Nicht nur in diesen Tagen und Wochen um die Wiederholungswahl in Berlin fragt man sich, welch dilettantische Strategie- und Medienberater die CDU eigentlich hat. Da kann die Hauptstadt-CDU laut Wahlprognosen seit Anfang Januar 2023 damit rechnen, dass sie am Wahltag des 12. Februar als klarer Sieger hervorgeht. Aber was tut sie: Mitten hinein in die Siegeszuversicht und dann in die Freude über den Zuwachs an zehn Prozent Stimmen und über einen ebenso großen Vorsprung vor Grün und vor Rot krempelt sie die öffentliche Agenda um und verwässert damit ihren Sieg. Und zwar sehenden Auges, denn bereits am 30. Januar 2023 hatte das CDU-Präsidium den Parteiausschluss Maaßens auf die Tagesordnung des CDU-Bundesvorstandes vom 13. Februar (also einen Tag nach der Berlin-Wahl) gesetzt. Nun also erklärte der CDU-Bundesvorstand keine 18 Stunden nach Schließung der Wahllokale, die CDU werde ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen in die Wege leiten.
Wie man am medialen Umfang und an der medialen Positionierung dieses Beschlusses ablesen kann, erscheint dieser Beschuss für die Öffentlichkeit als ebenso wichtig wie der Wahlsieg der CDU. Das hätte man in der CDU wissen können. Die üblichen Medien werden den Fortgang des Ausschussverfahrens gegen Maaßen nun mit womöglich noch mehr Verve verfolgen als den Fort- und Ausgang der Koalitionsverhandlungen in Berlin. Der CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner kann einem nur leidtun.
Überhaupt hat die CDU die Causa Maaßen – und die Causa WerteUnion (WU)! – vergeigt. Einen moderat auftretenden früheren WU-Vorsitzenden Alexander Mitsch hat man desillusioniert, so dass er hinwarf. Sein Nachfolger Max Otte hat sich mit seiner Kandidatur für die Wahl des Bundespräsidenten zugunsten der AfD selbst desavouiert. Mit dem neuen WU-Vorsitzenden Maaßen, einem intellektuell durchaus eigensinnigen Kopf, wäre ein Arrangement möglich gewesen. Wenn man denn hinter verschlossenen Türen und nicht über irgendwelche öffentlichen Statements miteinander geredet hätte. Das gilt übrigens auch für Maaßen, der nun wahrlich nicht in jedes hingehaltene Mikro hätte hineinreden und auf jeden Tweet eines Mittelmeer-„Retters“ hätte reagieren müssen.
Zweierlei Maß?
Und die CDU hätte sich schon auch mal – wenn es denn um Parteischädigung geht – andere CDU-„Größen“ zur Brust nehmen müssen. Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther (Spitzname „Genosse Günter“) hatte ostdeutschen CDU-Verbänden schon auch mal Koalitionen mit der LINKEN (vulgo: Ex-SED) nahegelegt. Auch dem aktuellen CDU-Generalsekretär Mario Czaja drohte in den neunziger Jahren bereits ein Parteiausschluss wegen – so der Vorwurf damals – zu großer Nähe zu der Linken. Linksauslegerin Karin Prien hatte unverhohlen empfohlen, den damaligen CDU-Bundestagskandidaten Maaßen im September 2022 nicht zu wählen. Und das langjährige CDU-Bundesvorstandsmitglied Elmar Brok hatte die WerteUnion so richtig schön in NS-Jargon als ein „Krebsgeschwür“ der CDU gegeißelt. Offenbar gilt dieses Brok’sche Diktum implizit immer noch, denn das CDU-Präsidium verkündete am 30. Januar 2023: „Wer Mitglied der CDU ist, kann nach unserem Verständnis nicht gleichzeitig Mitglied in der sogenannten ‚WerteUnion‘ sein.“
Nun hat man in den eigenen Berliner Sieg gleich eine Menge Wasser gegossen. Will sagen: Die CDU kann es nicht. Oder bildet sich die CDU ein, sie könnte Grün oder Rot qua Morgengabe – sprich: mit einem strammen Vorgehen gegen Maaßen und vermutlich quälend vagem Ausgang – an ihre Seiten ziehen?
Aneckende Intellektualität „Par Ordre de Mufti“ wegwischen?
Die CDU wäre gut beraten, wenn es denn nicht zu spät ist, sich intellektuell mit den provokanten Thesen Maaßens auseinanderzusetzen. Merz will das offenbar nicht, und sein „General“ Czaja kann es nicht. Die seichte Intellektualität der Merkel-CDU setzt sich damit fort. Denn was Maaßen in fragwürdiger Diktion gesagt hat, ist seit Jahren eine Sorge renommierter Leute: das typisch deutsche Bußritual und das typisch europäische Bußritual. Beides einmündend in eine autoaggressive und autorassistische Vision des Verschwindens der Deutschen, der Europäer und der „weißen Rasse“ von der Landkarte der Geschichte. Man möge lesen: Hermann Lübbe „Ich entschuldige mich. Das neue politische Bußritual“ (2001); Pascal Bruckner „Der Schuldkomplex – Vom Nutzen und Nachteil der Geschichte für Europa (2008; französische Originalausgabe 2006: La tyrannie de la pénitence“). Bruckner schreibt gar von der „Eitelkeit des Selbsthasses“ und meint damit die Europäer insgesamt.
Ansonsten sollte man rekapitulieren, was „Linke“ seit Jahrzehnten über Deutschland losgelassen haben. Eine Jutta Ditfurth (vormals „Grüne“) fand – im „Neuen Deutschland“ vom 12. Oktober 1991 – Deutschland „zum Kotzen“.
Eine damalige Vizepräsidentin Roth (Grüne) des Deutschen Bundestages marschiert, ohne einzuschreiten, hinter Transparenten hinterher, auf denen steht: „Deutschland – du mieses Stück Scheiße!“ Oder der „Grüne“ Robert Habeck: 2010 veröffentlichte er, damals Fraktionsvorsitzender der Grünen in Schleswig-Holstein, ein Buch mit dem Titel „Patriotismus. Ein linkes Plädoyer“, und in diesem Buch schrieb er: „Patriotismus, Vaterlandsliebe also, fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland nichts anzufangen und weiß es bis heute nicht.“ Eine Julia Schramm, ab Dezember 2019 Vorstandsreferentin der Links-Fraktion im Deutschen Bundestag, inszenierte sich 2014 (damals noch Mitglied der „Piraten“) mit folgenden Tweets: „Sauerkraut, Kartoffelbrei – Bomber Harris, Feuer frei!“ „Kartoffel“ war als Anspielung auf den entsprechenden Schimpfnamen für die Deutschen gedacht. Ebenfalls 2014 textete sie: „Bomber-Harris-Flächenbrand – Deutschland wieder Ackerland!“
Es hat also eine lange Vorgeschichte, was Maaßen jetzt zur Sprache brachte. Er hätte all dies allerdings besser in einem durchdachten Essay zur Sprache ausformulieren sollen und nicht in irgendwelchen vergröbernden Tweets.