Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius soll also am Donnerstag als Bundesminister der Verteidigung vereidigt werden. Pistorius ist das, was man einen sehr erfolgreichen SPD-Parteisoldaten nennt. Bereits mit 16 Jahren trat er in die SPD ein; seine Mutter Ursula Pistorius war von 1978 bis 1990 SPD-Landtagsabgeordnete. Nach Abschluss einer kaufmännischen Ausbildung (1980), Wehrdienst (1980/81) und Juristenausbildung (ab 1981, Zweites Staatsexamen 1990) war Pistorius unter anderem Mitarbeiter bei Innenminister und Kurzzeit-Ministerpräsident Gerhard Glogowski (SPD), dann mehrere Jahre an führender Stelle in der Bezirksregierung Weser-Ems, ehe er auf SPD-Ticket 2006 Oberbürgermeister von Osnabrück wurde. 2013 machte ihn Niedersachsens damals neuer Ministerpräsident Stephan Weil zum Innenminister, seit der Niedersachsen-Wahl von 2022 mittlerweile zum dritten Mal. Ab 2017 gehörte er als Abgeordneter dem Landtag in Hannover an. In der Innenministerkonferenz ist Pistorius Sprecher der SPD-Seite.
Ob er der Richtige ist? Ist er zweite Wahl? Scholz hat sich zuletzt jedenfalls drei namhafte Absagen eingehandelt: SPD-Co-Vorsitzender Lars Klingbeil wollte nicht, Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil wollte nicht wechseln, Kanzleramtschef Schmidt ebenfalls nicht.
Was bringt Pistorius mit, was Lambrecht (SPD) und deren CDU-Vorgängerinnen Kramp-Karrenbauer oder von der Leyen nicht hatten? Nun, er ist ein Mann, der erste im Amt seit Thomas de Maizière 2013. Und er hatte selbst einmal Uniform an: 1980/81 in der Steubenkaserne im niedersächsischen Achim. Damals währte die Wehrpflicht noch 15 Monate. Das macht es vielleicht vielen Soldaten doch etwas leichter, den „Neuen“ zu akzeptieren und einigermaßen unvoreingenommen an ihn heranzugehen. Aus dem Reservistenverband war die erste Reaktion schon mal positiv.
Vor allem ist Pistorius mit Sicherheitsfragen vertraut. Zwar nicht mit Fragen der äußeren, aber der inneren Sicherheit. Wobei es hier in Sachen Cyber-Sicherheit viele Überschneidungen gibt. Als Innenminister lavierte Pistorius allerdings immer mal zwischen liberalen und Hardliner-Positionen. Von daher wäre er vielleicht der besser geeignete Nachfolger für eine Nancy Faeser gewesen. Immerhin verschrieb er sich etwa dem Kampf gegen Islamismus. Manchmal verrannte er sich im „Kampf gegen rechts“ auch. Über die jüngste Silvesterrandale in Berlin soll er gesagt haben, dass die Täter teilweise „aus dem rechtsextremen Milieu“ kämen – oder sich diese Aussage jedenfalls von einer Interviewerin in den Mund legen lassen. In diesem Zusammenhang machte Pistorius auch mit einem unkonventionellen Vorschlag auf sich aufmerksam, als er für die Silvester-Chaoten Führerscheinentzug vorschlug.
Pistorius vor einem mehrfachen „Kaltstart“
Pistorius hat eine gewaltige Aufgabe vor sich. Er muss auch nicht so „kaltstarten“ wie seine drei Vorgängerinnen. Zumindest muss er nicht erst die Dienstgrade und Rangabzeichen der Bundeswehr büffeln. Aber ein „Kaltstart“ bleibt es dennoch. Bereits am kommenden Freitag, 20. Januar, muss er Deutschland auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Ramstein (Rheinland-Pfalz) auf Einladung des US-Verteidigungsministers Lloyd Austin beim dritten Treffen der „Ukraine-Kontaktgruppe“ (Ukraine Defence Contact Group) vertreten. Dort geht es um die weitere militärische Unterstützung der Ukraine. Und dort wird Deutschland auch erklären müssen, dass es der Absicht der Länder Polen, Spanien, Schweden und Finnland, „Leo“-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern, als Herstellerland nicht mehr im Wege steht und bereit ist, selbst solche Panzer zu liefern. Ob Pistorius in Ramstein ein „Kaltstart“ gelingt, hängt freilich vor allem von Kanzler Scholz ab. Dieser nämlich muss sich endlich erklären, ob er der Lieferung von „Leo-2“-Panzern an die Ukraine durch Spanien, Polen, Schweden und Finnland usw. zustimmt und ob Deutschland aus eigenen Beständen (die Industrie kann erst 2024 liefern) ebenfalls entsprechende Lieferungen mitmacht.
Aber „Ramstein“ ist bei weitem nicht das einzige, was Pistorius zu schultern hat. Wir nennen mal nur elf große „Brocken“, die seit Jahren, nicht erst seit „Lambrecht“, liegengeblieben sind:
- die Umsetzung des 100-Milliarden-Sondervermögens
- das Puma-Schützenpanzer-Problem
- eine reibungslose Zusammenarbeit mit der Rüstungsindustrie
- das Durcheinander um die Anschaffung des Tarnkappenbombers F-35
- die verspäteten Auslieferungen des A-400-Transports
- die Ertüchtigung der Marine
- die Dynamisierung des Beschaffungswesens
- die Aufmunitionierung der Bundeswehr (Munition derzeit nur für einige Tage vorhanden)
- die Gewinnung von Nachwuchs und die Besetzung von 20.000 offenen Dienststellen
- die Sanierung vieler Kasernen
- die Beendigung des Mali-Einsatzes.
Ob Pistorius der Richtige ist? Wir werden es sehen. Der Bundeswehr wäre es zu wünschen. Erfolgreich kann Pistorius aber nur sein, wenn er den unbedingten Rückhalt des Kanzlers und der „Ampel“ hat. Wenn Scholz in Sachen Bundeswehr weiter „scholzt“, wird Pistorius wenig gelingen.