Tichys Einblick
Twitter und Facebook

Plattformen, Politik und Zensur: Einblicke in eine Verschwörungspraxis

Durch Twitter-Files zeigt sich, in welchem Maß große Plattformen in der Corona-Zeit bestimmte Meinungen unterdrückten. Auch Facebook tat sich dabei hervor. Das belegen zumindest einzelne Fälle. Beispielsweise ein Verfahren des Autors gegen die Zuckerberg-Firma.

IMAGO / NurPhoto

Dafür, dass sich das Verfahren Alexander Wendt gegen Meta Platforms Ireland Ltd., also Facebook fast eineinhalb Jahre dahinschleppte, endete es dann doch etwas plötzlich. In den letzten Tagen des Jahres 2022 entschied sich Facebook, eine schon am 19. August 2021 ergangene einstweilige Verfügung des Landgerichts München anzuerkennen. Damit gab es dann am 29. Dezember ein Endurteil des Landgerichts München, das Facebook/Meta dazu verpflichtete, einen im August 2021 zensierten Post auf meinem Facebook-Konto wiederherzustellen, und das dem Unternehmen auch sämtliche Kosten des Verfahrens auferlegte.

Bei dem Prozess handelte es sich übrigens um Fall Nummer 55, den der Hamburger Anwalt Joachim Steinhöfel seit der Gründung der Initiative „Meinungsfreiheit im Netz“ gegen die Zensur öffentlicher Rede ausgefochten hatte. An diesem Expempel 55 gibt es gleich mehrere Aspekte, die über die eigentliche Auseinandersetzung hinausreichen, sowohl juristisch als auch politisch. Es ging um eine besonders bizarre Meinungsunterdrückung durch Facebook auf dem Gebiet von Covid-19, konkret, der Impfung, die gegen das Virus helfen sollte.

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Was war geschehen? Im Sommer 2021 erklärte der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, er werde seine Kinder nicht gegen Covid-19 impfen lassen. Er begründete diese Entscheidung detailliert; er und seine Frau seien geimpft und gehörten keiner Risikogruppe an. Das Erkrankungsrisiko seiner Kinder schätzte Palmer zutreffend als gering ein. Damit befand sich Palmer in bester Übereinstimmung mit der Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) und der Ständigen Impfkommission (STIKO). Die EMA hatte das Pfizer-BioNTech-Vakzin erst am 25. November 2021 für Kinder zwischen 5 und 11 Jahren zugelassen, den Moderna-Stoff sogar erst ab 3. März 2022. Die Stiko empfahl Impfungen für Kinder ab dem 9. Dezember 2021, allerdings mit einer wichtigen Einschränkung: Sie sollte nur an Kinder mit Vorerkrankungen oder an Minderjährige verabreicht werden, die mit Angehörigen einer Risikogruppe zusammenlebten.

Trotzdem kommentierte die Stuttgarter Zeitung Palmers öffentliche Äußerung am 6. August 2021 („Tübingens OB festigt seinen Ruf – Imagepflege à la Boris Palmer“) in einem giftelnden Duktus, nannte ihn „Populist von Tübingen“, ging aber auf kein einziges seiner Argumente ein. Auch nicht auf den Umstand, dass die Ständige Impfkommission in seinem Fall die Impfung seiner Kinder ausdrücklich nicht empfahl. Es handelte sich also um einen der vielen Medienproduktionen zum Thema Corona, in denen der Verfasser – hier eine Journalistin – ihre eigene moralische Haltung ausstellte, sich für Fakten gar nicht interessierte, und stattdessen ein Feindbild bearbeitete.

Palmer stellte einen Ausschnitt dieses Kommentars auf seine Facebook-Seite, und daneben eine Antwort, in der er darauf hinwies, dass die Redakteurin überhaupt nicht in der Sache argumentierte. Sieben Tage später verzeichnete diese doppelte Facebook-Veröffentlichung des Tübinger Bürgermeisters 1629 Likes, 462 Kommentare, es fanden sich außerdem 150 Nutzer, die sie teilten – darunter auch ich. Ausnahmsweise schrieb ich keine eigene Bemerkung dazu, weil ich meinte, die Gegenüberstellung – hier der übliche haltungseifernde Kommentar, dort die nüchterne Erwiderung – sich erstens selbst kommentierte, und zweitens musterhaft für die Art und Weise stand, wie große Teile der deutschen Medien mit dem Thema Corona umgingen.

