Im DUDEN (28. Auflage, 2020) ist das Wort noch nicht vermerkt, in den deutschen Medien kommt es aber seit September 2022 häufig vor: „Postfaschistin“. Wenn der Name der neuen italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni fällt, wird er sprachlich gerne mit dem Attribut „Postfaschistin“ angereichert: „Postfaschistin Giorgia Meloni“ ist zu einer journalistischen Formel geworden (bei Google rund 15.000 Einträge).
Aber weshalb und wozu?
Unter „Postfaschist(in)“ versteht man – ähnlich wie bei Postkommunist(in), Postsozialist(in) – jemanden, der nach dem Zusammenbruch eines politischen Systems, hier: des italienischen Faschismus unter Benito Mussolini (1922–1943), weiter dessen Ideologie vertritt.
In den italienischen Medien ist von der „Postfaschistin Meloni“ wenig die Rede und, falls doch, meist als Zitat: So widmete der Stern (22. September 2022) kurz vor den italienischen Wahlen Meloni seine Titelgeschichte unter der Schlagzeile: „Die gefährlichste Frau Europas. Postfaschistin Giorgia Meloni kann mithilfe von Putin-Freunden die Wahl in Italien gewinnen – das hätte extreme Folgen für uns“. Die italienischen Medien berichteten darüber ausführlich, einschließlich des Attributs „Postfaschistin“ (postfascista).
Nach dem Wahlsieg Melonis verfestigte sich in den deutschen Medien das Attribut „Postfaschistin“ für Meloni: „Regierung der Postfaschistin Meloni vereidigt“, titelte der Stern, „Postfaschistin Giorgia Meloni als erste Regierungschefin Italiens vereidigt“ die Welt. Auch bei ihrem Antrittsbesuch in Berlin Anfang Februar 2023 wurde Meloni von den Medien als „Postfaschistin“ begrüßt: „Giorgia Meloni, die Postfaschistin, die Italien regiert“ (Berliner Morgenpost), „die Postfaschistin und neue italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni“ (Süddeutsche Zeitung), „Giorgia Meloni trifft Olaf Scholz: Eine Postfaschistin in Berlin“ (Spiegel).
Wozu dient in den deutschen Medien das Etikett „Postfaschistin“ für Meloni? Es demonstriert mit einem einzigen Wort die „richtige“ moralische Haltung im „Kampf gegen Rechts“ und, andererseits, dass es hier auf politische Urteilskraft nicht ankommt: Gesinnung genügt.
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Inzwischen ist Meloni mehr als vier Monate im Amt, und die vom Stern vorhergesagten „extremen Folgen“ sind nicht eingetreten. Weder „für uns“ noch in Italien, wo sie kürzlich die Regionalwahlen in der Hauptstadtregion Latium und in der Lombardei souverän gewann – was auch die Süddeutsche Zeitung anerkennt: „Für die Postfaschistin und Regierungschefin Giorgia Meloni läuft es gerade ziemlich gut“ (14. Februar 2023).