„Deutsche Panzer gegen Russland – notwendig, aber gefährlich?“ – auch diese Woche ist das Thema der Sendung bei Illner mal wieder der Ukraine-Krieg. Dieses Mal in tatsächlich interessanten Zeiten: Deutschland liefert nach langem Hin und Her Panzer an die Ukraine. Dieser Umstand wird begleitet durch eine Reihe Freudscher Versprecher aus der Politik – Außenministerin Annalena Baerbock, die in Straßburg davon spricht, dass „wir“ einen Krieg gegen Russland kämpfen würden, oder Bundeskanzler Olaf Scholz, der im Bundestag sagt, die Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland sei ein Fehler gewesen zum Beispiel. Illner muss tatsächlich reden – mit diesen Gästen: Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Ralf Stegner (SPD) – Sie sehen jetzt schon, die Sendung war sehr angenehm -, Matthias Gebauer (Spiegel), Franz Alt (Journalist und Autor), Jana Puglierin (Politikwissenschaftlerin) und Ben Hodges (Generalleutnant a.D.).
Auch bereits im Vorspann angeteasert wird ein großer Streit innerhalb der Ampel. Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat Deutschland historisches Versagen vorgeworfen, weil die Regierung so lange gezögert hatte. Unter anderem Ralf Stegner schmeißt sich vor Scholz, kritisierte wiederrum Strack-Zimmermann scharf. Nach dem ganzen Hin und Her sitzen sie nun in einem Studio.
Was macht man, wenn zwei Unsympathische sich streiten? Auf welche Seite stellt man sich da? In meiner Funktion als Autorin genieße ich den Luxus, mich mit Popcorn zurücklehnen zu können – in dem Wissen, dass mich kein verstaubtes Parteibuch dazu verpflichtet, in diesen Zickenkrieg einzusteigen. Parteisoldaten tragen diese Bezeichnung schon aus einem guten Grund. Während Olaf Scholz sich in seine Kanzlerwohnung zurückziehen und so viel bocken kann, wie er will, werfen sich arme Schlucker wie Stegner in einer Talkshow für ihn in die Bresche, lassen sich an der Front verheizen und bekommen dafür gar nichts. Ab und zu kriegt man vielleicht ein Plättchen Metall verliehen oder eine neue Rangbezeichnung, die sehr wichtig und gleichzeitig nach nichts klingt.
Was die FDP-Parteisoldaten dann am Ende aber doch immer als solche entlarvt, ist, dass sie nach all ihrem Gerede am Ende immer einknicken. Sie sind das Feigenblatt des Protests, die mit ganz großen Tönen daherkommen und sich dann mit kleinen Almosen zufriedengeben. Das fängt bei Buschmann und dem Ende aller Corona-Maßnahmen an, geht bei Lindner und garantiert keiner Steuererhöhung weiter und hört schließlich bei Strack-Zimmermann und ihrer Kriegserklärung gegen Putin auf. In dieser Sendung wird ziemlich klar, dass sie zurückgepfiffen wurde.
Bereits die erste Frage von Illner an sie ist ziemlich direkt: „Frau Strack-Zimmermann, Vorsitzende des deutschen Verteidigungsausschusses, warum beschädigen Sie den deutschen Bundeskanzler – Ihren Kanzler?“ Das letzte schiebt Illner in einem Ton hinterher, der so mitfühlend wie bedrohlich klingt wie ein Stasi-Verhör aus dem Film. Nein, die Frage ist nicht, warum sie zu der Meinung kommt, dass Deutschland historisch versagt hat. Die Frage ist, warum sie diese Frage im falschen Moment gestellt hat. Nach einer herumdrückenden Antwort stellt Illner die Frage neu. Man könnte fast heraushören: Warum hast du dich nicht an das Skript gehalten? Sie habe so die Verhandlungen von Scholz mit den USA beeinträchtigt. Wieder beendet Illner ihre Frage mit: „Warum beschädigen Sie Ihren Bundeskanzler?“ „Der Kanzler hat zu Recht von Zeitenwende gesprochen. Ich würde sogar weitergehen, ich glaube es ist eine Epochenwende, wie wir in Zukunft in Europa und darüber hinaus leben werden“, erklärt Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die Partei hat immer recht, sie hat sogar rechter als recht. Eine Epochenwende also. Na super.