Kurze Zeit später löschte Facebook den von Palmer übernommenen Post auf meiner Seite mit der Begründung, er enthalte „Fehlinformationen über COVID-19, die zu Gesundheitsschäden beitragen könnten“. Welche Schäden die Zensoren meinten, teilten sie nicht mit. Interessanterweise ging die Plattform nicht gegen die Originalveröffentlichung Palmers vor. Es ging den Facebook-Verantwortlichen augenscheinlich darum, ihre Verbreitung zumindest einzuschränken, indem sie den geteilten Post willkürlich hier und da wegzensierten.

 

Da Facebook auf meine Beschwerde nicht reagierte, beantragte Joachim Steinhöfel vor dem Landgericht München eine einstweilige Verfügung. Das Gericht untersagte Facebook am 19. August 2021 seine Zensurmaßnahme. Außerdem führten die Richter noch etwas Grundsätzliches aus; sie begründeten, warum sie in diesem Fall sofort einen Rechtsschutz erteilten, statt auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. In dem Beschluss heißt es:

„Es ist allgemein bekannt, dass es sich hierbei tatsächlich um ein hochaktuelles Thema handelt. Ebenso ist allgemein bekannt, dass derartige Debatten mit fortlaufender Zeit an Aktualität verlieren. Daraus ergibt sich allerdings tatsächlich, dass Rechtsschutz, wenn er erst im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens gewährt werden würde, wohl zu spät käme und zu einem irreparablen Schaden führen würde. Es ist allgemein bekannt, dass eine Meinungsäußerung, die erst Monate nach einer Diskussion zu einem aktuellen Thema geäußert wird, regelmäßig nicht mehr oder nur noch beiläufig zur Kenntnis genommen werden, weil bereits ein anderes Thema Gegenstand der allgemeinen Diskussion ist.“

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Das sehen bis jetzt einige deutsche Gerichte nicht so, die meinen, jemand könnte in einem solchen Fall ruhig ein paar Jahre auf das Urteil im Hauptverfahren warten. In der gesamten Auseinandersetzung erklärten die Facebook-Anwälte übrigens nicht, worin denn die Gesundheitsgefährdung durch den geteilten Palmer-Post gelegen habe. Insofern ähnelten die Advokaten der Plattform der Redakteurin der Stuttgarter Zeitung, die es ja auch für überflüssig hielt, irgendwie zur Sache zu argumentieren. Die einzige Fehlinformation in diesem Verfahren bestand in der ebenso abstrusen wie abstrakten Behauptung von Facebook, der Post sei für irgendjemanden gesundheitsgefährdend gewesen.

Damit endete die Auseinandersetzung Wendt vs. Meta allerdings noch nicht. Denn die andere Seite weigerte sich, die einstweilige Anordnung zu akzeptieren. Und erstaunlicherweise auch, die angefallenen Gerichtskosten zu begleichen. Das Münchner Gericht hatte unter anderem auch erwähnt, wegen eines möglicherweise fälligen Zwangsgeldes könne der Staat natürlich nicht eine Ldt. notfalls in Haft nehmen, allerdings durchaus einen ihrer Vertreter. Vielleicht, dachte ich, ließe sich das auch für die Gerichtskosten anwenden. In Stadelheim saß immerhin schon ein Audi-Vorstand – warum nicht auch Mark Zuckerberg, falls er wieder einmal nach Deutschland reist?

Das Problem löste sich dann viel einfacher; Joachim Steinhöfel beantragte, da es etwas Mühe kostet, von der Meta Platforms Ireland Ltd. Geld einzutreiben, einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen einen sogenannten Drittschuldner, also einen deutschen Geschäftspartner, der dort regelmäßig Werbung schaltet, in diesem Fall die SPD. Dieser Pfändungsbeschluss wurde dann am 19. August 2022 erlassen, also fast ein Jahr nach dem ursprünglichen Verfahren. Danach ging das Geld von Facebook ziemlich zügig ein. Blieb noch die Anerkennung des Urteils. Um die durchzusetzen, reichten wir im Dezember 2021 Klage ein. Diese Sache zog sich etwas in die Länge. Es gab einen Termin im Oktober, der aber aus organisatorischen Gründen nicht stattfinden konnte. Die Hauptverhandlung hätte sich also ins Jahr 2023 verschoben, wenn Facebook dann nicht doch, wie erwähnt, kurz vor Silvester ’22 endgültig eingeknickt wäre.

