Tichys Einblick
Die „Killerspiele“-Debatte ist zurück

RND-Journalistin macht Videospiele für Silvesterkrawalle mitverantwortlich

Die stellvertretende RND-Chefredakteurin Eva Quadbeck hat im Presseclub eine kuriose Erklärung für die von Migranten angezettelten Silvesterkrawalle: Die Videospiele sind schuld!

IMAGO / teutopress

Bekanntlich hat der Versuch, die Silvesterkrawalle richtig einzuordnen, bereits zahlreiche journalistische Blüten hervorgebracht. Der Tagesspiegel etwa hatte behauptet, die „hohen Temperaturen“ an Silvester hätten die Randale „begünstigt“.

Eva Quadbeck vom Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) ging im gestrigen Presseclub auf Phoenix aber noch einen Schritt weiter. Sie fledderte vor dem Fernsehpublikum eine seit den 2000ern beerdigte Debattenleiche und zerrte sie zurück auf den Diskurstisch der Bundesrepublik: Eine Erklärung für die Gewalt seien Videospiele.

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Plötzlich ist die „Killerspiele“-Debatte wieder da! Wir hatten sie eigentlich nie vermisst. Insbesondere nicht, weil selbst bei Amokläufen das Klischee nicht mehr aus der Mottenkiste hervorgeholt wird und kaum noch ein Hirnforscher in die Kamera seufzen will. Mit Quadbeck zieht dagegen fast schon heimelige Bonner-Republik-Atmosphäre auf, als Videospiele keine allgegenwärtige Freizeitbeschäftigung, sondern das exotische Hobby von Strebern, Einzelgängern und Freaks im Hobbykeller waren.

„Man darf nicht außer Acht lassen, welche Videospiele gespielt werden. Und mit welchem Realismus dort Menschen sich gegenseitig abschlachten“, sagt Quadbeck. „Und ohne mit der Wimper zu zucken sitzen eben vor allen Dingen junge Männer vor diesen Spielen und morden und jagen andere; und dass da auch dann teilweise nicht mehr die Realität gesehen wird, wenn man auf der Straße steht, und dann wahlweise gegen Polizisten oder gegen Rettungskräfte vorgeht, das kann zumindest auch eine Erklärung sein.“

Man hätte erwartet, dass vielleicht ein mittelalter Abgeordneter der Union aus einem Provinznest diese Argumentation ausgegraben hätte, um in den späten 1990ern die Verrohung der Jugend auf dem Land zu geißeln. Es handelt sich dagegen um die Vertreterin eines Mediums, das bekannt für seine SPD-Nähe ist und demnach handfestes Interesse hat, nicht nur die spezifische Causa, sondern die dahinterstehenden Gründe zu negieren.

Zumindest ist das zu hoffen. Denn sonst hieße das, dass die stellvertretende Chefredakteurin des RND eine völlig belanglose Sündenbock-Debatte ausgräbt, die höchstens zur Belustigung des Fernsehzuschauers dient. Was bleibt: ein weiteres Fragment des Mosaiks, demnach den muffigen Provinz-CDUler längst der Typus des linken Spießers abgelöst hat. Die Lageanalyse, die einmal das ureigene Terrain der Linken war, ist zu mühselig geworden – und zu unangenehm, wenn die Kartenhäuser der politischen Idoelogie vor den eigenen Augen zusammenfallen.

Stattdessen sind es das Wetter, die Videospiele, vielleicht auch bald schlicht „die Jugend von heute“, die an den Umständen schuld sind. Die Verteidigung des Status quo erfolgte noch nie mit solcher Denkfaulheit und gleichzeitiger Überzeugung, man würde derlei für bare Münze nehmen. Obacht also, wenn Sie nächstes Mal zum Ego-Shooter greifen: Sie könnten gemäß der Logik führender Journalisten in Deutschland deshalb bald dazu verleitet werden, Steine in einen Krankenwagen zu werfen.

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