Tichys Einblick
Lambsdorff

Politische Verlegenheitslösung für Botschafter-Posten in Moskau

Der umstrittene FDP-Politiker Alexander Lambsdorff wird Botschafter in Moskau. Damit hat sich die FDP in der Koalition durchgesetzt. Dabei gilt Lambsdorff zwar als Träger eines großen FDP-Namens, allerdings ohne die notwendige Qualifikation für den derzeit schwierigsten Botschafter-Posten mitzubringen.

IMAGO / Metodi Popow

Nach übereinstimmenden Pressemeldungen, die von der Bundesregierung bestätigt wurden, soll der FDP-Politiker Alexander Lambsdorff (56) ab Sommer 2023 deutscher Botschafter in Moskau werden. Seit 2019 hat Géza Andreas von Geyr (60) dieses Amt inne. Dass Lambsdorff Botschafter in Moskau wird, gilt als Überraschung. Denn bis zuletzt war spekuliert worden, dass er Botschafter in Washington werden könnte. Letzteres soll nun der Staatssekretär im Auswärtigen Amt und frühere Botschafter in London Andreas Michaelis werden.

Lambsdorff ist übrigens Neffe des legendären Otto Graf Lambsdorff (1926 – 2009), der von 1977 bis 1982 sowie nach dem von ihm maßgeblich herbeigeführten Bruch der SDP/FDP-Koalition von 1982 bis1984 Bundeswirtschaftsminister und von 1988 bis 1992 Bundesvorsitzender der FDP war.

Alexander Lambsdorff
Intrigen, Eigennutz und politische Orientierungslosigkeit eines Liberalen mit großem Namen
Zurück zum „jungen“ Lambsdorff: Er ist früh in den diplomatischen Dienst eingestiegen, unter anderem war er im Planungsstab des Auswärtigen Amts und im Pressestab der Deutschen Botschaft in Washington tätig. Von 2003 bis 2004 war er im Auswärtigen Amt Länderreferent für Russland. Von 2004 bis 2017 saß er als Abgeordneter im Europäischen Parlament, von 2014 bis 2017 als dessen Vizepräsident. Seit 2017 ist er Mitglied im Bundestag. Derzeit fungiert er als einer der Stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion.

Lambsdorff spricht, wie bei Diplomaten üblich und notwendig, fließend Englisch und Französisch. Ob sein Russisch ebenfalls fließend ist, wird bezweifelt. Aber über Grundkenntnisse verfügt er jedenfalls.

Was Lambsdorffs Einschätzung der aktuellen russischen Politik betrifft, ist er kein unbeschriebenes Blatt. Regelmäßig hat er Putins Angriffskrieg verurteilt und für eine massive militärische Unterstützung der Ukraine, auch für deutsche Panzerlieferungen dorthin, plädiert. Deswegen wird er im Sommer 2023 in Moskau nicht mit offenen Armen empfangen werden. Aber wer weiß, wie die Lage dann sein wird? Lambsdorff wird aber auch keine eigene Außenpolitik machen können, sondern eben nur „Bote“ zwischen Moskau und Berlin und umgekehrt sein können. Allerdings wird Außenamtschefin Baerbock in Lambsdorff keinen bloßen subalternen Moskauer Lautsprecher haben. Wahrscheinlich war es auch Baerbock, die mit der Zustimmung zur Entsendung Lambsdorffs über einen besonders großen Schatten springen musste.

Leerstelle Opposition
Marginalisierung first, Versenken second
Andererseits dürfte Lambsdorffs Entsendung als Botschafter nach Moskau auch ein Stück Kitt in der „Ampel“ sein. Die FDP musste mal wieder eine Trophäe vorweisen, und sei es nur eine personalpolitische. Was FDP-Parteichef Lindner bewogen haben mag, diesen Deal mitzumachen? Ganz von der Hand zu weisen wird allerdings die Vermutung nicht sein, dass Lindner einen innerparteilichen Konkurrenten entsorgt haben wollte. Denn so unangefochten, wie sich Lindner gibt, ist er in seiner Partei schon lange nicht mehr. Seine Partei könnte nach möglichen erneuten Wahlschlappen bei den Wahlen des Jahres 2023 (Berlin, Hessen, Bayern, Bremen) die Frage stellen, ob Lindner der richtige Mann an der Spitze der FDP ist. Der Name Lambsdorff wäre hier durchaus ins Gespräch gekommen.

Wie auch immer: Die Besetzung des Botschafterpostens in Moskau mag man als Signal gegenüber Putin verstehen. Es ist nicht mehr und nicht weniger. Putin wird sich davon nicht beeindrucken lassen. Freilich hätte es auch nur wenig schlechtere Besetzungen gegeben, etwa die Besetzung mit dem vormaligen Außenminister und Soeben-Nicht-Mehr-MdB Heiko Maas.

TE-Leser, die etwas mehr über den Charakter und das Taktieren des Botschafters in spe erfahren wollen, mögen folgende TE-Seite vom 13. Juli 2020 besuchen:

Anzeige
Die mobile Version verlassen