Faktenchecker arbeiten nach einem einfachen Prinzip: den eigentlichen Inhalt des zu prüfenden Textes ignorieren und stattdessen etwas widerlegen, was gar nicht behauptet wurde. Gern in Überlänge und mit einem Übermaß an Nebensächlichkeiten – auf dass der Leser möglichst nachhaltig verwirrt werde. Die Aufgabe übernehmen gern junge Schreiberinnen und Schreiber, die offenbar nach Zeile bezahlt werden. Und denen man bisweilen anmerkt, dass sie nicht einmal eine fundierte journalistische Ausbildung haben.
Sandra Maischberger sollte weit über diesem Niveau arbeiten. Sie ist 56 Jahre alt, hat im Ausland gelebt, zahlreiche Sendungen moderiert und dreht mit der eigenen Produktionsfirma Dokumentationen.
Vor diesem Hintergrund war die Sendung am gestrigen Dienstag ein Desaster. Zunächst: Wo ist der Mann, um den es geht? Warum wird über jemanden gesprochen, nicht mit ihm? Aber seien wir nicht zu hart: So etwas ist heutzutage schon zu viel verlangt.
Was sich allerdings die eingeladenen Journalisten erlauben, ist ungeheuerlich. Unter den Augen der Moderatorin. Ohne ein einziges Wort der Einordnung, Mäßigung, Objektivität. Und sei es auch nur einer versuchten Objektivität.
Stefan Aust, Herausgeber der Welt-Gruppe, widerspricht Bubrowski nur zögerlich. „Ich kenn den (Maaßen) eine ganze Zeit. Aus dem jetzt einen Rassisten, einen Antisemiten oder sonstwas zu machen, finde ich reichlich übertrieben“, sagt Aust. Doch auch er empfiehlt Maaßen: „Bei seinen Twittermeldungen, da wäre es besser, wenn er sich zurückhalten würde.“
Und was macht Maischberger? Sie ordnet nicht ein, sie zeigt keine Hintergründe auf. Sie fragt Aust lediglich: „’Rotgrüne Rassenlehre‘ finden Sie nicht rassistisch?“ Auch die Aussage des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, der Maaßen offen rechtsradikales Gedankengut vorwirft, bleibt unreflektiert stehen.
Denn, und das genau ist das Problem: Niemand beschäftigt sich mit den eigentlichen Inhalten, mit dem, was Maaßen kritisiert. Nur damit, dass er es tut und mit welchen Worten. Weder die CDU noch Sandra Maischberger oder ihre Gäste gehen darauf ein. Die CDU rühmt sich, nicht einmal zehn Minuten gebraucht zu haben, um über den Parteiausschluss zu entscheiden. Wohl kaum genügend Zeit also, um sich mit der detaillierten Erwiderung des Hans-Georg Maaßen zu beschäftigen. Er hatte auf 26 Seiten (!) den Vorwürfen widersprochen.
Auch die Runde bei Maischberger interessieren keine Hintergründe. Was Maaßen an der US-amerikanischen „Critical Race Theory“ kritisiert und welche Parallelen er zur Argumentation linker Parteien herstellt, ist den Anwesenden nicht wichtig. DASS er es tut, wird als infam empfunden. Wenn also ein Axel Steier, Chef der „Seenotrettungsorganisition“ namens „Mission Lifeline“, offen darüber twittert, es gehe weniger um das Retten von Menschenleben, als vielmehr darum, dass es in Europa möglichst bald keine „Weißbrote“ mehr geben solle, dann soll dies niemand kritisieren dürfen? Wenn aber ein Hans-Georg Maaßen solche Aussagen als rassistisch bezeichnet, dann gilt dies als rassistisch. Motto: Kill the Messenger.
Bubrowski sagt: „Ich glaube, da würden wir ihn zu sehr zum Waisenknaben machen, wenn wir so tun würden, als wisse er nicht, was er da sagt.“ Ein Satz, der auch ihr selbst gut stehen würde.
Was die Runde bei Maischberger polemisiert, müsste also dem Verursacher gelten, nicht dem Kritiker. Aber auf diese Idee kommt offenbar niemand. Und schon gar nicht auf die Idee, vielleicht einmal Hans-Georg Maaßen selbst einzuladen und zu hören.
Wie sagte Marius-Müller-Westernhagen in derselben Sendung: „Wir verlernen, miteinander zu reden.“