Tichys Einblick
Überraschend hart - vergleichsweise

Hart aber Fair: Sogar mit Nachfragen

Klamroth die Zweite bei Hart aber Fair. Klamroth ist immer noch kein Plasberg: Die Ruhe und Durchsetzungskraft seines Vorgängers hat er nicht – da fehlen 20 Jahre Übung. Aber Klamroth hat noch den Mut, das Unmögliche zu versuchen: Er will den Pudding an die Wand nageln.

Screenprint ARD

Der Titel der Sendung war „Streit um Einwanderung: Verpasst Deutschland seine Zukunft?“. Ein erwartbares Thema: Man wollte wohl im ARD-Talk das Thema „Ausländer“ wieder mal aufgreifen. Und Arbeitsmigration scheint dabei die unkontroverseste Version dieses Themas. Überraschend waren aber die Fragen Louis Klamroths an Hubertus Heil: Bundesarbeitsminister. Qualifiziert für diesen Job ist er schon mehr als seine Kollegin Lambrecht, die kürzlich zurückgetretene Verteidigungsministerin. Denn Hubertus Heil hat sogar indirekten Bezug zur Arbeit: Er ist Mitglied in der IG Metall und auch bei der Arbeiterwohlfahrt. Da kommt das Wort „Arbeiter“ drin vor, er muss sich also mit dem Thema auskennen, auch wenn Werkskantinen nicht zu seinem Alltag gehörten.

Noch mehr Parteienstaat
Ampel-Wahlrecht gegen den freien Abgeordneten
Gleich zu Beginn wollte Klamroth von Heil wissen: „Wer wird die neue Fachkraft im Verteidigungsministerium?“. Hubertus Heil sagt: Das ist Entscheidung des Kanzlers, er will dazu nichts sagen. Ob es vielleicht Hubertus Heil selbst wird, hakt Klamroth nach. „Ich bin Arbeitsminister und habe noch viel in diesem Amt vor“, droht Hubertus Heil den Bürgern und schweift ab. Aber Klamroth hat noch nicht verstanden, wie das bei der ARD läuft, und fragt einfach nochmal: Wer wird denn jetzt Minister, was sind die Kategorien, nach denen vergeben wird – Geschlecht, Partei? Hubertus Heil windet sich, der Pudding bleibt einfach nicht am Nagel hängen: „Ich habe alles dazu gesagt“. Also nichts.
Der glatte Politprofi verprellt nur den Wähler

Gut, das erwartet man auch. Heil formuliert es später ganz gut, als er meint: Er mache diesen Job jetzt ganz schon lange und werde nichts preisgeben. Damit hat er recht, Heil ist 50 Jahre alt und sitzt seit 24 Jahren im Bundestag. Trotzdem muss man sich ein Lachen verkneifen, als Klamroth wissen will, wie man zum Verteidigungsminister ernannt wird: „Ruft der Kanzler dann an und sagt: ‘Hubi, ich brauch dich jetzt‘?“. Heil winkt wieder und wieder ab: „Wir gehen davon aus, dass sich eine Fachkraft finden wird“. Nun, Klamroth ist immerhin penetrant. Mit seichten Antworten macht nur der Politiker dem Wähler keinen Appetit.

Kurz wird es polemisch, der Journalist Gabor Steingart ist in der Runde dabei, und meint „Der Fachkräftemangel hat auch die Bundesregierung erreicht, ein bisschen Kompetenz darf nicht schaden“. Das wars dann aber auch mit der Polemik. Schade, montags fehlt ein bisschen Entertainment immer. Um die gleichen Argumente wie der Bundesminister vorzutragen, braucht es keinen Journalisten.

Das Thema der Sendung ist Fachkräftemangel – eigentlich nicht der in der Politik, sondern der in der Wirtschaft im Allgemeinen. 400.000 Fachkräfte aus dem Ausland braucht das Land, so die Sendungsmacher. Gut, es sind in den letzten Jahren Millionen in das Land gekommen; was ist mit denen? Das wird kurz von Joachim Herrmann (CSU) angesprochen. Der Staatsminister des „Innern, Sport und Integration“, ist in der Runde fehl am Platz. Er macht Wahlkampf für die bayrische Landtagswahl und obwohl er recht hat, dass vieles in Bayern (noch und relativ) besser läuft: Es wird über die Republik diskutiert, nicht den Freistaat Bayern. Verweise, was dort besser läuft, sind nur sinnvoll, wenn sie mit Argumenten flankiert werden, wie es dazu kommt, dass Bayern das gelobte Land der gelungenen Integration sein soll. Jedenfalls hört sich das bei Herrmann so an.

