In den Berliner Wahllokalen häufen sich die Ungereimtheiten. Nachdem schon in der vergangenen Woche immer wieder Stimmen für ein Wahllokal in Lichtenberg auftauchten, meldete am Samstag die taz, dass in einigen Berliner Wahllokalen mehr Stimmen abgegeben wurden, als Wähler im Lokal waren. Darin bezieht sich die taz auf den vorläufigen Bericht des Landeswahlleiters, den das Statistische Landesamt veröffentlicht hat.
Die taz berichtet von 1.248 Erststimmen und 726 Zweitstimmen mehr, als Wähler in den Wahllokalen waren. In einem Wahllokal in Steglitz-Zehlendorf zum Beispiel sollen 375 Stimmen abgegeben worden sein – obwohl nur 275 Wähler registriert wurden. Ein anderes Beispiel der taz nennt 59 Zweitstimmen zu viel.
Im vorläufigen Bericht des Landeswahlleiters wird dieses Problem statistisch kaschiert. Diesen Zahlen zufolge gingen zum Beispiel im Wahlkreis Mitte 7, den die Grüne Laura Neugebauer gewann, 14.359 Bürger zur Wahl. Laut vorläufigem Ergebnis wurden aber 14.366 Erststimmen abgegeben. Macht eine Differenz von 7 Stimmen. Weitere Unstimmigkeiten:
- In Friedrichshain-Kreuzberg 1 (Gewinner Katrin Schmidberger, Grüne), wurden 18.546 Wähler gezählt, aber 18.547 Zweitstimmen abgegeben.
- In Friedrichshain-Kreuzberg 2 (Gewinner Marianne Burkert-Eulitz, Grüne) wurden 12 Erststimmen mehr abgegeben, als Wähler verzeichnet wurden.
- Friedrichshain-Kreuzberg 4 (Gewinner Damiano Valgolio, DIE LINKE): 2 Erststimmen zu viel;
- Friedrichshain-Kreuzberg 5 (Gewinner Vasili Franco, Grüne): 3 Erststimmen und 2 Zweitstimmen zu viel;
- Spandau 3 (Gewinner Kerstin Brauner, CDU): 14 Erststimmen zu viel;
- Spandau 5 (Gewinner Kai Wegner, CDU): 3 Erststimmen zu viel;
- Steglitz-Zehlendorf 2 (Tom Jan Filip Cywinski, CDU): 73 Erststimmen und 84 Zweitstimmen zu viel;
- Tempelhof-Schöneberg 6 (Gewinner Scott Körber, CDU): 11 Erststimmen zu viel;
- Mahrzahn-Hellersdorf 5 (Gewinner Katharina Günther-Wünsch, CDU): 22 Erststimmen zu viel;
- Lichtenberg 4 (Gewinner Sebastian Schlüsselburg, DIE LINKE): 1 Zweitstimme zu viel.
Die übrigen Ungenauigkeiten werden durch die Aggregierung von Wahllokalen zu Wahlkreisen kaschiert. Denn üblicherweise werden weniger Stimmen abgegeben, als Wähler registriert sind. Wahllokale, in denen die Ergebnisse stimmen – mit weniger oder gleich vielen abgegebenen Stimmen wie Wählern –, verdecken in der Summe die Wahllokale, in denen es zu Problemen kommt.
Unter diesem Aspekt ist auch der Wahlkreis Neukölln 1 verdächtig. In diesem wurden 19.092 Erststimmen abgegeben – und exakt 19.092 Personen gingen zur Wahl. Kein einziger Briefwähler vergaß seinen Brief rechtzeitig aufzugeben? Möglich, aber unwahrscheinlich.
Der taz gegenüber bestätigte Wahlleiter Stephan Bröchler die Differenz und sagte, dass die Bezirksämter dabei seien, „Schnellmeldungen aus den betroffenen Wahllokalen und Wahlniederschriften zu prüfen“. Das Ergebnisse in den Wochen nach der Wahl korrigiert werden müssen, weil zum Beispiel Erfassungsfehler gefunden werden, so Bröchler, sei etwas ganz Normales. Das endgültige Ergebnis wird am 27. Februar verkündet.
Damit ist in der Berlin die Frage des Oberbürgermeisters noch immer in der Schwebe. Franziska Giffey leitet aus 127 Stimmen Vorsprung der SPD gegenüber den Grünen ab, dass die SPD eine rot-grün-rote Koalition führen würde.
In eigener Sache: Roland Tichy, Herausgeber von TE, hat eine Initiative gegründet, um die Wiederholung der Bundestagswahl in allen Berliner Bezirken einzuklagen. Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wird von Verfassungsrechtler Ulrich Vosgerau im Namen von zwei Tichys-Einblick-Lesern geführt. Die Finanzierung hat „Atlas – Initiative für Recht und Freiheit“ übernommen.
Die von TE eingereichte Wahlprüfungsbeschwerde ist dem Bundesverfassungsgericht am 5. Januar per Fax und am 7. Januar per Brief zugegangen. Am Donnerstag, dem 26. Januar, hat das Gericht den fristgerechten Eingang bestätigt und der Beschwerde ein Aktenzeichen (2 BvC 15/23) gegeben.
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