In der Auseinandersetzung mit Facebook ging es um etwas mehr als nur die individuelle Meinungsfreiheit in einem speziellen Fall. Sie erlaubte einen winzigen Einblick in die generelle Praxis der großen Plattformen, während der Covid-Pandemie die öffentliche Debatte dadurch zu lenken, dass die Aufpasser bestimmte Äußerungen löschten oder in ihrer Sichtbarkeit einschränkten, und bestimmte andere frei fließen ließ. Und das nicht nur beim Thema Covid und Impfung. Aber dort in einem sehr umfangreichen Ausmaß, und vor allem im Gleichtakt mit staatlichen Stellen, immer mit der Begründung, es müssten im öffentlichen Interesse dringend „Fake News“ unterdrückt werden. Zweifellos gab und gibt es im Zusammenhang mit Covid und auch sonst Falschbehauptungen. Nur galten die Zensureingriffe in die öffentliche Debatte bestenfalls sporadisch echten Unwahrheiten und Erfindungen. Die Löschung des völlig sachlichen und zutreffenden Posts von Palmer stellt noch nicht einmal den Gipfel der Absurdität dar.

Aufklärung in eigener Sache
Twitter und Co zensierten Corona-Kritiker auf Druck der Regierung
Im September 2022 teilte der Journalist Henning Rosenbusch auf Facebook einen Artikel, der darüber berichtete, dass US-Präsident Joseph Biden offiziell das „Ende der Pandemie“ in den Vereinigten Staaten verkündet hatte. Facebook löschte Rosenbuschs Post, der eigentlich nur in dem Link zu dem Bericht über Bidens Statement bestand. (Immerhin reagierte die Plattform auf seinen Protest, und schaltete den Post später wieder frei). Dass amerikanische Regierungsstellen darauf gedrungen hätten, eine Meinungsäußerung des Präsidenten zu unterdrücken, lässt sich wohl ausschließen. Aber Bidens Erklärung widersprach zumindest der deutschen Doktrin, nach der die Pandemie immer noch anhielt – obwohl der Rest Europas das längst anders sieht. Wie stark Facebook und andere Plattformen sich der Sprachregelung der jeweiligen Regierungen unterwarfen und nach bestimmten Vorgaben löschten und behinderten – beispielsweise lange Zeit offenbar alles, was irgendwie einen kritischen Schatten auf die Covid-Impfung hätte werfen können –, lässt sich bis jetzt zwar ahnen, aber noch nicht systematisch nachweisen.

Dafür steht fest, dass auf Facebook und Twitter offizielle Fake News zum Thema völlig ungehindert flossen. Beispielsweise die Behauptung des deutschen Gesundheitsministers Karl Lauterbach, die Corona-Impfung sei „nebenwirkungsfrei“. Die gesamte „Zero Covid“-Propaganda, deren Protagonisten behaupteten, das Virus ließe sich mit einer völligen Stilllegung des öffentlichen Lebens unter rigider staatlicher Kontrolle gewissermaßen austrocknen, erlebte nie eine Löschung oder einen Shadowban bei Facebook und Twitter. Welchen länderspezifischen Vorgaben Facebook folgte, lässt sich nur anhand von vielen Einzelbeispielen ahnen.

Immerhin liefern die sogenannten Twitter-Files – unternehmensinterne Unterlagen, die Elon Musk mit der Übernahme der Plattform 2022 gewissermaßen erbeutete und nach und nach veröffentlichte – zumindest für den Kurznachrichtendienst ein detailliertes Bild, in welchem Ausmaß US-Behörden und einzelne einflussreiche Politiker mitbestimmten, was die Öffentlichkeit sehen sollte – und vor allem: was nicht. Offenliegende Facebook-Files gibt es bisher nicht. Aber nichts spricht dafür, dass es dort nicht mindestens die gleichen Eingriffe gab wie bei Twitter. Der passende Ausdruck für die Meinungssteuerung auf den Plattformen lautet: Verschwörungspraxis.

