Am Sonntag werden die Berliner Landeswahlen wiederholt. Trotz offensichtlicher massiver Fehler, die TE aufdeckte, musste erst das Landesverfassungsgericht intervenieren, damit die Wahlwiederholung zumindest auf Landesebene stattfindet. Über die Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Doch schon jetzt müssen Zweifel am Wert der Wahlwiederholung aufkommen. Es sind dilettantische Fehler, die passieren: Briefwahldokumente wurden doppelt ausgeliefert oder sie sind ungültig.
Die Europäische Union schickt auf Bitte der Bundesregierung Wahlbeobachter nach Berlin. Diese anzufordern ist der Versuch, das Vertrauen der Bürger in die Wahl zu stärken. Doch besser als Beobachtung durch neutrale Dritte ist die Beobachtung der Wahl durch die betroffenen Bürger selbst.
Was kann der Bürger tun, um zu verhindern, dass die Wahl ebenso manipuliert wird wie schon die erste Wahl?
Grundsätzlich darf jeder – ob wahlberechtigt oder nicht – als Wahlbeobachter auftreten. Das bedeutet: Fast jeder Vorgang im Wahllokal darf eingesehen und dokumentiert werden.
Für Beobachter ist ein Aufenthalt im Wahllokal während der gesamten Öffnungszeit bis mindestens zur mündlichen Ergebnisverkündung erlaubt. Das gilt insbesondere auch für die Beobachtung des Zähltisches während der Stimmauszählung. Ein Mitschreiben der Zählung (Strichlisten) und eine Fotodokumentation der Niederschrift der Ergebnisse ist ebenso erlaubt. Zu beachten ist, dass die Namen der Wahlhelfer nur mit ihrer Erlaubnis fotografiert werden dürfen (Datenschutz).
Auf keinen Fall dürfen Beobachter aber das Wahlgeheimnis verletzen oder versuchen, das Wählerverzeichnis einzusehen. Foto- oder Videoaufnahmen von Personen im Wahllokal sind ausschließlich mit einer expliziten Erlaubnis der Person zulässig.
Außerdem dürfen Beobachter nicht versuchen, den Wahlvorstand zu beeinflussen – selbst wenn es im Wahllokal zu Unregelmäßigkeiten kommt, die der Wahlvorstand nicht berichtigt oder beachtet. Auch darf eine Unterbrechung der Auszählung nicht verlangt werden. Als Beschwerdeweg ist ausschließlich ein schriftlicher Wahleinspruch beim Landeswahlleiter vorgesehen. Schon bei der Wahl 2021 versuchten Bürger, in Wahllokalen Unregelmäßigkeiten zu melden, riefen sogar die Polizei: Die war aber nicht befugt einzuschreiten.
Doch Regierungen und Politiker sind lax darin, Unregelmäßigkeiten nachzugehen. Dass die Wahlwiederholung bis 2023 dauerte und dass die Bürger noch immer auf eine Wiederholung der Bundestagswahl warten müssen, zeigt dies. Die Aufarbeitung der Wahlfehler ist keine Leistung von Politikern, sondern von Tichys Einblick, Marcel Luthe und einem Kreis von Unterstützern, die die Fehler ans Licht gebracht haben.
Sollten Sie während der Wahl Unregelmäßigkeiten beobachten:
- Fragen Sie nach. Sie dürfen nicht versuchen, den Vorstand zu beeinflussen – generelle Nachfragen sind aber erlaubt. Der Wahlvorstand ist aber nicht zu einer Antwort verpflichtet.
- Dokumentieren Sie die Antwort des Wahlvorstandes zunächst für Sie selbst schriftlich.
- Sollten Ihre Einwände nicht zu Ihrer Zufriedenstellung aufgeklärt werden:
Dokumentieren Sie die Unregelmäßigkeiten so detailliert wie möglich. - Sofern möglich, bitten Sie Zeugen, Ihre Darstellung namentlich zu bestätigen.
- Dokumentieren Sie, wie oft ein gegebener Einwand vorkommt.
- Schicken Sie Ihre Beobachtungen an kontakt@tichyseinblick.de
Für Rückfragen bitten wir um Kontaktdaten.
Tichys Einblick wird allen Einwänden zur Wahl nachgehen. Entscheidend für eine Anfechtung einer Wahl ist die sogenannte „Mandatsrelevanz“: Wahlen sind nur dann ungültig, wenn die Zahl der Wahlfehler sich auf die Verteilung der Mandate auswirkt. Es ist daher sehr wichtig, dass Sie so weit wie möglich dokumentieren, wie oft ein gegebener Fehler passiert.
Was sind mögliche Probleme, die auch diese Wahl gefährden?
Mangelnde Wahlscheine
In vielen Wahllokalen waren nicht genügend Wahlscheine angeliefert worden. Die Wahllokale behalfen sich auf drei Arten:
- Bürger wurden abgewiesen
- Wahlscheine wurden kopiert oder es wurden Behelfswahlscheine ausgestellt
- Wahlscheine eines anderen Wahllokals wurden verwendet
Gerade die letzteren Lösungen mögen im Moment der Wahl pragmatisch scheinen. Sie gefährden aber die Sicherheit der Wahl und sind ungültig.
Falsche Wahlscheine
2021 wurden wie oben beschrieben Wahlscheine zwischen Wahllokalen ausgetauscht. In anderen Wahllokalen wurden die falschen Wahlunterlagen geliefert. Da die Wahlen aber Personen und nicht Parteien gelten, und diese Personen in bestimmten Wahlkreisen antreten, sind Wahlen mit dem falschen Wahlzettel für den Wahlkreis ungültig.
