Die CDU gewinnt die Wiederholungswahl in Berlin, ist nun stärkste Kraft im Roten Rathaus. Doch zu dem Plus von rund 10 Prozentpunkten für die Schwarzen können die Verlierer von Rot-Rot-Grün neben ein paar Freundlichkeiten „Na, und?“ sagen.
Bürgerliche Wähler hofften mit ihrer Stimme für die CDU die katastrophale Berliner Regierungspolitik verändern zu können, doch das war womöglich in der linksgrünen Hauptstadt ziemlich naiv gedacht. Um eine Regierung mit der CDU reißen sich die Verlierer SPD und Grüne nicht, selbst wenn die Sozialdemokraten das schlechteste Wahlergebnis seit 1946 einfahren. Im Gegenteil, sie bleiben auf Distanz, bestenfalls gibt es nette Gespräche.
CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner träumt zwar am Wahlabend davon, dass Berlin den Wechsel gewählt hätte. Er glaubt jetzt an den Wählerauftrag, „eine Regierung zu bilden“. Dennoch verfügt Rot-Rot-Grün noch über eine satte Mehrheit mit 90 von 159 Sitzen im Berliner Abgeordnetenhaus.
Natürlich verbreitet auch CDU-Generalsekretär Mario Czaja, sein Spitzenkandidat Wegner hätte den „klaren Regierungsauftrag“ für einen Neuanfang in Berlin. Es wäre „unanständig, wenn die jetzige Regierung einfach weitermachen will“. Soso. Anständigkeit gibt es aber in der Politik prinzipiell nicht, Herr Czaja. Fragen Sie mal ihre Ex-Kanzlerin Dr. Angela Dorothea Merkel.
Nach dem ersten Schock werden sich SPD, Grüne und Linke wohl schnell erholen, vor allem weil die SPD wieder die Regierende Bürgermeisterin stellen könnte. Die Führung der Sozis gegenüber den Grünen ist mit nur 105 Stimmen zwar extrem knapp, aber wohl entscheidend. Zudem hat Rot-Rot-Grün laut Wahlumfragen (39 Prozent) in Berlin immer noch die größte Zustimmung mit Abstand zu CDU/SPD und wenigster Zustimmung zu Schwarz-Grün.
Die frühere Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig hingegen, die heute im Brandenburger Landtag sitzt, kann sich zwar über das Berliner Unionsergebnis freuen, hat aber große Zweifel am „demokratischen Verständnis von SPD und Grünen“. Sie fordert bei Tichys Einblick: „Aufgrund der stark abweichenden Ergebnisse bei der Wiederholungswahl für Berlin, muss jetzt zwingend auch eine komplette Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin erfolgen.“
Der niedersächsische Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt warnt gleichzeitig in Tichys Einblick: „Wer wirklich davon träumt, in Berlin die Versagenskoalition fortzuführen, leidet an totalem Realitätsverlust.“ Allerdings: Es sei jedoch zu befürchten, dass Rot-Rot-Grün keine Skrupel kennt. „Doch so eine Reaktion führt nur zur absoluten Politikverdrossenheit und hoffentlich entsteht daraus nicht eine Demokratieverdrossenheit“, mahnt der Haushaltsexperte im Bundestag.
Weniger als zwei Drittel der Berliner gingen zur Wahl
Das Desinteresse bei den Wählern war dennoch groß, denn die Wahlbeteiligung lag nur noch bei rund 63,1 Prozent im Gegensatz zu 2021 mit 75,4 Prozent. Die nicht im Abgeordnetenhaus sitzende Fraktion der Nichtwähler wäre jetzt eigentlich mit gut 36,9 Prozent die stärkste Kraft in Berlin. SPD, Grüne und Linke alias PDS alias SED haben bei der Wiederholungswahl zwar über fünf Prozentpunkte verloren, dennoch können sie wohl einfach „weiter so“ machen. Der Sturz von zusammen 54,4 Prozent im Jahr 2021 auf jetzt gut 49 Prozent scheint Rot-Rot-Grün kaum zu jucken, wie der Berliner sagt.
Die nichtlinken Parteien CDU, FDP und AfD zusammen können nur um neun Prozentpunkte zulegen von 33,1 Prozent 2021 auf jetzt fast 42 Prozent. Doch was nützt es? Womöglich nichts.
