Tichys Einblick
Kommentar

Wie Karl Lauterbach versucht, sich aus der Verantwortung zu stehlen

Schweden hatte recht. Deutschland lag mit Lauterbach falsch. Lauterbach tritt zurück - so zumindest müsste es sein, wenn der Minister zu seiner Verantwortung stünde, statt wie nun seine Fingerabdrücke zu verwischen. Von Friedrich Pürner

IMAGO / Christian Spicker

Schweden hatte recht. Deutschland lag mit Lauterbach falsch. Lauterbach tritt zurück. Damit könnte der Beitrag hier enden. Alles ist gesagt. Aber so leicht möchte ich es Herrn Lauterbach nicht machen. Zu viel ist passiert. Zu oft hat er Angst, Panik und vor allem fachlichen Unsinn verbreitet. Lauterbach hat wie fast kein anderer Politiker gespalten und verächtlich über Kritiker oder Kollegen gesprochen. Er hat weite Teile der Bevölkerung in eine tiefe Psychose gestürzt – wir sehen die Auswirkungen noch immer, wenn Menschen an der frischen Luft oder alleine im Auto Maske tragen. Obwohl Masken für das Infektionssgeschehen im Öffentlichen Raum keinen positiven Einfluss haben.

Wie heißt er gleich noch mal?

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Über den schwedischen Pandemieberater Anders Tegnell twitterte er, dass dieser „fast immer falsch“ lag und wie „verheerend falsche wissenschaftliche Beratung in der Coronapolitik sein kann.“ Auch ließ er durchblicken, dass ihm der Name von Klaus Stöhr, einem weltbekannten Virologen, Epidemiologen und langjährigen WHO-Mitarbeiter, nicht so geläufig sei. Dies zeigte Lauterbach dadurch, dass er in einem Interview laut und intellektuell gespielt grübelte „(…)- wie heißt er gleich noch mal? — Klaus Stöhr (…)“. Dies zeigt, dass Lauterbach keine andere Meinung neben sich dulden und sitzen sehen mochte. Er war der Bundesgesundheitsminister und angebliche Fachmann in Sachen Epidemiologie und Pandemie – und wie kein anderer lag er falsch.

Nun also beginnt die große Aufarbeitung. Diese macht sich unter anderem am Rückzug verschiedener Experten bemerkbar. Bei den großen Apokalypsen-Modellierer herrscht inzwischen betretenes Schweigen. Der RKI-Chef und Drosten haben bereits kläglich den Rückzug angetreten und versuchen nun zu retten, was noch zu retten ist. Die ehemaligen Panikstifter, die in den Talkshows saßen und – gestützt auf fragwürdiges Zahlenmaterial – unheilschwanger von Tod und Siechtum schwadronierten, sind feige untergetaucht. Nichts hört man mehr. Zum Glück.

Lauterbach ist kein Ehrenmann

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Lauterbach ist immer noch Bundesgesundheitsminister. Auf Twitter wird er zunehmend zurückhaltender beim Thema Pandemie, wohlwissend, dass seine Hochzeit abgelaufen ist. Das ist auch gut so. Seinen Posten möchte er indes nicht räumen. Dies ist ein Problem für uns alle und Olaf Scholz, der Lauterbach einst wegen des großen Zuspruchs vor allem auf Twitter ins Amt hievte, fehlt wohl der Mut, ihn wieder hinaus zu schubsen.

Über Tegnell, den Fachmann aus Schweden, der die Schweden mit Wissen und Mut durch die Pandemie gebracht hat, twitterte Lauterbach einst: „Einen ehrenvollen Rücktritt hätte ihm niemand vorgeworfen…“ Nun, ich persönlich würde Lauterbach keinen ehrenvollen Rücktritt mehr gewähren. Warum? Er hat ihn nicht verdient. Nicht mehr. Er hat den richtigen Zeitpunkt längst verpasst. Lauterbach hat zu viel Schaden angerichtet. Er ist uneinsichtig und nicht reumütig. Deshalb hat er keinen ehrenvollen Rückzug mehr verdient. Diesen Punkt hat Lauterbach – soweit es ihn überhaupt gegeben hat – schon lange überschritten. Nun steht ihm das Wasser bis zum Hals. Jetzt zu sagen, wir hätten es nicht besser gewusst, ist zu einfach.

Gestern jedenfalls erklärte Lauterbach im Morgenmagazin und auf Twitter, dass die langen Schulschließungen während der Pandemie ein Fehler waren – und schob die Verantwortung direkt auf die beratenden Wissenschaftler der Bundesregierung.