2021 wurden außerdem mehrere Wahlen durchgeführt: Es wurden die Landeswahlen, Bundestagswahlen und ein Volksentscheid gleichzeitig entschieden. Damals kam es zu vielen Fällen in denen Personen die falschen Unterlagen ausgehändigt wurden: So konnten Minderjährige oder (EU-)Ausländer illegaler Weise an den Bundestagswahlen teilnehmen, wozu sie nicht befugt waren.
Das sollte am Sonntag nicht der Fall sein, da nur die Berliner Wahlen nun wiederholt werden. Die Wiederholung des Volksentscheids und der Bundestagswahl sind für später im Jahr vorgesehen, wenn überhaupt. Mangels Einsicht in das Wählerverzeichnis ist es Beobachtern auch schwierig möglich, diese Informationen zu verifizieren. Auch ist es ihnen nicht erlaubt, von Wählern eine Identifikation zu verlangen.
Zu lange geöffnete Wahllokale
Wahllokale dürfen nur bis 18:00 Uhr geöffnet sein. Danach werden die ersten Hochrechnungen der Auszählungen verkündet. Es ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr erlaubt, zur Wahl zu gehen. Personen, die sich vor 18:00 Uhr im Wahllokal angestellt haben, dürfen noch wählen. Weitere Personen dürfen sich aber nicht mehr anstellen.
Diese Regel wird normalerweise durchgesetzt, indem sich ein Wahlhelfer an das Ende einer um 18:00 Uhr gegebenenfalls bestehenden Schlange stellt. Wer nach dem Wahlhelfer kommt, kann nicht mehr abstimmen. Wenn Sie beobachten, dass diese Regel nicht beachtet wird, dokumentieren Sie, wie viele Personen nachträglich noch ihre Stimme abgeben durften.
Allgemeine Verstöße
Außerdem sollten Sie darauf achten, ob die grundlegenden Prinzipien einer geheimen und freien Wahl geachtet werden.
- Wähler dürfen im Wahllokal nicht beeinflusst werden. Das Tragen von parteipolitischen Symbolen – zum Beispiel Anstecker und bedruckte T-Shirts – ist für Wahlhelfer, Vorstand und Sie als Beobachter nicht erlaubt. Wähler dürfen solche Symbole tragen, müssen das Wahllokal dann aber schnell wieder verlassen.
- Wähler dürfen nicht beeinflusst werden. Das gilt auch für das Umfeld von Wahllokalen. Dazu gehört die Frage, wen man gewählt hat, mit einer Ausnahme von anonymen Exit-Polls: Wahlumfragen nach Verlassen des Wahllokals.
- Die Auszählung der Stimmen muss öffentlich einsehbar sein. Der Wahlhelfer muss auf Beschwerden oder Anmerkungen der Beobachter aber nicht eingehen.
- Auch Briefwahlstimmen werden öffentlich – aber schon vor 18:00 Uhr – ausgezählt. Für die Beobachtung der Briefwahlstimmen gelten dieselben Regeln wie für die Urnenwahlstimmen.
Wird gegen diese Prinzipien verstoßen, bitten wir um umgehende Information an kontakt@tichyseinblick.de. Bitte notieren Sie in einer Meldung unbedingt Bezirk und Wahllokal, einschließlich der Adresse.
Das Problem: Briefwähler
Das Bundesverfassungsgericht erlaubte einst Briefwahlen ohne Einschränkung, vorausgesetzt, die Briefwahl bleibt die Ausnahme. Das ist längst nicht mehr der Fall. 2021 wurde fast die Hälfte der Stimmen als Brief abgegeben. Doch mit der Briefwahl fällt das Prinzip der geheimen Wahl. Außerdem ist bei Briefwahlen nicht gesichert, dass auch der tatsächliche Wähler abstimmt. Schließlich ist die Sicherheit der Wahlscheine mangels ständiger Beobachtung wie im Wahllokal nicht gegeben.
Der Verfassungsrechtler Ulrich Vosgerau klagt dagegen – denn wenn der Einzelfall, kaum kontrolliert, weil unbedeutend in der Menge, zum Regelfall wird, müsste die Kontrolle verbessert werden.
Schon jetzt sind Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl gegeben. So schreibt uns ein Leser:
Hallo Herr Tichy, gestern Abend in gemütlicher Runde haben zwei Freunde erzählt, dass sie ihre Berliner Wahlbenachrichtigung 2x erhalten haben. Als Wähler der Grünen haben sie bereits Briefwahl gemacht und reden davon, (vermutlich) mit der 2. Benachrichtigung am Wahltag ins Wahlbüro zu gehen. Sie wohnen in einem Schöneberger Gründerzeitbau und sind in dem Haus sicher nicht die einzigen, mit diesem Behördenversagen.
Doch noch einfacher ist eine Manipulation bei der Auszählung der Briefwahlstimmen. Bereits 2018 äußerte Professor Jochen Renz in einer vierteiligen Beitragsserie Bedenken wegen mangelnder Transparenz bei der Auszählung. Anomalien bei den Ergebnissen können auf Fälschungen hinweisen, sind aber kein Beweis derselben.
In eigener Sache: Roland Tichy, Herausgeber von TE, hat eine Initiative gegründet, um die Wiederholung der Bundestagswahl in allen Berliner Bezirken einzuklagen. Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wird von Verfassungsrechtler Ulrich Vosgerau im Namen von zwei Tichys-Einblick-Lesern geführt. Die Finanzierung hat „Atlas – Initiative für Recht und Freiheit“ übernommen.
Die von TE eingereichte Wahlprüfungsbeschwerde ist dem Bundesverfassungsgericht am 5. Januar per Fax und am 7. Januar per Brief zugegangen. Am Donnerstag, dem 26. Januar, hat das Gericht den fristgerechten Eingang bestätigt und der Beschwerde ein Aktenzeichen (2 BvC 15/23) gegeben.
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