespannt sein, ob das Interesse des Publikums an einem Wiedersehen mit der Kanzlerin so kurz nach ihrem Abtritt von der großen Bühne geweckt werden kann. – Kalamität oder Kassenschlager?

Tim Kalkhof, Katharina Thalbach und Thorsten Merten

Screenprint: RTL.de

Obwohl Angela Merkel bereits 2013 im Focus als „Miss Tschörmänie“ zu einer Art literarischer Heldin stilisiert wurde, setzt RTL mit ihr als Hauptfigur in einer Kriminalkomödie nun eins drauf. Wie der Sender gerade mitgeteilt hat, soll der 90-minütige Streifen als Teil der Reihe „Tödlicher Dienst-Tag“ am 21. März um 20.15 Uhr zu sehen sein. Grundlage fürs Drehbuch von Stefan Cantz bildet der erste Band der „Merkel-Krimis“ des Bremer Schriftstellers David Safier (unter anderem Träger des Grimme-Preises und des Internationalen Emmys, dem US-Fernseh-Oscar) mit dem Titel „Mord in der Uckermark“. Mit Band 2, „Mord auf dem Friedhof“, setzte er dann die Erzählung, die nach aktuellem Eindruck wohl zu einer Serie werden könnte, fort.

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Mit der Idee dazu hat Safier einen besonderen Coup gelandet, denn die Krimis können von wohlmeinenden Fans der früheren Bundeskanzlerin als passender Schlussstein in deren Lebenswerk verstanden werden – als fiktiver, versöhnlicher Ausklang einer Kanzlerinnenschaft, die vom zweifelhaften Mythos Angela Merkels geprägt wurden, ihrer politischen Unschärfe, die es sogar in die Jugendsprache hineingeschafft hat („Merkeln“ als Synonym für unstetes Lavieren, Untätigkeit). Mit der Verwandlung in eine schrullige, aber hyperintelligente Amateurdetektivin hat sie nun eine fast wunderbare Genese erfahren.

Mit „Miss Merkel“ stellt sich Safier in eine Reihe mit Andrew Shaffer, der die Romane „Hope Never Dies“ und „Hope Rides Again“ schrieb, in denen der ehemalige US-Präsident Barack Obama und sein Vize Joe Biden als unterhaltsames und erfolgreiches Ermittlerteam auftreten dürfen. RTL hat filmisch umgesetzt, wie sich der Autor den (Un)ruhestand der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (gespielt von Katharina Thalbach) in ihrem Uckermärkischen Häuschen in „Kleinfreudenstadt“ vorstellt, zusammen mit Mops Putin (später umbenannt in Helmut) und Ehemann Achim (Thorsten Merten). Auch ein etwas schusseliger Leibwächter namens Mike (nachgerückt: Tim Kalkhof, siehe Focus-Artikel) darf nicht fehlen.

Katharina Thalbach zu ihrer Entscheidung, die Rolle zu übernehmen, zur Berliner Zeitung: „Da war ich so überrascht von dieser geradezu zärtlichen Idee, Angela Merkel einen so schönen Beruf wie den einer Hobby-Detektivin zu geben in Anlehnung an Miss Marple – da konnte ich nicht nein sagen.“ „Einige Vergleiche zu ihrem früheren Leben werde ‚Miss Merkel‘ wohl ziehen,“ so die Schauspielerin weiter zur BZ. „Man weiß ja eh so wenig, deswegen machen ja Mutmaßungen auch so viel Spaß.“ Genau aus dieser Sphinx-ähnlichen Undurchschaubarkeit der früheren Kanzlerin für die bundesdeutsche Öffentlichkeit scheinen die beiden bisher erschienenen Romane über „Miss Merkel“ wohl einen Teil ihrer Anziehungskraft aufs Publikum zu beziehen. Tatsächlich schafften sie es auf Platz 1 der Bestsellerlisten des Magazins „Der Spiegel“.

Die bundesdeutsche Presse zeigt sich freundlich interessiert, stellenweise begeistert. Web.de titelt zum Beispiel: „Columbo, Derrick, Schimanski – und nun ermittelt Angela Merkel … RTL lässt für eine neue Krimi-Komödie niemanden Geringeres als eine deutsche Ex-Kanzlerin ein Verbrechen aufklären …“

Kosenamen und Wortspielchen

Auf die Frage im Interview beim Verlag Rowohlt, ob ihm denn sein Humor, bei dem sich „Miss Merkel und ihr Ehemann, ‚Quantenchemiker‘ Achim (Sauer) liebevoll ‚Puffeline‘ und ‚Puffel‘ nennen“, nicht Sorge bereite, „dass ihm diese Art von schrägem Humor auf die Füße fallen könne, Unmut hervorrufen könnte?“, antwortete Autor Safier: „Warum denn? Es ist ein freundliches Buch, mit dem man auf vielen Ebenen Freude haben kann: Da gibt es den Humor, das Murder-Mystery zum Selberlösen als Hommage an Agatha Christie und dann auch noch politischen und gesellschaftlichen Kommentar. Da ist für jeden ganz viel dabei.“

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Nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine musste David Safier dann ankündigen, Mops Putin umtaufen zu wollen. Aus „Putin“ wurde zunächst „Pupsi“ und dann schließlich, aktuell, „Helmut“.

