Tichys Einblick
Twitter-Mitarbeiter bei Kongressanhörung:

Twitter-Files: Anhörung zu Hunter-Biden-Laptop zeigt Notwendigkeit tieferer Recherchen

Die US-Republikaner zitierten vier Ex-Twitter-Mitarbeiter vor den Kongress in der Affäre um unterdrückte Nachrichten zum Laptop des Präsidenten-Sohnes Hunter Biden. Die Enthüllungen müssen dazu führen, die Kontakte der Plattformen zu staatlichen Institutionen tiefer zu durchleuchten.

Anhörung im US-Kongress am 08.02.2023

IMAGO / USA TODAY Network

Seit etwas über zwei Monaten verursachen die Veröffentlichungen der Twitter-Files mal größeres, mal kleineres, mediales Aufsehen. Doch folgt man den seltener werdenden Veröffentlichungen, darf man wohl davon ausgehen, dass die wichtigsten Enthüllungen mittlerweile bereits veröffentlicht wurden und die Twitter-Files langsam, aber sicher, verebben werden.

Das bedeutet allerdings nicht, dass die Wirkmächtigkeit der Enthüllungen damit verpufft ist, sondern lediglich, dass diese nun in eine neue Phase eintreten müssen. Genau solch ein Schritt wurde mit der Anhörung ehemaliger Twitter-Mitarbeiter vor dem US-Kongress, eingeleitet von Repräsentanten der Republikaner, gesetzt. Auf der Tagesordnung stand dabei Twitters Unterdrückung des New York Post Artikels über die Inhalte des Laptops von Hunter Biden im Jahr 2020, der kurz vor der Präsidentschaftswahl erschien und damit die Wahl hätte beeinflussen können.

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Die vier ehemaligen Mitarbeiter, die dem Repräsentantenhaus Rede und Antwort stehen mussten, waren James Baker, Anika Collier Navaroli, sowie die prominenten Ex-Mitarbeiter Vijaya Gadde (ehemalige “Chief Legal Officer” bei Twitter) und Yoel Roth (ehemaliger “Global Head of Trust and Safety” bei Twitter), die in den Twitter-Files immer wieder an zentraler Stelle auftauchten.

Eines kann man an dieser Stelle gleich vorweg nehmen: ausnahmsweise bewahrheitet sich die Behauptung der Kleinredner der Twitter Files, dass wenig Neues ans Tageslicht gelangte. Denn wenngleich die gestellten Fragen legitim waren, so führten sie weder zu Geständnissen oder Einsichten der Ex-Twitter-Mitarbeiter, da diese sich eher auf Schadensbegrenzung konzentrierten. Was bereits schriftlich dokumentiert war, wurde zwar nicht abgestritten, dafür aber versucht zu relativieren. Dabei waren die ehemaligen Mitarbeiter des Kurznachrichtendienstes auch nicht gänzlich auf sich alleine gestellt, denn die bei der Anhörung vertretenen Repräsentanten der demokratischen Partei leisteten ihnen jede nur erdenkliche Hilfestellung.

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Der Demokrat Jamie Raskin, z.B. sorgte sich weniger um die Einschränkung der Meinungsfreiheit, als vielmehr um die „Gefahr für die Demokratie“, die von sozialen Netzwerken ausgehe, die für die Organisation von Staatsstreichen und die Anstiftung gewalttätiger Aufstände missbraucht werden – nur eine von vielen Anspielungen des Tages auf den “Sturm” auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Die Demokratin Alexandra Ocasio-Cortez wütete gar über die Zeitverschwendung der gesamten Anhörung, die sich angeblich einer „halb gefälschten“ Geschichte widmete, wenngleich selbst die Bundesbehörden des FBI den Wahrheitsgehalt der Veröffentlichungen rund um Hunter Bidens Laptop als wahrheitsgemäß bestätigten.
Politische Lagerbildung und die daraus erwachsende Handlungsunfähigkeit

Es zeigte sich an dieser Stelle aber auch der grundlegende Graben, der sich durch die politische Landschaft zieht. Denn während die republikanischen Repräsentanten sich über die Unterdrückung legitimer Berichterstattung echauffierten, betrachteten die Demokraten dies als eine Lappalie und zeichneten stattdessen den Dämon eines möglichen Coups durch unkontrollierte Rechte auf Twitter an die Wand. Diese polare Unterschiedlichkeit setzt sich auch bei den Unterstützern der Parteien fort. Weder die Berichterstattung bei Fox News, bei dem die Republikaner die Ex-Twitter Mitarbeiter „grillten“, noch die Gegenperspektive bei CNN & Co., die in der Anhörung höchstens den Beweis für Trumps Einmischung erkennen wollten, dürfen daher überraschen und Hoffnungen auf irgendwelche, die Parteigrenzen überschreitenden, Resultate erwecken.

Im Gegenteil, die Anhörung machte exemplarisch deutlich, dass der Wunsch nach einer Klärung der Skandale rund um Twitter nicht einfach mit der Bestrafung einiger weniger Bauernopfer aus der Führungsriege des Social-Media-Riesen erledigt sein kann. An zu vielen Stellen in der Befragung wurde deutlich, dass es sich bei Roth, Gadde & Co. letztlich nur um willige Erfüllungsgehilfen handelte. Das spricht sie nicht von jeglicher Schuld frei, aber wer sie entfernt, entfernt nur die Zwischenhändler, deren vakante Positionen schon bald von Anderen gefüllt werden.

