Kann sich noch jemand daran erinnern, was Eva Herman seinerzeit in der Kerner-Talkshow gesagt hat? Irgendwas mit „Autobahn“. Aber was genau? Jedenfalls hat es gereicht, die ehemalige Tagesthemen-Moderatorin aus der Show zu werfen und in dem überwiegenden Teil der Medien als unerwünschte Person zu stigmatisieren. Jeder weiß, welche Medien mit der Formulierung „überwiegend“ gemeint sind. Aber wie sie beim Namen nennen? Wer dafür den Begriff „Mainstream-Medien“ benutzt, gilt als ebenso stigmatisiert wie Herman. Diese Medien selbst haben sich eine Zeit lang als „Qualitätsmedien“ tituliert. Aber der Begriff hat mittlerweile einen solch stark ironischen Unterton, das ihn außerhalb von Satire-Beiträgen kaum noch einer verwendet.
Genau dieses Sprachdilemma ist die aktuelle Geschichte von Hans-Georg Maaßen. Er hat den Begriff „rot-grüne Rassenlehre“ verwendet. Deswegen will ihn nun der Parteivorsitzende Friedrich Merz aus der CDU werfen. Wegen seiner „Sprache“ und wegen seines Gedankengutes, wie Merz in der Bild am Sonntag sagte. Der Ausschluss werde gerade „sorgfältig“ geprüft. Das soll entschlossen klingen, zeigt aber auch, dass der Nachfolger von Angela Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet nicht viel gegen Maaßen in der Hand hat.
Nur: So wie es die Mainstream-Medien gibt, aber ein als akkurat anerkanntes Wort fehlt, um sie zu beschreiben, genauso fehlt es an einem akkuraten Wort, um zu beschreiben, was Maaßen gemeint hat. Zumindest im Deutschen. Das Englische kennt den Begriff der „Critical Race Theory“, der Kritischen Rassentheorie. Sie wurde in den 70er Jahren in den USA entwickelt von farbigen Anwälten, um tatsächliche Benachteiligungen von farbigen Menschen im amerikanischen Rechtssystem begrifflich zu machen – also begreifen zu können.
Allerdings ist auch der Begriff der „Critical Race Theory“ höchst unbefriedigend für eine glasklare Analyse. Gleich mehrere Ansätze kommen unter diesem Dach zusammen und von denen ist wiederum jeder so wenig präzise, dass die „Critical Race Theory“ eine Art Wundertüte ist. Nur dass es egal ist, was man aus dieser Tüte zieht. Denn jeder wird behaupten, dass es jeweils genau das Argument ist, das ihm und nur ihm recht gibt.
Die Critical Race Theory ist längst in Deutschland angekommen. Hierzulande wird sie – in Ermangelung einer jüngeren Geschichte der Sklaverei – anhand von Minderheiten ausgelegt. Die jüngste Volte dieser Tendenz ist es, den Holocaust als Geschichte der Verfolgung von Transmenschen auszulegen. Angesichts von sechs Millionen ermordeten Juden ein gewagter Ansatz, dem aber die „Qualitätsmedien“ nicht widersprochen haben.
Ungeschickt. Aber wie hätte es Maaßen denn so formulieren können, dass er seine Kritik inhaltlich vortragen kann, ohne dass ihn Merz wegen der Sprache aus der CDU ausschließen will? Gar nicht. Denn genau das ist nicht gewollt. Zur Methode woke-linker Politik gehört es, Sprache zu verminen. Sodass ihre Politik zwar geschehen, aber nicht beschrieben und folglich nicht kritisiert oder problematisiert werden kann. Die Logik lautet: Weiße tragen eine historische Schuld und haben daher jetzt Nachteile zu tragen. Wer aber diesen Gedanken aufgreift und sagt, damit würden Menschen wegen ihrer Rasse benachteiligt, hat verloren, weil er das verbotene Wort gesagt hat. Im Zweifelsfall würden Kritiker auch schon damit mundtot gemacht werden, dass sie den Begriff „Weiße“ verwenden.