Dabei sagen in Infratest-Umfragen nur noch 29 Prozent der Bürger, dass sich Berlin positiv entwickelt, und nur 24 Prozent finden die rot-rot-grüne Regierungsarbeit okay. Auch mit der Arbeit von Regierungschefin Franziska Giffey (SPD), im Volksmund Dr. Mogel genannt, sind nur noch 36 Prozent der von Infratest Befragten zufrieden – so wenig wie noch nie. Doch die oppositionelle CDU kann es für viele nicht besser, trotz ihres Gewinns.
Grün-Rot-Rot hat weiter eine klare Regierungsmehrheit
SPD-Wahlverliererin Franziska Giffey gesteht lediglich ein, es sei nicht Platz eins geworden. Die CDU sei offensichtlich stärkste Kraft, aber man brauche eben eine Regierungsmehrheit. Sie wolle jedoch stabile Mehrheiten. Und die hat natürlich auch Grün-Rot-Rot. Giffey könnte sich vielleicht noch in eine Große Koalition retten, aber dafür hat sie in ihrer linken Berliner SPD kaum Mehrheiten hinter sich, die wohl lieber weiter unter Grünen dienen und mit den Linken Seit‘ an Seit‘ gehen würden.
Zwar schmerzt SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert im Fernsehen die Niederlage und er ringt sich vorsichtig zur Gratulation an die CDU durch. Doch gleich danach warnt der Verlierer, die CDU habe auf das Trennende von der SPD gesetzt. Lust auf Zusammenarbeit sieht anders aus. Dazu stellt SPD-Chef Lars Klingbeil klar, Franziska Giffey habe gezeigt, dass sie gut Regierungsgespräche führen könne. Wahrscheinlich meint er die mit Grünen und Linken.
Die grüne Bundesvorsitzende Ricarda Lang steht „natürlich Gesprächen zur Verfügung“. Jedoch geht es den Grünen immer um ihre ideologische Umerziehungspolitik. Wie will die Berliner Union diese Transformation mitmachen, vor allem in der Asyl-, Innen- und Sozialpolitik?
Noch klarer in der Ablehnung von CDU-Regierungsträumen wird die grüne Spitzenkandidatin und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch: „Wir würden gerne die Koalition mit SPD und Grünen fortführen, am besten unter grüner Führung.“ Außerdem habe man ja „gut zusammengearbeitet“, betont Jarasch noch. Sie will jedenfalls mit Sozialdemokraten und Linken gerne weiterregieren. Da muss wohl CDU-Wahlsieger Wegner in der Opposition Platz nehmen.
Voraussichtlich reden SPD und Grüne mit der Union nur, um ihre Positionen taktisch bei rot-rot-grünen Gesprächen zu stärken. Die Verlierer von den Linken alias PDS alias SED machen ohnehin gerne weiter mit. Denn eine sichere Mehrheit hat die Murks-Koalition immer noch.
FDP bleibt durch ihre Ampelkoalition auf der Verliererstraße
Erneut kassiert die FDP eine Niederlage nach der anderen. Fünf Prozent waren für die Freidemokraten in Berlin zu viel. Ihre Wähler liefen in Scharen zur CDU über. Die Ampelregierung im Bund schadet den Liberalen in den Ländern nachhaltig. Nach dem Saarland und Niedersachsen fliegt sie in Berlin aus einem weiteren Landtag. Bremen könnte im Mai der nächste sein. Parteichef Christian Lindner ließ sich anders als üblich nach den Hochrechnungen bei der Wahlparty in der FDP-Zentrale nicht blicken. Er zitterte weiter in den oberen Etagen im Präsidiumsbereich.
Der Thüringer FDP-Chef Thomas Kemmerich kritisiert derweil gegenüber Tichys Einblick zunächst den Unionskurs: „Es ist ein Pyrrhussieg der CDU. Gegenseitige Angriffe im bürgerlichen Lager stärken nur die Anderen.“ Doch Kemmerich mahnt auch seine Partei: In der Ampelregierung des Bundes dürfe die FDP „keine Kompromisse mit grüner Ideologie eingehen“. Die Liberalen sollten sich nicht „Anbiedern beim Gendern, sondern um die Probleme der Menschen wie bezahlbare Energie kümmern“.
Darüber hinaus bleibt die Alternative für Deutschland auf Erholungskurs. Deren Zuwächse halten seit der Niedersachsen-Wahl an. Dabei hat die politische Konkurrenz der AfD schon den Niedergang vorausgesagt.