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Eine der Fragen der Anhörung widmete sich dem „bemerkenswerten Zufall“, dass Roth im Juni 2020 an einer Übung des Aspen Institutes (eines US-Thinktanks mit Dependancen in vielen anderen Ländern des Westens, inkl. Deutschland) teilnahm, in der spezifisch ein Szenario durchgespielt wurde, das die Veröffentlichung von Daten von Hunter Bidens Laptop kurz vor der Wahl thematisierte und die Unterdrückung solch einer Veröffentlichung unter dem Deckmantel vermeintlicher ausländischer Einflussnahme durchspielte. Zu diesem Zeitpunkt war das FBI allerdings bereits seit geraumer Zeit im Besitz des Laptops und wusste ebenso, dass Republikaner Rudy Giuliani in den Besitz der Inhalte gekommen war.

Die Tatsache, dass genau jenes Szenario, das hypothetisch im Juni 2020 durchgespielt wurde, wenige Monate später im Oktober Realität wurde, hätte Alarmglocken bei Twitter läuten lassen müssen, doch die Twitter Mitarbeiter zogen es vor keinerlei Nachfragen beim FBI anzustellen, um stattdessen selbstständig die Verbreitung der Geschichte zu unterdrücken. Ein direktes Eingreifen von Behörden zur Unterdrückung der Geschichte um Hunter Bidens Laptop lässt sich somit nicht nachweisen, das hatten auch schon einige der Reporter, die die Twitter-Files veröffentlichten, zu Protokoll gegeben. Was bleibt sind Indizien, die auf entsprechende Informationsflüsse ohne explizite Befehlskette hinweisen.

Ursachenforschung mit multiplen Unbekannten

Denn vollkommen außen vor blieben bei der Befragung Institutionen wie das Aspen Institute, das an der Wegbereitung zur Entscheidungsfindung mit seiner Übung eine beträchtliche Rolle spielte, sowie natürlich das FBI. Letzteres machte gemeinsam mit einer Reihe weiterer Behörden einen Teil eines privaten Chatrooms mit Twitter Mitarbeitern auf einem privaten Server aus. Die daraus erwachsenden Implikationen sind, glaubt man den kritischen Stimmen, gewaltig, doch letztlich wird aus den Twitter Mitarbeitern nicht viel mehr heraus zu bekommen sein, als die Twitter-Files bereits aufgedeckt haben.

Doch das FBI selbst dürfte wenig Interesse daran haben, seine Rolle in dem ganzen Prozess zur öffentlichen Debatte zu stellen. In einer Stellungnahme wies das FBI jegliche unangebrachte Einmischung von sich und wusch seine Hände in Unschuld. Es erhalte Informationen von Social-Media-Unternehmen auf rein „freiwilliger“ Basis, wenn das Unternehmen „das Risiko ernsthafter physischer Schäden oder des Todes“ vermute. Im Übrigen teile das FBI „identifizierte, bösartige Information ausländischer Einflüsse“ mit diesen Firmen, wobei jeweils der Ursprung (Russland, China, Iran) deutlich zugewiesen würde. Sonst nichts.

Wie bei Offshore-Firmen ist es aber auch hier kein Leichtes, den Ursprung bestimmter Informationen in einem komplexen Netzwerk auszumachen. Wer brachte das Aspen Institute auf die Idee, ausgerechnet das Szenario um Hunter Biden als Grundlage für seine Übung rund um ausländische Einflussnahme zu machen? Das konnten die Twitter-Mitarbeiter natürlich nicht wissen und die Frage muss somit vorerst unbeantwortet bleiben. Es sind aber diese Fäden, die man nachverfolgen muss, um zu verstehen, wo die Ursprünge der Einflussnahme liegen.

Die letzten Monate brachten eine Reihe von mehr oder minder bestätigten Enthüllungen und Skandalen. Neben den Twitter-Files sind vor allem die Enthüllungen von Project Veritas rund um die Mutation von Viren durch Pfizer bemerkenswert, oder die neueste Behauptung des Investigativjournalisten Seymour Hersh, die USA und Norwegen stünden hinter der Sprengung von Nord Stream. All diese Skandale haben gemein, dass sie zwar für öffentliche Empörung sorgen, ansonsten zunächst aber einmal relativ folgenlos bleiben. Die Anhörung der Twitter-Mitarbeiter mag zwar ein wichtiger erster Schritt sein, sie offenbarte aber nicht so sehr neue Verstrickungen von Roth und Gadde, sondern vielmehr die Notwendigkeit tiefer und breiter zu graben, als es mit der punktuellen Benennung einiger schwarzer Schafe innerhalb der betroffenen Unternehmen getan wird.

Aber so stellt sich das Problem umso unüberwindlicher dar. Wer wagt es, das Konstrukt des FBI und anderer Behörden in Frage zu stellen? Wer, den Pharmagiganten Pfizer an den Pranger zu stellen? Zumal alle Enthüllungen ja eins gemeinsam haben: eine weitreichende Vernetzung zwischen Behörden, Lobbys, Medien und Politik. Wer diesen Machenschaften das Handwerk legen möchte – so erscheint es immer deutlicher – müsste bereit sein das gesamte System, wie es sich uns heute präsentiert, in Frage zu stellen, da die gegenseitigen Verstrickungen eine losgelöste Betrachtung der Fehler der Twitter-Mitarbetier zu einem ungenügenden Prozess eines Bauernopfers machen würden.

Das ist die Lektion der Anhörung der ehemaligen Twitter-Mitarbeiter: der zu bezwingende Berg ist übermächtig und wir stehen vor der Frage, ob wir ihn mit dem Einsatz unseres Lebens erklimmen möchten, oder ob wir lieber in unseren Zelten im Basiscamp bleiben und uns Geschichten von der Besteigung erzählen möchten. Die Anhörung des gestrigen Tages fällt bislang in letztere Kategorie. Doch wer hat die Kenntnis und den Mumm, um wirklich die Spitze in Angriff zu nehmen?

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