Die Critical Race Theory wurde in einer Zeit stark, in der sich die Niederlage des Marxismus abzeichnete und letztlich besiegelte: eine Mauer, an der Sozialisten Menschen erschießen mussten, die aus dem Arbeiterparadies fliehen wollten. Ein Wirtschaftssystem, das alle Staaten in den Bankrott führte, die es übernommen haben. Und schließlich Millionen von Menschen, die feierten, nachdem sie den Marxismus abgeschüttelt haben. Als in den USA die Ciritical Race Theory aufkam, versuchten Aktivisten wie Joschka Fischer und andere spätere Grüne bei Opel und in anderen Fabriken sich unter die Arbeiter zu mischen und diese für den Klassenkampf zu gewinnen. Doch von denen ernteten sie nur Spott. Jeder neue Denkansatz war in dieser Sackgasse willkommen. 40 Jahre später ist es nicht mehr die Klasse der Kapitalisten, die Proletarier ausbeuten, sondern sind es Menschen privilegierter Herkunft, die andere Bevölkerungsgruppen unterdrückt und ausgebeutet hätten. Nur „Rassenlehre“ darf sich das nicht nennen. Das Wort ist vermint.
Merz will nun Maaßen loswerden. Die Werte-Union, die so gerne von der CDU anerkannt werden will hat Maaßen mit 95 Prozent zum Vorsitzenden gemacht. Das ist mehr als eine stilistische Debatte. Es geht um den inhaltlichen Kampf, in dem die Sprache nur die gefährlichste Waffe der anderen Seite ist. Der anderen Seite? Das würde voraussetzen, die CDU wüsste, auf welcher Seite sie steht. Aber genau das ist das Problem, das Merz von Merkel, Kramp-Karrenbauer und Laschet geerbt hat – und das er nun lösen muss. Wo steht die CDU 2023 eigentlich? Ausweichen, wie es der CDU-Chef sonst gerne tut, geht nun nicht mehr. Mit seiner Kampfansage gegen Maaßen und dessen Wahl durch die Werte-Union hat er sich zu einer Entscheidung gezwungen.
Die Werte-Union hat sich 2017 gegründet als Reaktion darauf, dass Merkel die CDU immer weiter ins grün-woke Links führte und so die AfD sich auf dem frei werdenden Gelände ausbreiten konnte. Mit einer Politik hat es Merkel getan, die auf der Behauptung beruhte, Grenzen ließen sich nicht schützen. Eine Politik, die versprach, die Einwanderer würden die Renten bezahlen, die jetzt erst ab 69, 70 oder wann auch immer ausgezahlt werden sollen. Die Geld für Sozialausgaben ausgegeben hat, mit dem dringend Brücken, Straßen und Schienen hätten repariert oder das Internet ausgebaut hätte werden müssen. Die in Chemnitz einen Mob gesehen haben wollte, auch weil der so wunderbar über Gewalt von Flüchtlingen hätte ablenken können. Und die Maaßen als Gegner auf dem Schirm hat, seitdem er zu Chemnitz gesagt hat, dass es diesen Mob nicht gegeben hat.
Spannend ist das nicht. Merz wird sich für die woke-grüne Politik seiner Vor-Vor-Vorgängerin entscheiden. Die Konservativen, die ihn ins Amt gebracht haben, werden immer weniger. Und sind auch eher an der Basis vertreten. In den Vorständen, Landtagen, Verwaltungen, Ministerien und im Parlament sitzen aber vor allem Muttis Mitläufer, die ihre Partei weiterhin auf Grün bügeln – auch weil sie hoffen, dass sie mit den Grünen schon vor 2025 an Dienstwagen und Amtssessel kommen. Interessant ist an dem Vorgang eigentlich nur, dass es nicht mehr reicht, mit Maaßen einen Sündenbock symbolisch zu schlachten – nun muss Merz eigentlich die ganze Werte-Union rauswerfen: in die Parteilosigkeit, in Richtung AfD oder einer anderen konservativen Partei, die erst noch wachsen muss.