Die Twitter-Files und die öffentlich-schweigsamen Medien
Dieser Text kann nicht die gesamten Twitter-Files ausbreiten. Ihr schierer Umfang erweist sich auf paradoxe Weise als nützlich für alle, die nicht wünschen, dass sich die Öffentlichkeit damit befasst. Denn die Masse der Dokumente ließe sich eigentlich nur in Buchform ausbreiten. Und selbst dort bräuchte es eine große Konzentrationsfähigkeit für eine Gesamtdarstellung – erst einmal beim Autor, dann aber auch auf Seite der Leser. In diesem Beitrag kann es deshalb nur um einige Details der Meinungslenkung gehen. Der Grad der Eingriffe übertrifft selbst pessimistische Vorstellungen von Plattformnutzern, die schon wussten, dass es beispielsweise die Praxis des Shadowban gab – obwohl sie von Facebook nicht zugegeben und von der früheren Twitter-Führung sogar explizit geleugnet wurde.

Schon sehr früh, im Februar 2020 verfasste das „Global Engagement Center“ – eine Abteilung des US-Außenministeriums – einen Bericht mit dem Titel „Russian Disinformation Apparatus Taking Advantage of Coronavirus Concerns“, den sie an verschiedene Medien verschickte. Es gab tatsächlich (nicht besonders erfolgreiche) Versuche aus Russland, die öffentliche Meinung in den USA zu beeinflussen, und zwar zu allen möglichen Themen. Die Verknüpfung der Themen „Desinformation“, „russischer Einfluss“ und Corona öffnete den Weg, mit regierungsamtlichem Segen bestimmte Personen und Positionen in sozialen Netzwerken auf eine schwarze Liste zu befördern. Wohlgemerkt: Es gab dazu keinen gesetzlichen Druck. Aber Regierungsstellen wie das FBI und andere gaben Empfehlungen ab – und die Plattformbetreiber folgten.

Dabei zeigte sich ein bestimmtes Muster: Unter die Restriktionspolitik fielen beispielsweise Wissenschaftler, die vor einer staatlichen Überreaktion gegen das Corona-Virus warnten, etwa die Unterzeichner der „Great Barrington Deklaration“ wie Jay Bhattacharya, Professor in der School of Medicine in Stanford, und Martin Kulldorff, Epidemiologe der Harvard School of Medicine. Die Unterzeichner der „Great Barrington Declaration“ warnten etwa schon frühzeitig vor flächendeckenden Schulschließungen. Sie sagten korrekt voraus, dass diese Maßnahme im Kampf gegen die Infektionen wenig bringen, aber einen gewaltigen Schaden bei Kindern und Jugendlichen anrichten würde. Bhattacharya stieß erst 2021 zu Twitter. Dort sprach er sich gegen Covid-Massentests und Schulschließungen aus. Twitter ordnete ihn heimlich der Blacklist zu – das heißt, seine Tweets wurden anderen Nutzern deutlich weniger angezeigt, als es ohne diesen Eingriff der Fall gewesen wäre.

Dass diese schwarze Liste überhaupt existierte, und wessen Name sich darauf fand, erfuhr die Öffentlichkeit erst durch die Publikation der Twitter-Files. Ob in diesem Fall offizielle Stellen im Hintergrund darauf drängten, lässt sich bis jetzt nicht rekonstruieren. In anderen schon.

Die Aufforderung aus der Politik und Behörden, bestimmte Inhalte und Personen entweder durch reduzierte Sichtbarkeit auf den Plattformen zu behindern oder ganz zu sperren, betraf nicht nur Corona-Themen. Zu den besonderen Dokumenten in den Twitter-Files zählt ein Twitter-internes Schreiben vom 12. November 2020, in dem es um die Forderung des damaligen Geheimdienstausschuss-Chefs Adam Schiff ging, eine ganze Reihe von Journalisten und anderen Personen, die er für problematisch hielt, von der Plattform zu werfen. Schiff, seinerzeit einer der wichtigsten Politiker der Demokraten, zählte damals übrigens auch zu den prominentesten Verbreitern von Falschnachrichten in den Vereinigten Staaten. Kaum jemand erzählte die Geschichte von dem angeblichen russischen Einfluss auf Donald Trump so oft und hingebungsvoll – ein Narrativ, das erst 2022 endgültig zusammenbrach. Als Schiff damals Twitter seine persönliche schwarze Liste übermittelte, ging das selbst der damaligen links- und demokratenfreundlichen Unternehmensführung unter Jack Dorsey zu weit. Eine Mitarbeiterin notierte „not feasible“ und „we don’t do this“ – ’nicht machbar‘ und ’das tun wir nicht‘.

