Tichys Einblick
Nationalmannschaft und mehr

Stehen die Menschen nicht hinter dem Land, dann fällt das Land

Fußballer beklagen die fehlende Unterstützung für die Nationalmannschaft. Deren Schicksal zeigt: Ist ein Land so gespalten wie Deutschland, geht das selbst für Privilegierte nur eine Weile gut. Auf den ersten Blick scheinen diese nicht auf die Menschen angewiesen zu sein. Sie sind es aber.

Fans der Fußball-Nationalmannschaft vor der Weltmeisterschaft im eigenen Land, 02.06.2006

IMAGO / Chai v.d. Laage

Die Top-Spieler der Bundesliga haben bis zu ihrem 25. Geburtstag hundert bis fünfhundert mal so viel Geld verdient wie ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in einem Jahr. Manche sogar noch mehr. Gehen sie vernünftig mit ihrem Geld um, haben sie nach ihrem Karriereende niemanden mehr nötig. Sie können es sich folglich erlauben, abgehoben zu sein.

Das war in früheren Zeiten anders. Fritz Walter, Uwe Seeler, Franz Beckenbauer oder Günter Netzer verdienten zwar bereits gutes Geld. Doch der Fußball spuckte seinerzeit noch nicht die Wahnsinnsbeträge aus wie heute. Deshalb waren die Spieler auch auf ihre Popularität angewiesen: Als Vertreter, Werbefigur für Tütensuppen oder Tankstellen-Besitzer pressten sie noch ein paar Groschen zusätzlich aus ihrem Ruhm. Diese Zeiten sind vorbei. Kein aktueller Spieler der Nationalmannschaft hätte es mehr nötig, für ein paar Mark mehr „Gute Freunde kann niemand trennen“ zu trällern. Es sei denn, er hätte in irgendeinem Rausch Spaß daran.

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Manche mögen an den letzten Sätzen hängengeblieben sein und sich fragen: Die heißen doch nicht mehr Nationalmannschaft, die haben das doch geändert in „Die Mannschaft“? Das stimmt. Aber nur teilweise. Ja. Der DFB hat 2015 unter Federführung von Oliver Bierhoff das „National…“ abgestreift. Damit brachte der deutsche Fußball seine Diversität zum Ausdruck, seine Internationalität. Der DFB zeigte Haltung. Allerdings stellte sich heraus, dass das weniger Geld einbringt – also nahm der Fußballbund in diesem Sommer seine Entscheidung zurück. „Auswertungen früherer und aktueller repräsentativer Umfragen sowie ausgewählten Expert*innen-Interviews“ hätten ergeben, dass sich Haltung an der Stelle nicht zu Geld machen lässt. Also verzichtet der DFB seit August drauf.

Nur 24 Prozent aller im Juli von Forsa für RTL Befragten wollen den Namen „Die Mannschaft“ beibehalten. International sei der Name zwar beliebt gewesen, argumentierte der DFB im Sommer, aber national halt „umstritten“. Und so international die Haltung des Fußballbundes auch sein mag. Das Werbegeld verdient der DFB immer noch im eigenen Land. Also heißt „Die Mannschaft“ seit diesem August offiziell wieder „Die Nationalmannschaft“. Auch wenn die Um-Umbenennung in der geneigten deutschen Presse auf deutlich weniger Gegenliebe stieß – was folglich die Berichterstattung deutlich schmallippiger ausfielen ließ.

Nun sind die Spieler der Nationalmannschaft nicht auf deren Popularität angewiesen. Sie verdienen ihr Geld im wesentlichen in den Vereinen. Die Nationalelf ist da nur ein Zubrot – oder vielmehr ein mit Gold überzogenes Zusteak. Deswegen könnte es ihnen eigentlich egal sein, wie schlecht der Ruf des Teams ist. Oder mit wie viel Häme statt Unterstützung die Fans das Scheitern der Nationalkicker in Katar begleitet haben. Manche wie Chef-Haltungszeiger Manuel Neuer sind danach entsprechend einfach in Urlaub gefahren und haben ihre Restkarriere in den Tiefschnee geworfen.

Es ist daher kein Zufall, dass ausgerechnet Niclas Füllkrug sich öffentlich äußerte, die fehlende Unterstützung habe ihm schon wehgetan. Der Bremer war der einzige deutsche Lichtblick während der verpatzten Weltmeisterschaft – nicht nur wegen seiner Treffer und Vorlagen. Füllkrug war einer der wenigen, denen die Fans abkauften, dass er mit Herz und Leidenschaft in Katar dabei war.

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Das mag an Füllkrugs Weg liegen: Länger, krummer, weniger gut bezahlt als der seiner Kollegen in der Nationalmannschaft. Als er dort debutiert, ist der Bremer fast schon 30 Jahre alt. Seine Karriere beginnt bei Werder. Dort kann er sich aber erstmal nicht durchsetzen, der Verein schiebt ihn als Leihgabe in die zweite Liga ab zur Spielvereinigung Greuther Fürth. Immer wieder zweite Liga, immer wieder Knieverletzungen bremsen den Stürmer aus. Bis er zu seinem Stammverein zurückkehrt und in der ersten Hälfte dieser Saison plötzlich zum Rekordschützen in der Bundesliga wird. Unter den deutschen Stürmern. In einer Liga, in der kaum noch deutsche Spieler auf dieser Position eingesetzt werden.