Während sich linke, aber auch bürgerliche Politik bei jeder Gelegenheit über die Existenz der AfD im rechten Spektrum echauffiert, ist das Regieren hingegen für die SED-Nachfolger ausgerechnet in der Stadt des Mauerbaus offenbar gar kein Problem. Von Mauertoten, Menschenhandel, Unterdrückung und politischen Gefangenen als Folge der SED-Diktatur wollen etablierte Parteien wie Medien offensichtlich nichts mehr wissen. Sozialistische Erben samt Linksextremen in ihren Reihen scheinen keine Gefahr zu sein, dafür umso mehr Rechtskonservative.
Trotz des klaren Wahlerfolges der CDU in Berlin darf nicht vergessen werden: Helmut Kohls heutige Union hält mit ihren Stimmen in Thüringen eine Minderheitsregierung, geführt durch SED-Rechtsnachfolger, an der Macht. Wenn das der frühere Kanzler der deutschen Einheit wüsste.
Ein solcher Linksrutsch im Parteiensystem macht es daher auch möglich, dass die Bundeshauptstadt seit Jahren durch SED-Erben mitregiert wird, selbst wenn sie unter Führung der SPD mit den Grünen ständig Murks in Berlin bauen.
Unmut über Rot-Rot-Grün zeigt nur wenig Wirkung
Zwar erregte sich kurz vor der Wahl Forsa-Chef Manfred Güllner darüber, dass viele Berliner Wahlberechtigte das personelle und inhaltliche Angebot der Parteien „als Zumutung“ empfänden. Es gebe extremen Unmut über die von der rot-rot-grünen Koalition betriebene Politik, die die Interessen der großen Mehrheit der Berliner nicht beachte. Na und, sagen sich die Regierenden von SPD, Grünen und Linken alias PDS alias SED.
Denn im linksgrünen Berlin können sich bürgerliche Wähler aufregen, wie sie wollen: Es reicht Rot-Rot-Grün immer wieder für eine Mehrheit. Außerdem bleiben viele Frustrierte einfach zu Hause und lassen so Linksgrün weiterregieren trotz allen administrativen Versagens in der Bundeshauptstadt beim Urnengang vor gut 16 Monaten.
Schließlich gab es bei der regulären Wahl am 26. September 2021 so viele Fehler und Manipulationen, die die rot-rot-grüne Administration Berliners zwang, die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den zwölf Bezirksverordnetenversammlungen komplett zu wiederholen. Das hatte das Berliner Landesverfassungsgericht im November 2022 entschieden. Spätestens 90 Tage nach dieser Entscheidung musste die Wahlwiederholung in Berlin erfolgen.
Keine oder falsche Wahlzettel, geöffnete Wahllokale Stunden nach Wahlschluss, Stimmen auf falschen Stapeln usw., das Versagen der Berliner Administration des rot-rot-grünen Senats war zu den parallel stattfindenden Wahlen von Bundestag, Abgeordnetenhaus und Bezirksversammlungen im Herbst 2021 empörend und riesengroß.
Obendrein muss auch die Bundestagswahl wiederholt werden, die ebenfalls am 26. September 2021 in Berlin stattfand, allerdings nicht komplett, sondern nur in Teilen.
Aber die Bundestagswahl in Berlin soll nicht wie bei Land und Kommunen in allen Wahlbezirken, sondern völlig unverständlicherweise nur in 431 Berliner Wahllokalen wiederholt werden. Eine unheilige Allianz aus Grünen, Linken und FDP hatte dies aus dem Bundestag heraus verhindert, weil sie Mandatsverluste fürchtete. Berlin stellt zwölf Wahlkreise, schickt also via Erststimme zwölf Abgeordnete direkt in den Bundestag. Aber eine Teilwahl in Berlin zum Bundestag ändert nichts. Würde jedoch die Linke einen Berliner Direktwahlkreis verlieren, flöge sie komplett aus dem Bundestag. Also mussten die SED-Nachfolger aus Sicht von Grünen und FDP um jeden Preis im Parlament gehalten werden, damit nicht auch einige grüne und gelbe Abgeordnete ihre Bundestagsmandate verlieren.
Ein politischer Skandal, zu dem sich die Bundesverfassungsrichter bis dato nicht geäußert haben. Neben Tichys Einblick haben auch die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und AfD Klage wegen der geplanten Teilwiederholung der Bundestagswahl in Berlin beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.
Denn über Fehler bei einer Bundestagswahl entscheidet nicht das Berliner Landesverfassungsgericht, sondern der Bundestag selbst. Der hatte ebenfalls im November entschieden, dass wegen der vielen Wahlpannen in 431 von rund 2.300 Berliner Stimmbezirken die Wahl wiederholt werden muss.