Erfolg und Verkaufszahlen der Romane mit der früheren Bundeskanzlerin und ihrem „neuen Hobby: Mord“ scheinen für sich zu sprechen. Die Bücher wurden auch in Italien, Spanien, Dänemark, den Niederlanden und Estland herausgegeben. Offenbar können sich viele Leser die ehemalige Kanzlerin wohl gut als eine Art „Miss Marple“ vorstellen. Das hat auch viel damit zu tun, dass man so wenig über ihr Privatleben weiß – außer, dass sie gerne bäckt und wandert, vielleicht.

In der FAZ wird der Autor interviewt: „Merkel und ihr Ehemann Joachim Sauer sind bei Ihnen ein sympathisch weltfremdes Ehepaar … das einander mit schlechten Wortspielen unterhält.“ Ob er bei solchen erfundenen Beschreibungen nicht auch mal Skrupel habe, denn „das Buch sei aber schon eine Art Liebeserklärung“? Safier: „An Frau Merkel? Nein! Ans Leben, an die Rente. Aber es gibt natürlich viele Menschen bis weit ins ganz linke Lager, die sie doch sehr schätzen. Und was ich an ihr schätze, ist dann doch der andere Auftritt im Vergleich zu den vielen testosterongesteuerten Politikern in der Welt. Sie ist uneitel, und sie hat mit 16 Jahren im Kanzleramt auch einfach eine hohe Erfahrung. Der eine oder andere dieser Männer würde vielleicht nicht so effizient bis 6 Uhr morgens bei irgendeinem EU-Gipfel für Deutschland verhandeln. Von daher gibt es bei mir doch eine gewisse Sympathie für sie, sonst hätte ich das Buch ja auch nicht geschrieben.“

„Tag 24“ meint, mit „Miss Merkel. Mord in der Uckermark“ habe David Safier der Kanzlerin „ein charmantes und unterhaltsames Kompliment gemacht. Ihr Mann nennt sie ‚Sherlockine‘… sie stellt neugierig scheinbar harmlose Fragen und zieht aus den Antworten clevere Schlüsse. Auch ihr Mann, der häufig zum Ziel ironischer Bemerkungen wird, beteiligt sich an den Ermittlungen.“

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„Dabei hilft ihr der Erfahrungsschatz als Bundeskanzlerin: Wenn sie wirklich eine gute Detektivin sein wollte, musste sie ein Pokerface aufsetzen, wie sie es zum Beispiel getan hatte, wenn Gaddafi in ihrer Anwesenheit von seinen sexy Leibwächterinnen geschwärmt hatte.“

Laut Börsenblatt „liebt das Publikum Miss Merkel“. Nur in die Rezension Frank Schroeders zum zweiten Teil der Miss Merkel-Reihe bei Antenne Brandenburg schleichen sich ein paar Misstöne: „… grundlegende Gags seien nun abgelutscht … wie der Mops, der überall hinmache … getreu Merkels Motto, dass sie immer Putins Dreck wegmachen müsse …“ Ein witziger neuer Moment sei das Wiegenlied, welches Angela dem Baby einer Freundin vorsingt: „Schlaf Kindchen, schlaf, der Laschet ist ein Schaf, der Söder ist ein Trampeltier, was kann denn die arme Angela dafür.“

Im Interview mit dem „Weser Kurier“ erzählte David Safier, was in seinen Augen Angela Merkel für die Rolle qualifiziert: „Sie gilt ja als analytisch, etwas kühler – das passt auch sehr gut zu Detektiven. Sie wurde in der Politik jahrelang unterschätzt, das ist auch etwas, was Detektiven wie Miss Marple zu pass kommt. Da passt einfach sehr viel.“ Darüber, so der Autor zum Rowohlt-Verlag, „… was Frau Merkel wohl in der Rente machen wird, hatte ich mit meinem Agenten spekuliert, aber wir kamen da nicht weit. Wir waren uns nur sicher, was sie nicht machen würde. Zum Beispiel für Gazprom tätig werden …“

Man kann gespannt darauf sein, ob RTL das Interesse des Publikums an einem Wiedersehen mit der Kanzlerin so kurz nach ihrem Abtritt von der großen Bühne wecken kann.

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