Der Mobilitätsgipfel, Anfang der Woche von Bundeskanzler Scholz im gewohnt bescheidenen Rahmen im Kanzleramt veranstaltet, brachte bekanntlich wenig bis keine konkreten Maßnahmen zur Klima-Verkehrswende. Man wünschte sich untereinander – parteiübergreifend – ein gutes und erfolgreiches Jahr, nahm die Wunschkataloge der diversen Beteiligten sine ira et studio gelassen zur Kenntnis, und ging auseinander – Vertreter von Radfahrern und ÖPNV-Nutzern waren gar nicht erst eingeladen, Elon Musk auch nicht.
Aber nicht, ohne vorher das in der Vergangenheit schon vielfach bekräftigte Ziel von 15 Millionen Elektroautos im Jahre 2030 nochmals beherzt zu beschließen. Offen blieb, ob man dabei nur Batterie-Elektroautos (BEV) im Sinn hatte oder auch Plug-In-Hybride (PHEV), also solche E-Autos mit zusätzlichem Verbrennungsmotor. Der großen Zahl wegen gehen wir hier von der Summe beider Antriebsarten als Ziel aus.
Bestandszahlen für den 01.01.2023 liegen wegen der Ermittlungen der Löschungen (zum Beispiel Verschrottung durch Brand oder nach Abmeldung des Neufahrzeugs nach Abruf der Förderprämie und direktem Export ins Ausland) nicht vor. Nimmt man hilfsweise das Jahr 2022 als Ausgangsbasis, so belief sich der Bestand an BEVs und PHEVs nach Angaben des KBA (Stephan Immen) zum 01.01.2022 bei BEVs auf 618.460, bei PHEVs auf 565.956 Einheiten, in Summe also auf 1.184.416 neue Elektroautos auf deutschen Straßen – ein beachtliches Ergebnis. Der Anteil sogenannter Elektroautos am deutschen Gesamt-Pkw-Bestand stellte sich damit zu Jahresbeginn 2022 auf 2,3 Prozent.
Rechnet man zu diesem Anfangsbestand 2022 die Neuzulassungen von BEV und PHEV im Verlauf des Jahres 2022 hinzu, so ergibt sich – Abmeldung von Altwagen mangels Daten notgedrungen unberücksichtigt gelassen – rein rechnerisch ein Bestand an Elektroautos in Deutschland zu Beginn 2023 von 2.017.068 Einheiten, in grober Annäherung von zwei Millionen elektrisch betriebenen Autos in Deutschland.
Das bedeutet in grober Annäherung, dass – ausgehend von der niedrigen Basis 2023 – aus deutschen Fabriken (inklusive Tesla-Werk in Grünheide) ab 2025 jährlich bis zu 2,5 Millionen Elektroautos von den Bändern laufen und den Weg zur Wall-Box des Kunden oder an die öffentliche E-Tanke finden müssen.
Technisch wäre das wohl machbar, aber wohl kaum aus Marktgründen! Und aus Umweltgründen wäre es eine Sünde an den deutschen selbst gesetzten Klimazielen:
- Zur Produktion der notwendigen Stückzahlen dürften die deutschen Hersteller in der Lage sein, haben sie doch in guten Zeiten 5,5 Millionen Autos in Deutschland gefertigt. E-Autos sind erheblich einfacher zu produzieren, die Produktionskapazitäten sind rechnerisch vorhanden, sie könnten bei Bedarf hoch gefahren werden; Tesla ist mit dem Potential von rund 400.000 p.a. Einheiten hinzu gekommen. Wäre denn die Versorgung mit Speicherchips und Batterien sichergestellt… Engpässe sind dort zu vermuten.
- Der Rest fehlt:
- Es fehlen die Käufer für die strukturell teureren E-Autos im Vergleich zur schier endlosen Bandbreite an preiswerten Verbrennerautos. Alle E-Autos kosten heute circa 50.000 Euro und mehr und sind für das obere Marktsegment bestimmt. Massenmotorisierung ist bei diesem Preisniveau nicht möglich.
- Es fehlen jetzt und auf Dauer ausreichende E-Ladepunkte in der Fläche und in Ballungsgebieten, um eine vergleichbare Massenmotorisierung wie heute mit den Verbrennern zu gewährleisten. Aber vielleicht ist das ja auch gar nicht politisch gewollt. Heimliches Motto: „Nicht mehr jedem Popel seinen Opel“ (… aber auch keinen Fiat, Dacia, Polo, A + B Klasse etc.pp.)
- Es fehlt vor allem auf Dauer „sauberer“, nachhaltig erzeugter grüner Strom, mit dem die wachsende E-Auto Flotte klimafreundlich betrieben werden könnte.
Wissenschaftlich ist das schon lange und in extenso belegt (von Thomas Koch und anderen)! Seit neuestem aber auch amtlich! So meldet Stephan Immen (KBA) für 2022, dass die CO2-Emission der neuen Pkw im Durchschnitt um -7,7 Prozent weiter zurückgingen, im Durchschnitt auf 109,6 g/km (Vorjahr: 118,7 g/km). Dies als Folge der Verschrottung alter und „schmutziger“ Verbrenner und Ersatz durch Euro-6-Verbrenner, vor allem aber durch ein Drittel mehr Elektrofahrzeuge an den Neuzulassungen.
Fakt ist: Die deutsche Pkw-Flotte in Summe ist also 2022 erheblich „grüner“ geworden. Dennoch meldet der Thinktank Agora Verkehrswende, dass gerade im Verkehrssektor der CO2-Ausstoß erheblich gewachsen ist und lediglich der Verkehr sein Klimaziel deutlich gerissen hat.
Wie kann das sein? Des Rätsels Lösung liegt in der Befeuerung der Elektroautos mit „schmutzigem“ Kohlestrom, weil nachhaltig erzeugter „sauberer“ Strom in Deutschland nicht zur Verfügung steht. Die politisch angestrebte Klimarettung durch Ersatz von Verbrenner durch Elektroautos bewirkt genau das Gegenteil. Der Anteil von Elektroautos ist zwar 2022 gestiegen, die sektoriellen CO2-Emissionen sind aber nicht zurückgegangen – im Gegenteil. Sie haben im Verkehrssektor zugenommen, eben weil Benzin- und Diesel-Pkw durch Elektroautos ersetzt wurden. Und diese Elektroautos nachweislich und von der Wissenschaft vielfach belegt alle mit „schmutzigem“ Kohlestrom betrieben werden mussten, weil grüner Strom fehlt.
Die Kohleverstromung hat 2022 aus bekannten Gründen erheblich zulegen müssen. Und wird in Zukunft auch wegen der wachsenden Elektro-Pkw-Flotte der Tendenz nach wachsen, statt zu sinken.
Für die Zukunft bis 2030 verheißt das nichts Gutes: Je schneller der Bestand an E-Autos wächst, desto stärker auch der Anstieg der klimaschädlichen CO2-Emissionen des Verkehrssektors. Das bedeutet: je mehr E-Autos, desto schlimmer dort die Verletzung des Klimaziels! Ersatz alter Verbrenner durch neue Verbrenner bringt mehr als Ersatz durch Elektroautos.