Gegen diese Entscheidung des Bundestages sind zwar jetzt die erwähnten Klagen dagegen eingegangen, doch das Bundesverfassungsgericht lässt sich für seine Entscheidung bislang sehr viel Zeit. Schließlich kann erst danach ein Wahlwiederholungstermin festgelegt werden. Weil das in Deutschland eben dauert und auch die Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin eine Vorbereitung braucht, kann sie nicht am 12. Februar 2023 stattfinden. Erst im März wird eine Entscheidung erwartet. Dann hat der Wahlbürger wieder vieles vergessen oder die Wiederholung interessiert ihn nicht die Bohne.
Brüssel aufgepasst: „Wahlautokratie“ Made in Berlin
Hinzu kommt: Es wird immer klarer, dass Ursula von der Leyens „Wahlautokratie“ nicht in Ungarn, sondern in der Hauptstadt ihres Heimatlandes zu Hause ist. Vor allem die wiederholte Berliner Kommunalwahl ist offensichtlich eine. Der Berliner Kurier erregte sich darüber wenige Tage vor der Wahl unter dem Titel: „Das ist ja wie in der DDR! Vor der Berlin-Wahl stehen in den Rathäusern die Sieger schon längst fest.“ Bürgermeister und Stadträte sollen mit einem Kniff einfach im Amt bleiben, egal welche neuen Mehrheiten es in den Rathäusern geben wird.
Wenn das keine Wahlautokratie ist Frau von der Leyen! Bereiten Sie in Brüssel schon mal ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland vor.
Denn die wiederholte Wahl der Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) war im Grunde völlig unnötig. Die Gewinner standen ja schon vorher fest. Die Bezirksbürgermeister und die Stadträte, die infolge der Pannenabstimmung vom September 2021 in ihr Amt kamen, sollen auch nach dem erneuten Urnengang dort weiter regieren. So hat es die Senatsinnenverwaltung von Berlins rot-rot-grüner Administration wenige Tage vor der Wahl in einem Brief an die Bezirksbürgermeister festgelegt.
Das kommentierte selbst der linke Berliner Kurier bissig: Dieses Verfahren erinnere bestimmt so manchen an die DDR-Wahl von 1989. „Da war ‚von oben‘ bereits angeordnet, dass die Kandidaten der Nationalen Front mit 99 Prozent der Stimmen gewinnen, egal wie das Volk tatsächlich abstimmen wird.“ Ähnlich sei es nun auch bei der Wiederholung der BVV-Wahl.
Anders als bei Senatsmitgliedern und der Regierenden Bürgermeisterin sind Bezirksbürgermeister und Stadträte innerhalb einer fünfjährigen Legislaturperiode Beamte auf Zeit. Daher müssten sie rechtlich bis Ende 2026 im Amt bleiben, lautet der Kniff des Berliner Senats. Die Bürgermeister und Stadträte seien infolge der Pannenwahl von der BVV „für die Dauer der Wahlperiode gewählt worden“, so die Senatsinnenverwaltung, und die Wahlperiode werde ja ununterbrochen fortgesetzt. Schließlich hätte das Verfassungsgericht bei seiner Entscheidung zur Rechtmäßigkeit der Wahlwiederholung festgelegt, dass mit der Wahlwiederholung keine neue Legislaturperiode beginnt.
So geht es wohl zu in einer „Wahlautokratie“, Frau von der Leyen! OSZE-Wahlbeobachter wollten oder sollten hingegen nicht anwesend sein, nachdem eine Vorab-Delegation vom 9. bis 12. Januar in Berlin unter anderem mit dem Landeswahlleiter Stephan Bröchler gesprochen hatte. Trotz zahlreicher erneuter Fehler und Pannen im Vorfeld – siehe Link oben – behauptete Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) gut drei Wochen vor den Wahlen kess: „Der Stand der Vorbereitung ist so gut, dass die OSZE davon Abstand nimmt.“
Was für ein Witz. In Ungarn konnten 200 OSZE-Wahlbeobachter keine Fehler oder Manipulationen beanstanden. In Berlin hingegen wären sie schon im Vorfeld fündig geworden. Aber sie wollten oder sollten ja nicht kommen.
Dafür durften ganze zehn Delegierte des Europarats bei der Wahl in der Millionenstadt Berlin zuschauen, um ihrer EU-Chefin sicher Positives zu berichten. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.