Spiegel-Reporter Matthias Gebauer erklärt derweil, dass die Waffenlieferung wichtig ist, denn man müsse ja „Bilder produzieren“ und Zeichen setzen. Deshalb wäre es ihm lieber gewesen, die Verkündung zur Lieferung wäre bereits in Ramstein ergangen. Das hätte einfach besser gewirkt. Jana Puglierin findet eh, dass alles viel zu spät sei: „Die zurückhaltende Art des Bundeskanzlers wird in Teilen auch als Führungslosigkeit interpretiert“, vor allem bei ihren Freunden in Brüssel.
Was mir in dieser Debatte auffällt: Sie ist durchzogen und geprägt von der immer gleichen Sorge: „Aber was sollen die Leute von uns denken?“ – Was halten die in Brüssel von uns, was hält man in Washington, D.C. von uns, was hält man in Kiew von uns, was hält man in Moskau von uns? Der Eindruck ist alles, was zählt, egal auf welcher Seite. Aber keiner fragt, was richtig ist. Nicht dass es unbedingt eine richtige Lösung gibt, ich weiß ja selbst keine. Aber auch wenn mir klar ist, dass in der Strategie und Diplomatie der Eindruck, die Zeichen und die Bilder eine große Rolle spielen, so sollten sie nicht das Einzige sein, was zählt. Manchmal frage ich mich, ob nicht ein großer Teil der Politiker diesen Angriff von Putin persönlich genommen hat. Und ich meine jetzt nicht im Sinne von dem ewigen Gerede von unseren Werten und unserer Freiheit. Ich meine persönlich im Sinne von einem angekratzten Ego.
Vielleicht ist die Zahl 14 am Ende irgendeine Botschaft. Laut Wikipedia hat die Zahl 14 im Christentum an unterschiedlichen Stellen eine Bedeutung, zum Beispiel besteht der Kreuzweg traditionell aus 14 Stationen. Die Göttin Hera hatte 14 Gefährtinnen und in der hebräischen Bibel gibt es 14 Frauen, die als schön beschrieben werden. Außerdem hat die 14 in der White-Power-Bewegung eine wichtige Bedeutung. Keine Ahnung, ob irgendetwas davon mit Russland oder der Ukraine zu tun hat, aber an mich soll das Zeichen ja auch nicht gesendet werden. Ich soll mir einfach nur Sendungen anschauen, in denen Politikwissenschaftlerinnen über Kriegsstrategien diskutieren, was ungefähr so ist, als wenn ein Genderwissenschaftler einen Kaiserschnitt vornehmen soll. Dass ich mit meiner Lektüre aller Bücher über den Zauberer von Oz ungefähr über genauso viel Kriegserfahrung verfüge wie Strack-Zimmermann und Stegner zusammen, soll ich am besten vergessen.
Von Anfang an waren die Solidaritätsbekundungen zur Ukraine meist nur Show – überall Ukraine-Flaggen, die ein Jahr später zerfleddert und ausgeblichen aus den Fenstern hängen. Ein plötzlicher Hass auf alle Pazifisten, obwohl man noch bis vor kurzem – als es noch im Trend war – selbst mit Peace-Symbolen geschmückt war. Immer wieder die Phrase „Die Ukraine kämpft für unsere Freiheit“ von den gleichen Leuten, die Freiheit bis vor kurzem noch als Egoismus beschimpft haben. Jetzt wird in der Debatte über Panzerlieferungen nur darüber gesprochen, welche Bilder das sendet. Insofern hat unsere ehemalige Verteidungsministerin eigentlich sehr gut zu uns gepasst: immer in erster Linie darauf bedacht, ob die Stöckelschuhe zu ihrem Nagellack passen. Denn: Was sollen die Leute sonst denken?