Tichys Einblick
Finanzierung der Krankenhäuser

Lauterbachs „Revolution“ droht ein Scheitern an den Ländern

Karl Lauterbach (SPD) möchte die Finanzen der Krankenhäuser neu aufstellen. Doch er ist gar nicht der entscheidende Player. Es sind die Länder, die Kliniken haben ausbluten lassen – sie müssten das nötige Geld bereitstellen.

IMAGO / Emmanuele Contini

Eine Revolution hat Karl Lauterbach (SPD) für diesen Winter angekündigt. Doch nach dem Treffen mit den Gesundheitsministern der Länder ist die Revolution erst einmal verschoben. Der so groß angekündigte Gesetzesentwurf zur Finanzierung der Krankenhäuser soll nun im August vorliegen. Doch indem er den Termin verschoben hat, hat der Bundesminister das größte Problem eigentlich nur übertüncht: Die Länder sind es, die ihre Krankenhäuser haben ausbluten lassen. Will Lauterbach die Finanzierung umbauen, ist er auf die Länder angewiesen.

Die Finanzierung eines Krankenhauses beruht auf zwei Säulen: Den laufenden Betrieb bezahlen die Kassen mit dem Geld, das sie für die Behandlung ihrer Versicherten überweisen. Den Bau und die Sanierung der Gebäude sowie die Kosten für Investitionen bezahlen die Länder. Die Krankenkassen haben in den vergangenen Jahren immer mehr Geld an Kliniken überwiesen. Im Jahr 2020 waren es 81,5 Milliarden Euro, wie aus einer Statistik der Innungskrankenkasse (IKK) hervorgeht. Im gleichen Jahr haben die Länder demnach gerade mal 3,3 Milliarden Euro in die Krankenhäuser investiert. Seit 1991 haben die Länder ihre Investitionen in Krankenhäuser um 44,4 Prozent zurückgefahren.

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Vor allem die Länder im Osten haben ihre Ausgaben in Kliniken reduziert: Sachsen-Anhalt hat zuletzt 80,5 Prozent weniger in Krankenhäuser investiert als noch 1991. In Berlin waren es 77,9 Prozent, in Sachsen 74,8 Prozent oder in Mecklenburg-Vorpommern 73,6 Prozent. Doch dieser Effekt verzerrt das Bild ein wenig. Denn die ostdeutschen Bundesländer haben die Schließungswelle in Kliniken bereits hinter sich, die Experten für die westdeutschen Bundesländer noch erwarten.

Im Westen haben gerade mal Hessen und Schleswig-Holstein ihre Investitionen in Krankenhäuser seit 1991 leicht erhöht. Die anderen sparen ebenfalls an den Kliniken. So gibt das Saarland 49,2 Prozent weniger aus als 1991 – in Rheinland-Pfalz sind es 41,7 Prozent weniger und in Bayern 40,1 Prozent. Diese Sparsamkeit hat Folgen für die Patienten: Die Kassen zahlen zwar für die Pflege ihrer Versicherten, doch die Kliniken müssen davon etwas abknapsen, um die Verwaltung zu digitalisieren, Operationssäle zu modernisieren oder schlicht um das Loch im Dach zu reparieren. „Dass sich dies langfristig negativ auf die Versorgung der Patienten und Versicherten auswirkt, ist allgemein bekannt“, sagt Jürgen Hohnl, Geschäftsführer des IKK-Verbandes. Daher müsse es „schleunigst“ ein neues Finanzierungskonzept geben.

Auch Lauterbach rechnet mit einer Schließungswelle. Zumindest im Westen. Sein Konzept sieht eine Ausdünnung des Angebotes auch vor: Schwierige und teure Behandlungen soll es nur noch in den Kliniken der großen Städten geben. Dem flachen Land bleiben abgespeckte Krankenhäuser dritter Klasse, die dann auch mal von einem Pfleger statt von einem Arzt geleitet werden können. Welche Klinik was anbieten darf, will Lauterbach zentral steuern. Das ärgert wiederum den Dachverband der Gesetzlichen Krankenversicherung. Bisher haben die verschiedenen Vertreter des Gesundheitswesen wie Ärzte, Kassen oder Kliniken dies in Selbstverwaltung geregelt.

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Lauterbachs Revolution soll darin bestehen, dass er Gewinnstreben aus dem Gesundheitswesen verbannen will. Bisher wurden Krankenhäuser nach Fallpauschalen bezahlt. Das heißt: Sie haben für jede tatsächliche Behandlung eine festgelegte Summe erhalten. Unabhängig davon, ob der konkrete Einzelfall kompliziert oder einfach verlaufen ist. Das hat dazu geführt, dass lukrative Operationen häufiger durchgeführt wurden als in anderen Ländern. Etwa Knie-Operationen. Während weniger lukrative Bereiche wie die Kinderkliniken in die Notlage geraten sind, die im Dezember öffentlich bekannt wurde.

Eigentlich wollte Lauterbach die Fallpauschalen gänzlich fallen lassen. Stattdessen sollten die Krankenhäuser ihr Geld nur noch dafür erhalten, dass sie Leistungen anbieten, unabhängig davon, wie oft die abgerufen werden. Doch seine Experten haben den Minister ausgebremst. Sie haben ein Modell entwickelt, nachdem die Kliniken nun jeweils zwischen 40 und 60 Prozent ihres Geldes dafür erhalten, dass sie Leistungen grundsätzlich anbieten und dafür, dass sie Behandlungen tatsächlich durchführen. Ein bisschen Gewinnstreben brauche es halt doch, hieß es im Dezember aus der Kommission. Hätten die Krankenhäuser ihr Geld ausschließlich dafür bekommen, dass sie da sind, wäre das Krankenhaus wirtschaftlich am erfolgreichsten gewesen, das einfach gar keinen Patienten mehr behandelt.
Grundsätzlich hat Lauterbach Lob für sein Modell bekommen. Doch Experten wie IKK-Geschäftsführer Jürgen Hohnl sagen: „Wir befürchten, dass die nun vorgeschlagene Finanzierung von Vorhaltekosten dazu führen wird, dass sich die Länder noch weiter zurückziehen.“ Sprich: Wenn Lauterbach die Krankenhäuser zentral organisieren will, dann könnten die Länder noch weniger bereit sein, für diese Krankenhäuser zu bezahlen. Ohne deren Geld würde aus Lauterbachs „Revolution“ schnell eine Mangelverwaltung werden.

„Aus diesem Grund wäre es besser, die Vorhaltekosten als Teil der Daseinsvorsorge zu sehen und aus Steuermitteln zu finanzieren. Damit erhielten die Krankenhäuser wieder verstärkt Planungs- und Investitionssicherheit“, sagt Hohnl. Durch die Fallpauschalen benachteiligte Bereiche wie die Kindermedizin würden mehr Geld erhalten, die Kliniken könnten in ihre Modernisierung investieren und vermeidbare Operationen würden sich nicht mehr lohnen, wegfallen und somit würden Ressourcen eingespart.

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