„Es ist schon erschreckend, wie viel Missgunst der Nationalmannschaft von der Öffentlichkeit in Deutschland entgegengebracht wurde – nach dem Japan-Spiel und später nach dem Vorrunden-Aus. Das finde ich extrem schade“, sagte Füllkrug gegenüber Sport Bild. Dem Fanliebling nahm die Öffentlichkeit diese Aussage nicht krumm. Die Fans glaubten ihm, dass die Auftritte in Katar „Herzrasen“ bei ihm ausgelöst hätten. Doch eine Frage Füllkrugs blieb ihm Raum stehen: Er wisse nicht, warum „der Nationalmannschaft teilweise eher der Misserfolg statt der Erfolg gewünscht wird“.

Ähnlich hatte sich zuvor Steffen Baumgart geäußert. Der Trainer des 1. FC Köln ist auch so einer mit einem eher krummen Weg: Debut erst mit 22 Jahren, für Hansa Rostock. Bevor Baumgart gegen Bayern München und Borussia Dortmund ran durfte, musste er seine Tore erst einmal gegen Erzgebirge Aue schießen. Auch Baumgart kritisierte die fehlende Unterstützung für die Nationalmannschaft: „Ich habe noch nie erlebt, dass ein Land so wenig hinter seiner Nationalmannschaft steht, wie es bei uns der Fall ist.“ Aber der Trainer hat auch eine Idee, woher dieses Phänomen kommt: „Wir sollten aufhören, Spieler zu instrumentalisieren. Wir Sportler sollten uns nicht vor den Karren spannen lassen.“

Wenn nicht gerade Weltmeisterschaft war, hat die ARD früher direkt nach der Tagesschau zu den Spielen der Nationalmannschaft geschaltet. Die Fans waren froh, wenn sie noch die Hymne gehört haben. Wäre das heute noch so, würden die Zuschauer aus Sicht des DFB das Beste verpassen – die Politshow: Niederknien gegen Rassimus. Darüber reden, dass die Männer das Trikot der Frauen-Nationalmannschaft tragen, um deren Sport aufzuwerten. Für den Klimaschutz werben und natürlich die Binde, die für sexuelle Toleranz steht. Danach folgt dann schon noch ein Spiel. Das ist aber nicht so wichtig, weil es eh verloren geht, wenn nicht gerade Armenien oder Liechtenstein als Gegner antreten.

Mit der Politisierung des Fußballs hat der DFB dem Zusammenhalt geschadet. Es sind mehr als nur Fans, die einer Sportmannschaft fern bleiben. Die Politisierung des Fußballs hat die Gesellschaft gespalten. Weiter gespalten. Denn auch die Politik politisiert zunehmend den Alltag – und auch sie spaltet damit die Gesellschaft immer weiter:

Dass die Gesellschaft gespalten ist, ist als Erkenntnis selbst in der Berliner Blase angekommen. Nur sind ihre Mittel dagegen untauglich: All die 63-Prozent-Umfragen, die eine Unterstützung für grün-rote Politik suggerieren sollen. Das bräsige Betteln um Liebe von Frank-Walter Steinmeier, der vom SPD-Apparatschik zum Bundespräsidenten befördert worden ist. Oder die hohlen Vokabeln des hanseatischen Kanzlers wie „Unterhaken“, „Gerechtigkeit“ und „You’ll never walk alone“.

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Dem Staat geht es wie der Nationalmannschaft. Auf den ersten Blick scheinen seine Vertreter nicht auf die Menschen angewiesen zu sein. Die Politik sitzt fest im Sattel und verteilt Millionen und Milliarden in den eigenen Reihen. Aus der Wirtschaft kommt all das ganze Geld für Diäten, Mitarbeiterstäbe, „Nicht Regierungs Organisationen“ oder PR-Kampagnen zur Rettung ungelesener, aber regierungsfreundlicher Zeitungen. Und kommt es nicht mehr aus der Wirtschaft, nimmt die Regierung einfach „Sondervermögen“ genannte Schulden auf. Oder presst es wie das Staatsfernsehen den Bürgern unter Haftandrohung ab. Egal ob die deren Programm schauen oder verabscheuen.

Doch genauso wie die Mannschaft merkt diese Regierung, dass es zwar ohne die Nation kann – aber nicht gut. Ja sogar schlecht. Vor allem auf Dauer. Unter Helmut Kohl hieß es in dessen letzten Regierungsjahren, es liege Mehltau über dem Land. Unter Olaf Scholz ist Deutschland viel weiter. Bürger gehen gar nicht mehr zur Arbeit und melden sich krank. Wer trotzdem noch geht, liefert schlecht: Kollege kommt gleich, der Techniker ist informiert. Bahnfahrten, Internetversorgung, Behördengänge, Gastronomie, Dienstleistung oder Datenerfassung. Deutschland entwickelt sich in vielen Bereichen immer mehr zu einem Schwellenland. Auch weil den Menschen die Motivation ausgeht. In einem Land, in dem Gerechtigkeit heißt, dass immer weniger für immer mehr buckeln sollen. Und der Dank dann darin besteht, von der eigenen Regierung samt ihren Staatsmedien als „anschlussfähig für Rechtsextremismus“ deskreditiert zu werden.

Die Nationalmannschaft kann zum nächsten Sieg gegen den Vatikan antreten. Ohne Zuschauer. Und falls auch die Sponsoren ausfallen, erklärt die Ampel den DFB einfach zur NGO und versorgt die Funktionäre wie die anderen mit Millionenbeträgen. Das Staatsfernsehen kann Studienabbrecher im Programm Frauenrechtlerinnen in Fäkalsprache beleidigen lassen und dabei weiterhin Gebühren mit Hilfe des Gerichtsvollziehers einziehen. Und die Regierung kann weiter gegen die eigene Nation regieren. Nur geht der Verfall dann weiter, erbringt die Gesellschaft immer weniger Leistungen. Eine Rede Steinmeiers wird nicht helfen, zwei Reden oder mehr werden sogar schaden.

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