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Tatsächlich musste ich diesen Nebensatz mehrmals lesen. So unglaublich fand ich diese Aussage. Nicht, dass Lauterbach nun endlich zu dieser Einsicht gekommen ist. Dies war nur eine Frage der Zeit. Einige Kritiker, darunter auch ich, sprachen sich früh gegen Lockdowns und Schulschließungen aus.

Wer nur etwas Sachverstand in dieser Materie hat, konnte nicht umhin, diesen Maßnahmen von Beginn an jedweden Sinn abzusprechen. Diese Stimmen müssen auch bis zum Schreibtisch des Gesundheitsexperten und späteren Gesundheitsministers durchgedrungen sein. Lauterbach, der sich Epidemiologe nennt, also die gesamte Gesellschaft im Blick haben sollte, wandelte seit jeher im Tal der Ahnungslosen. Für ihn als Politiker war es nur eine Frage der Zeit, seine Meinung endlich anzupassen. Dass er nun dafür seine treuen Untertanen opfert, offenbart seine ganze Charakterschwäche.

Die beratenden Wissenschaftler werden nun geopfert

Seit dem Amtsantritt von Lauterbauch rumort es unter den Mitarbeitern des Bundesgesundheitsministeriums. Lauterbach sei kein Teamplayer, sei beratungsresistent und die Zusammenarbeit mit ihm wird als „sehr schwierig“ bezeichnet. Dies ist immer wieder hinter vorgehaltener Hand zu hören. Mit seiner jüngsten Aussage geht Lauterbach aber nicht seine Mitarbeiter an. Nein.

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Wenn Lauterbach nun nebulös die beratenden Wissenschaftler der Bundesregierung öffentlich an den Pranger stellt, kann er nur Drosten und Co. meinen. Womöglich noch das RKI. Immerhin ist dieses Institut wissenschaftlich ausgerichtet und untersteht dem Bundesgesundheitsministerium. Auch die Leopoldiner können sich durch Lauterbach an den Pranger gestellt fühlen. Wen auch immer er damit meint, sei´s drum. Der Punkt ist ein anderer; Lauterbach schiebt seine große Verantwortung als Gesundheitsminister ohne mit der Wimper zu zucken weiter. So funktioniert Aufarbeitung aber nicht, weder menschlich, noch politisch. Sich nun feige hinter der sonst viel zitierten Wissenschaft zu verstecken, ist stil- und rückgratlos. Lauterbach benutzte die beratenden Wissenschaftler und opfert diese nun für sein vermeindliches politisches Überleben.

Lauterbach ließ sich bei jeder Gelegenheit widerspruchslos Epidemiologe und Wissenschaftler nennen. Hat er Wissenschaft verstanden? Weshalb hat er den Wissenschaftlern nicht widersprochen? Kannte er als Epidemiologe nicht die Konsequenzen von Lockdowns und Schulschließungen? Weshalb nicht? Das gehört zum Basiswissen eines jeden Epidemiologen. Aber auch praktisches und logisches Denken wären hier bereits gute Berater gewesen. Mangelt es ihm auch an diesen Fähigkeiten?

Ein Automechaniker weiß mehr

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Ich werde immer wieder als „ehemaliger Provinz-Gesundheitsamtsleiter“ bezeichnet. Auch als Automechaniker. Beides ist völlig korrekt. Doch wenn sogar ich die negativen Folgen und Auswirkungen vorhersehen konnte – weshalb dann nicht Lauterbach und seine Berater? Mehrmals habe ich – auch öffentlich – auf die negativen Folgen hingewiesen – ohne Erfolg. Ganz im Gegenteil.

Weshalb braucht es einen profilierungssüchtigen Gesundheitsminister, wenn ein sogenannter „Provinz-Gesundheitsamtsleiter“ und Automechaniker die Dinger besser einschätzen und im Sinne des erfolgreichen Schweden-Weges regeln kann?

Deutschland braucht Lauterbach im Amt des Gesundheitsministers nicht. An dieser Stelle sollte geschrieben stehen: „Man braucht Lauterbach nicht mehr.“ Doch das stimmt eben nicht. Deutschland hat ihn nie gebraucht und wäre ohne ihn mit großer Wahrscheinlichkeit besser durch die vergangenen Jahre gekommen. Eine woke Blase „wollte“ Lauterbach und feierte ihn lange. Das Resultat dieser Personalie ist erschreckend. Langsam werden immer mehr Schäden sichtbar. Schäden, deren Ausmaß bei weitem noch nicht absehbar ist. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen.

Lauterbach muss endlich gehen – es gibt keinen anderen Weg. Eine ehrliche und nachhaltige Aufarbeitung darf nicht nur als Alibi dienen.


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