Das Twitterkonto des Journalisten Paul Sperry legte das Unternehmen allerdings trotzdem still.
Etliche amerikanische und auch deutsche Medien versäumten nicht den Hinweis – nachdem sie erst einmal versuchten, die Twitter-Files ganz zu ignorieren –, dass es die Eingriffe unter dem euphemistischen Arbeitstitel ’Content moderation‘ ja unter Trump gegeben habe. Nichtlinke, so der Subtext, sollten sich also nicht aufregen. Nur wären Eingriffe in die freie Rede genauso gravierend, wenn Trump sie persönlich angeordnet hätte.

Davon abgesehen handelt es sich bei dem amerikanischen Politiksystem nicht um eine Autokratie, in der ein Präsident in alle Verzweigungen des Staates durchregiert. Schiffs Schreiben an Twitter dokumentiert, dass auch einflussreiche Demokraten unter der Parole der Fake-News-Bekämpfung auf Plattformen einwirkten. Und Bundesbehörden handeln nicht immer auf Anweisung des Präsidenten. Sie führen, um es vorsichtig zu sagen, oft ein Eigenleben. Und das nicht erst unter Trump. Die Affäre um den Laptop von Hunter Biden und die Enthüllung darüber in der New York Post, die sich dann schnell zu einer Affäre von Twitter verwandelte, zeigte sogar sehr deutlich, wie Geheimdienstempfehlungen und der politische Drall von Plattformen und Medien einander ergänzten, in diesem Fall, um Joseph Bidens Wahlkampf gegen Trump zu stützen.

Mark Zuckerberg im Interview
Zuckerberg: Facebook zensierte Hunter-Biden-Affäre nach FBI-Initiative
Im Präsidentschaftswahlkampf 2020 schickte das FBI ein ganz allgemein gehaltenes Memorandum an Medien und die großen Plattformen wie Facebook und Twitter: „Nur damit Sie es wissen, Sie sollten in höchster Alarmbereitschaft sein, wir glauben, dass es eine Menge russischer Propaganda bei der Wahl 2016 gab. Wir haben bemerkt, dass es eine Art Dump geben wird, der dem ähnlich ist. Seien Sie also einfach wachsam.“ Kurz darauf veröffentlichte die New York Post Inhalte des Laptops von Bidens Sohn Hunter, die sowohl den Präsidentensohn als auch den Präsidentschaftsbewerber selbst in ein sehr ungünstiges Licht rückten. Es ging um Mails, die Hunter Bidens berufliche Tätigkeit für den ukrainischen Gaskonzern Burisma dokumentiert, für die er mit einem reichlichen Salär für eine nicht näher spezifizierte Beratertätigkeit entlohnt worden war. Joseph Biden diente als Barack Obamas Vize unter anderem auch als dessen Sondergesandter für die Ukraine.

Die Geschichte, wie Hunter Bidens Computer in fremde Hände geriet, klingt zugegebenermaßen so konstruiert und gleichzeitig simpel, dass sie wahrscheinlich aus jedem Filmskript geflogen wäre: Der Sohn des früheren Vizepräsidenten hatte seinen Laptop zur Reparatur gegeben, aber nicht wieder abgeholt. Nach einigen Monaten ließ der Besitzer des Serviceunternehmens das Gerät versteigern. Und der neue Eigentümer fand auf der Festplatte das interessante Material. Bei den späteren Ermittlungen stellte sich heraus, dass sich die Geschichte tatsächlich so zutrug. Sie wirkt auch nicht unwahrscheinlich; Hunter Biden kämpfte in der Vergangenheit mit schweren Drogenproblemen, zu denen auch der Konsum von Crack gehörte. Der Stoff kann zu schweren Gedächtnisausfällen führen, die manchmal auch nach dem Entzug andauern. Gut möglich also, dass er seinen Rechner einfach vergessen hatte.

Die New York Post veröffentlichte die Geschichte der Hunter-Biden-Mails mitten im Präsidentschaftswahlkampf 2020. Praktisch alle links stehenden Medien behaupteten damals unisono, es müsse sich um von Russland lanciertes Material handeln. Twitter ging noch einen entscheidenden Schritt weiter. Die Plattform verhinderte, dass Nutzer den Link zu dem NYP-Artikel posten konnten. Und noch ein wenig mehr: Twitter unterband sogar die Möglichkeit, dass ein Nutzer einem anderen den Link in einer privaten Nachricht zuschickte.

