Tichys Einblick
Elektromobilität frisst ihre Kinder

Stellenabbau bei Ford – Standort Deutschland vor dem Auto-Exodus?

Die Fast-Halbierung der Belegschaft bei Ford innerhalb von nur fünf Jahren ist unter anderem Folge der Umstellung des Modellprogramms ausschließlich auf Elektroautos. Kosten- und Effizienzkriterien machen eine Verringerung der Beschäftigtenzahl notwendig.

IMAGO / Panama Pictures

Zu all den Schreckensmeldungen aus der Politik kam Ende letzter Woche eine Meldung aus der Autoindustrie, die für große Aufregung sorgte, aber aus dem falschen Grund: Ford in Köln plant einen massiven Stellenabbau. Dazu vermerkte die Presse, dass nach einer Entscheidung über eine grundlegende Neuaufstellung in Europa Ford seine Aktivitäten in Köln grundlegend umbaut. Dazu gehört auch ein massiver Personalabbau von 3200 Mitarbeitern in den nächsten zwei Jahren.

Von den 14.000 „Fordianern“, die zu Jahresbeginn in Köln mit dem Bau von Verbrennerautos mit der legendären Pflaume als Kühlergrill noch in Köln beschäftigt waren, müsste demnach im schlechtesten Fall jeder Vierte seinen Arbeitsplatz räumen. Beschäftigte zum Bau von Autos mit Kühlergrill werden nicht gebraucht, Elektromobilität ist angesagt, da brauchen nur noch die Speicherbatterien eine Kühlung – und die sitzt unten im Wagenboden.

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Von den möglicherweise betroffenen Stellen seien bis zu 700 in der Verwaltung und bis zu 2500 in der Produktentwicklung angesiedelt. Der Betriebsrat musste die schlechte Botschaft der Belegschaft überbringen, die Geschäftsleitung schwieg zunächst. Denn Ford Köln hatte bereits seit 2020 eine große Restrukturierungswelle mitgemacht, bei der die Belegschaft von 18.000 auf 14.000 verkleinert wurde. Und jetzt nochmal dieses!

Als Begründung für den neuerlichen Personalschnitt verwies das Ford-Management den Betriebsrat (Vize-Betriebsratschefin der Ford-Werke Katharina von Hebel) hinter verschlossenen Türen auf externe und hausgemachte Probleme. Etwa auf Folgen von Lieferengpässen (nicht zuletzt bei Halbleitern) und auf die wirtschaftliche Situation in Europa. Zudem gebe es „hausgemachte Faktoren wie eine neue Markenausrichtung und eine weitergehende Zentralisierung in den USA“.
All diese Argumente mögen richtig sein – auch wenn das Ford-Management sich dazu vor der Belegschaft bislang nicht geoutet hat. Sondern sich stattdessen lieber auf die bewährte Salami-Taktik der Tröpfchen-Infusion schlechter Nachrichten bei den Betroffenen verlässt, die auch schon bei dem Aus für das Ford-Werk Saarlouis mit 5000 Beschäftigten im letzten Jahr gut funktioniert hat.

Die Wahrheit ist, dass das eingeleitete Verbrenner-Aus und die totale Umstellung der Ford-Produktpalette auf Elektromobilität die ersten Opfer fordert. Managementfehler mögen hinzukommen – und sind bei Ford nie auszuschließen.

Fakt ist, dass sich Ford auf Geheiß der Konzernmutter in Michigan im totalen Umbruch befindet. Der seit Henry Fords Zeiten lange auf Verbrennungsmotoren fokussierte US-Autokonzern besann sich erst spät auf Elektrokurs.

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Die Verbrenner-Modellpalette wurde massiv ausgedünnt, das Erfolgsmodell Mondeo 2021 in Spanien eingestellt, die Fertigung nebst Werk in Saarlouis wird schrittweise stillgelegt, 5000 Beschäftigte werden dort entlassen.

Das amerikanische Management beschloss, das Hauptwerk am Kölner Standort mit Milliardeninvestitionen für die Fertigung neuer Elektromodelle umzubauen. Dabei hatte Ford schon eine Umstrukturierung hinter sich, vor drei Jahren hatte Ford noch knapp 18.000 Beschäftigte an der Stadt am Rhein. Dazwischen lag das Aus für das Brot-und-Butter-Auto Fiesta, ein Gefährt mit Kultstatus – von den Mainzer Hofsängern am Ende ihrer jährlichen TV-Karnevals-Prunksendung immer euphorisch bejubelt.

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Der Ford Fiesta prägte seit 50 Jahren eine Ära in Köln. Doch die Fiesta-Ära ging 2022 zu Ende. Der Fiesta gehört zu Ford wie der Dom zu Köln und Himmel zu Ääd – denn seit mittlerweile fast 50 Jahren prägt der Kleinwagen das Stammwerk, die Stadt und die europäische Modellpalette des US-Riesen und hat nicht umsonst über viele Jahre sein Segment angeführt. Für Generationen von Schülern mit Abitur war ein gebrauchter Fiesta die erste Begegnung mit der eigenen Automobilität.

„Diese Heilige Kuh aus Niehl (wird) jetzt auf dem Altar des Ford-Schritts geschlachtet und die Kölner stellen nach 47 Jahren und über 18 Millionen Autos tatsächlich ihren Bestseller ein: Mit ausgedünntem Modellangebot geht der 1976 eingeführte Kleinwagen, der als einziger Kölner über die Jahre erfolgreicher war als sein direkter Konkurrent aus Wolfsburg, ab sofort in Altersteilzeit und im Sommer 23 dann ganz in Rente … Und als wäre der Abschied vom Fiesta nicht schon einschneidend genug für das Stammwerk, endet dort mit der Produktion des Kleinwagens auch die Fertigung der Benzin-Motoren und der 1,0-Liter-Dreizylinder zieht um nach Rumänien“(Automobilwoche).

Damit ist eines klar: Die Fast-Halbierung der Belegschaft innerhalb von nur fünf Jahren hat nicht nur mit Corona etc. zu tun, sondern ist Folge der Umstellung des Ford-Modellprogramms ausschließlich auf Elektroautos. Deren Fertigung benötigt erheblich weniger Personal, die Wertschöpfung liegt nur bei 50 bis 60 Prozent eines Verbrennerautos. Kosten- und Effizienzkriterien machen daher eine radikale Verringerung der Beschäftigtenzahl notwendig.

Dieser Prozess läuft jetzt bei Ford drehbuchmäßig ab. So wie es Automobilexperten bereits seit langem prognostiziert hatten. Schmerzhaft für die Betroffenen, aber unvermeidbar nach der betriebswirtschaftlichen Logik.

Da nach Alexander von Humboldt in der Natur alles mit allem zusammenhängt, mag es der Frust über das Unvermeidliche gewesen sein, der die Geißbock-Elf des 1. FC Köln dazu gebracht hat, zeitgleich mit der Negativ-Meldung den FC Werder Bremen mit 7: 1 zu zerlegen.

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