Die Union fordert mal wieder eine Obergrenze – als ob die einst von Horst Seehofer herausverhandelte „atmende“ Grenze von 200.000 Asylanträgen pro Jahr etwas Wesentliches bewirkt hätte. Die Bild veröffentlichte jetzt eine Zitat-Collage aus Unionspolitiker-Sprechblasen, in denen einer dem anderen noch stärker zuzustimmen hatte als sein Vormann. Das klingt ein bisschen so, als ob das Anti-Immigrations-Politbüro tagt – natürlich nicht ohne Dissidenten, die durch die Blume sprechen.
Eingebracht hat die Idee der CSU-Fraktionschef im Bayerischen Landtag, Thomas Kreuzer, mit den denkwürdigen Worten: „200.000 ist eine Grenze, die wir bereits vor Jahren genannt haben!“ Der Anlass dieses Gedankens: Dieselbe Zahl wurde 2022 deutlich überschritten, als es am Jahresende 217.774 Erstanträge auf Asyl gab. Wer hatte es ahnen können? Zumindest ist die Union nun unschuldig daran, auch wenn man ihr eine Mitverantwortung an der verfahrenen und teils verworrenen Lage geben kann, nach 15 Jahren im Kanzleramt.
Sind Rückführungen durch ein Bundesgesetz zu steigern?
Aber dieser Union kommen auch Zweifel an der magischen Kraft der „Obergrenze“. So meint der sächsische CDU-Fraktionschef Christian Hartmann, man müsse sich zunächst auf die Abschiebung von Ausreisepflichtigen konzentrieren. Damit hat er Recht – doch leider nicht mit der auf dem Fuß folgenden Verpflichtung Nancy Faesers, die hier etwas tun müsse. Die Bundesinnenministerin hat mit Abschiebungen zunächst einmal wenig zu tun, es sei denn man könnte die Rückführungsbedingungen in den Ländern durch ein Bundesgesetz verbessern. Diesen Gesetzentwurf könnte aber auch eine Oppositionsfraktion schreiben und einbringen, selbst wenn er vollkommen chancenlos wäre. Daneben sind Abschiebungen nun einmal Ländersache (und werden es wohl bleiben).
Richtig bleibt, dass die Bundesinnenministerin ein Menge tun könnte, um eine Wende in der EU herbeizuführen, es aber einfach nicht will. Das sah aber auch in der letzten Regierung nicht viel anders aus. Horst Seehofer waren hier bestenfalls die Arme gebunden, wenn er sich nicht selbst in seinem „Ordnung und Humanität“-Einerseits-Andererseits verfangen hatte. Die Lösung des Problems, wenn es zu einer kommen sollte, wird einstweilen wohl nicht aus der deutschen Innenpolitik kommen.
Wann befreit sich die Union von ihrer Larmoyanz?
Das Foto zum Bild-Beitrag zeigt übrigens realistischerweise einen Wagen der Bundespolizei, in dessen Schlepptau eine Traube von illegalen Migranten eine deutsche Wiese vor Waldszenerie überquert wie die Küken hinter der Gans. Schöner geht es kaum – und wahrer.
Denn das ist die Politik dieser wie der gewesenen Bundesregierung. Ja keine Begrenzungen, die sich als „Härten“ an der deutschen Grenze fühlen lassen. Nur keine offene Initiative für mehr Grenzschutz innerhalb der EU und an ihren Rändern. Aber sehr wohl Bundespolizisten auf griechischen Flughäfen und großer Katzenjammer, wenn „Sekundärmigranten“ es doch über Warschau oder BER nach Brandenburg schafften. An diesen Stellen müsste eine Union, die sich in der Opposition wirklich neu erfindet, ansetzen – nicht bei imaginären Obergrenzen. Zunächst einmal müsste sie ihre Position von der Larmoyanz befreien, in der man Opfer von Migrationsströmen zu sein vorgibt, die man nicht beherrschen kann.
Und natürlich haben konservative Regierungen in Griechenland und Polen vorgemacht, wie das geht. In Dänemark sind sogar die Sozialdemokraten, inzwischen im Verein mit der liberal-konservativen Venstre-Partei, zu einer strikten Begrenzung auf eine niedrige vierstellige Migrantenzahl im Jahr fähig gewesen. Offenes Ziel dort: null Anträge. Die Initiativen aus Schweden und Italien kommen gerade erst in Schwung. Auch angesichts dieses Umfelds sollte sich die Union neu positionieren und nicht von der schiefen Ebene ausgehen – der Frage, wie viele Migranten man höchstens pro Jahr versorgen und vielleicht am Ende irgendwann integrieren kann. Denn das ist keine Frage von einem Jahr, eher von zehn oder zwanzig. Bei manchen reichen vier Generationen nicht.