Bei der New York Post handelte es sich immerhin um die viertgrößte Zeitung der Vereinigten Staaten. Und bei dem Twitter-Eingriff um den ersten Akt einer Plattform, der darauf zielte, eine bestimmte Nachricht vollständig zu zensieren. Später räumte auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg in der Sendung von Joe Rogan ein, seine Plattform habe die Sichtbarkeit des NYP-Artikels „bedeutend“ eingeschränkt – wenn auch nicht völlig unterdrückt wie Twitter. Twitter begründete die Zensur damals mit einer internen Regel, die die Publikation von gehacktem Material verbot. Tatsächlich, das stellte sich später im Zuge der Ermittlungen heraus, handelte es nicht nicht nur nicht um gehacktes Material. Die NYP-Geschichte erwies sich auch als völlig korrekt. Es gab nur einen Grund für ihre Verbannung und Unterdrückung: Sie kam damals den wahlkämpfenden Demokraten sehr ungelegen.

Aufklärung
Twitters Sperre gegen Donald Trump war linke Willkür
Auch in diesem Fall gab es natürlich keinen echten Druck von Regierungsstellen, den Artikel ganz zu unterdrücken oder zumindest in seiner Sichtbarkeit einzuschränken – aber Empfehlungen und Bekräftigungen. Erst die Twitter-Übernahme durch Musk störte das System des stillen Einverständnisses von offiziellen Stellen und großen meinungsbildenden Plattformen unter Ausschluss der Öffentlichkeit nachhaltig. Aus den Twitter-Files lässt sich nachvollziehen, dass die Plattform sich bemühte, nicht nur in den USA, sondern auch in anderen Ländern den jeweiligen Erwartungen zu entsprechen, was ihnen nicht schwerfiel, da sie sich ohnehin weitgehend mit den Überzeugungen derjenigen deckte, die in den sozialen Medien darüber bestimmten, was in welchem Maß gelesen werden sollte.

Es spricht alles dafür, dass auch Facebook dieser Praxis folgte. Das würde erklären, warum die Plattform in Deutschland bis zur Grenze der Absurdität und darüber hinaus Meinungsäußerungen einschränkte, die in irgendeiner Form nicht der staatlichen Impfpropaganda entsprachen. Und sich dann sogar noch, wie oben beschrieben, auf langwierige Auseinandersetzung vor Gericht einließ, um die Löschung eines inhaltlich absolut korrekten Posts mit bizarren Schriftsätzen zu rechtfertigen.

Nach der Veröffentlichung der Twitter-Files reagierten sehr viele Medien in den USA mit einer Schockstarre, um dann die Argumentationsmaschine anzuwerfen: Das Material sei überschätzt, gar nicht so wichtig und außerdem eine Ablenkungsstrategie von Musk, wovon auch immer. Die deutschen öffentlich-rechtlichen Medien übertrafen sich in diesem Fall selbst. Sie schwiegen noch länger als ihre Kollegen in den USA, um die Sache dann den bewährten ARD-Faktencheckern zu übergeben (die übrigens im September 2022 auch genau wussten, dass es keine größeren Unregelmäßigkeiten bei der Berlin-Wahl gegeben habe). Die ARD-Narrativspezialisten wiederum holten sich eine auf Twitter aktive Expertin heran, deren Expertentum vor allem darin bestätigt, die dringend gesuchte passende Erklärung zu liefern. Sie bestand in einer bemerkenswerte Volte: Dass Geheimdienste mit Plattformen zusammenarbeiten und auf die öffentliche Meinungsbildung einwirken würden, erklärte sie, das habe man doch immer gewusst. Das könne also niemanden überraschen. Also: “Gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen.“

Screenprint: Tagesschau

Ein grundsätzlicher Merksatz aus alldem lautet: Ein Skandal beginnt meist erst, wenn die ARD ihn für beendet erklärt. Wenn es zu einer Aufarbeitung der Corona-Ära kommt – und sie wird mit jedem Tag nötiger –, dann muss es auch um die Rolle der großen Plattformen wie Facebook und Twitter gehen. Und um das Verhalten der sonstigen Medien. Dass es demnächst auch Facebook-Files gibt, steht nicht zu erwarten. Aber die staatliche Seite der Beeinflussung lässt sich aufklären: mit Klagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz, aber auch durch Hinweisgeber aus den staatlichen Stellen.

Also pfeift, Whistleblower. Kopiert Unterlagen. Steckt durch. Kündigt Dienstherren die Loyalität, die keine Loyalität verdienen. Es wird vielleicht nicht alles herauskommen. Aber sehr, sehr vieles.

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