Asyl und Einwanderung: Das Eine und das Andere haben nichts miteinander zu tun

Das Asylthema? Weggewischt mit dem Argument, dabei handele es sich doch um eine ganz andere Form der Diskussion. Das war Lamya Kaddor, innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen. Sie ist auch geübt im Vom-Nagel-Rutschen und wenn sie ein Pudding wäre, dann so einer, bei dem man keinen bestimmten Geschmack identifizieren kann und gleich wieder vergisst. Um dem roten Ampelkollegen nicht ins Wort zu fallen, sagt sie lieber nichts. Im Gedächtnis bleibt nur ihre Behauptung, dass Gastarbeiter, die seit den sechziger Jahren in Deutschland leben und kaum Deutsch sprechen, dafür nichts können, denn die Regierung habe ihnen einfach keine Deutschkurse angeboten.

Die SPD Hubertus Heils war ja einmal Teil der Arbeiterbewegung. Eine Errungenschaft dieser Bewegung war auch die selbstorganisierte Bildung der Fabrikarbeiter. Ganz entgegen den Wünschen der Regierung. Aber das hat mit dieser Diskussion nichts zu tun. Und ist ja lange her.

Wo bleibt die Priorität der Kompetenz?
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Interessant ist die Arbeit von Astrid Sartorius. Sie leitet die Abteilung „Auslandsakquise Pflege“ der Asklepius Kliniken. Ein Unternehmen mit gut 50.000 Mitarbeitern. Sartorius wirbt im Ausland Leute an, um in der Pflege zu arbeiten. Sie werden beim Navigieren durch den deutschen Bürokratiejungel gelotst, besuchen bei Düsseldorf ein Internat und werden dort auf eine Berufsanerkennungsprüfung (auf Deutsch) vorbereitet. Diese entsprechen den Abschlussprüfungen des jeweiligen Berufs der Mitarbeiter in Deutschland. Ausländische Studiengänge in der Pflege oder entsprechende Ausbildungen werden quasi nie anerkannt. Die Asklepius-Kliniken können das leisten; der normale Mittelständler, der eine oder zwei Stellen füllen will, nicht.
Wer ist eigentlich der Moderator?

Ansonsten frägt man sich in der Sendung schon mal, wer der Moderator ist. Wenn Heil einmal zum sprechen angefangen hat, dann kann ihn Klamroth nur mit Mühe stoppen. Der Bundesarbeitsminister gibt da auch mal die Themen über die gesprochen wird vor. Ein „Herr Heil, Herr Heil, Herr Heil“, reicht da nicht. Der Politprofi hat dieses Spiel schon zu oft gespielt.

Der Pudding windet sich: Fragen werden nur teils beantwortet. Verantwortung abgewälzt. Zum Beispiel die Frage: Werden Leute, die zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen (Stichwort Punktesystem), aber ihren Aufenhaltstitel verlieren, abgeschoben? Heil meint: „Im Zweifelsfall ja“. Klamroth kontert dann doch mal: „Aber Sie kommen doch jetzt schon nicht mit den Abschiebungen hinterher?“. Heil bemüht Phrasen über die geteilte Verantwortung von Bund und Ländern. Nun will Klamroth den Ball an Herrmann weitergeben, es wäre ein gefundenes Fressen für den CSU-Mann. Doch der ergeht sich in Lokalpolitik und Heil kann mit der Aussage, „Es ist mir wichtig, dass wir jetzt nicht mit Parolen arbeiten“, das Gespräch von diesem für ihn unangenehmen Thema ablenken.

Und noch immer leidet Klamroth an dem Talkformat Hart aber Fair. Es ist nicht sein Format, sondern ein ererbtes und das verschlechtert die Sendung. So droht sich eine Diskussion um die „Modernisierung“ des Staatsbürgeraschaftsrechts zu entfachen, aber Klamroth muss jetzt leider einen Einspieler zu dem Thema abspielen. Ein Vater-Sohn-Duo, Restaurantbetreiber, letzterer in Deutschland geboren, erklärt, warum sie niemals die Deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben. Das gibt den Diskutanten Zeit zum Atmen: Und schon schlüpfen Heil und Kaddor wieder vom Nagel. Unangenehme Fragen werden umgangen.

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