Friedrich Merz ist wie Bernd Stromberg: So ganz verkehrt ist es nicht, was er sagt. Aber so tapsig, wie er es sagt, wirkt es dumm – und vor allem abschreckend unsympathisch. Wie der fiktive Versicherungsvertreter aus der Serie Stromberg scheitert Merz an der Kommunikation. Selbst wenn er nicht redet. So berichtete die Bild aus einer Schaltkonferenz der CDU-Fraktionsvorsitzenden: Merz wolle auf die Forderung nach einer längeren Laufzeit der Atomkraftwerke verzichten, es fehle ohnehin an Brennstäben. Diese Meldung ist gleich aus drei Gründen verheerend für die CDU.
Zum einen prägt sie ein falsches Bild von den Positionen der CDU. Sachlich hat Merz mit seiner Einschätzung zwar Recht. Doch bei den Bürgern kommt ein anderes Bild an. Für sie lautet die Botschaft eben nicht: Merz ist Realist und akzeptiert die schlechte Situation; Schuld an der schlechten Situation sind wiederum die Grünen, weil sie es aus ideologischer Blindheit unterlassen haben, Brennstäbe zu bestellen, und das führt eventuell zum Blackout in diesem Winter. Für die Bürger lautet die Botschaft: Die CDU ist jetzt auch gegen Atomkraft.
Zum anderen kommt die Meldung zur Unzeit: In der FDP wächst der Unmut über die grün-rote Energiepolitik, die zu den weltweit teuersten Preisen führt, zu Versorgungsunsicherheit und in der Folge zu Drosselung, Abwanderung oder schlicht Vernichtung der Industrie. Verkehrsminister Volker Wissing hat den Unmut in seiner Partei bemerkt, bringt längere Laufzeiten wieder als Thema ins Spiel und riskiert so eine Krise in der Ampelkoalition. Da kommt Merz, erklärt längere Laufzeiten für nicht machbar und das Thema somit für beendet. Die Regierung kann wunschlos Weihnachten feiern – einen für sie besseren Oppositionsführer als Friedrich Merz könnten sie nicht bekommen.
Obendrein kommt noch das äußere Bild, das die CDU abgibt. Merz’ Aussage hat einer aus der Runde der Fraktionsführer der Bild gesteckt. Das erinnert an die absurden Sitzungen der Partei im Frühjahr 2021, als die Bild jeden Darmwind aus eigentlich vertraulichen Runden live übertrug. Jenseits aller Inhalte hinterlässt das bei den Wählern das Bild fehlender Professionalität und Geschlossenheit. Niemand will die Geschicke des Landes in die Hände von Tratschtanten legen.
Doch die CDU hat der Ampelkoalition diese Woche noch weitere Weihnachtsgeschenke beschert. Etwa das Rentenkonzept von Jens Spahn. Die „Rente mit 63“ hat die SPD in Probleme gebracht. Angesichts fehlender Fachkräfte und einer ohnehin wacklig finanzierten Rentenkasse erweist sie sich als der erwartbare Fehler. Kanzler Olaf Scholz (SPD) musste vorsichtig anfangen zurückzurudern. Er muss die Rente mit 63 korrigieren, ohne als Bösewicht dazustehen, der die entscheidende Wählergruppe der Alten verprellt. Das heißt: Scholz müsste. Denn nun hat ihm CDU-Vize Jens Spahn diese Rolle abgenommen.
Spahn fordert, die Rente an die Lebenserwartung zu koppeln. Mit jedem Jahr, um die sie steigt, soll sich der Renteneintritt um einen Monat verzögern. Nun ist es richtig, das Thema anzugehen. Die Finanzierung der Kasse droht zusammenzubrechen und den Arbeitskräftemangel verträgt die Wirtschaft nicht. Das muss die Politik zusammen denken und eine Lösung erarbeiten. Wobei es sich angesichts der Komplexität des Themas eher um Lösungen handelt, in denen andere Politikbereiche mitgedacht werden müssen. Die alte Rentenpolitik ließ sich noch auf einen einfach verständlichen Slogan runterbrechen: „Die Rente ist sicher.“ Die neue taugt nicht für einen solchen Slogan.
Wer es trotzdem versucht, wie Spahn, der scheitert eben so dramatisch, wie Deutschlands erfolglosester Maskeneinkäufer es tut. Spahns „Der Renteneintritt verzögert sich mit der Lebenserwartung“ hat zwei schwere Baufehler. Zum einen versteht es keiner. Zum anderen ist es eine offene Lösung, in die folglich jeder interpretieren kann, was er will. Die „Rente mit 75″ war ein Gedanke, der noch am gleichen Tag die Runde in den sozialen Netzwerken machte. Obendrein ist Spahns Vorschlag zutiefst unsozial: Umso länger Millionäre wie er leben, desto länger sollen einfache Arbeiter buckeln. Eine frohe Botschaft an sie vom CDU-Grinch. Wobei: An Scholz hat Spahn ein Geschenk gemacht. Der Kanzler kann jetzt die Rente mit 63 abräumen und hat genug Spielraum, um nicht so unsympathisch wie Spahn zu wirken.
Komplettiert wird die Verliererrunde durch Mario Czaja. Für die vielen, die ihn nicht kennen: Das ist der Generalsekretär von Merz. Also die Abteilung Attacke eines Mannes, der jede Konfrontation scheut. In diesem Hang zur Feigheit eifert ihm Czaja nach. In Bautzen hat der CDU-Landrat Udo Witschas erklärt, er wolle für „diese Asylpolitik“ nicht den Schulsport „bluten lassen“. Witschas wolle auch nicht „Menschen, die zu uns kommen, die unsere Kultur nicht kennen, die unsere Regularien nicht kennen, jetzt hier in Mehrfamilienhäusern und freistehenden Wohnungen unterbringen und dafür die Gefährdung des sozialen Friedens in Kauf nehmen“.
Seit Wochen und Monaten warnen die Kommunen, auch sozialdemokratisch geführte, vor den Folgen der Einwanderungspolitik. Bürgermeister und Landräte setzen Hilferufe ab, dass sie überfordert sind. Doch seit Wochen und Monaten fördert die rot-grün-gelbe Bundesregierung die unkontrollierte Einwanderung eher, als sie zu stoppen. Ein guter Punkt für den CDU-Generalsekretär anzusetzen: Illegale Einwanderung muss gestoppt, die Abschiebung illegaler Einwanderer forciert und die Kommunen müssen dabei unterstützt werden, die Anwesenden zu versorgen. Auch sollte Kindern und Jugendlichen nach zwei Jahren Pandemie auf ihre Kosten der Schulsport zugestanden werden. Das alles wären Forderungen, die ein oppositioneller Generalsekretär stellen könnte. Und was tut Czaja?
Die Innenministerin verdächtigt die gesellschaftliche Mitte des Rechtsextremismus. Der Gesundheitsminister widerspricht sich in einem Satz dreimal. Der Justizminister sorgt für Rechtsunsicherheit und dann ist da ja noch die Energiepolitik: Zum ersten Mal seit 70 Jahren weiß Deutschland nicht, ob es ausreichend Strom und Wärme für den Winter hat. Die Industrie spricht offen über eine drohende Deindustrialisierung samt damit einhergehendem Wohlstandsverlust. Kurzum: Die Bilanz der Ampel ist verheerend.
Und die CDU? Steht konstant bei unter 30 Prozent. Wer sich Merz, Spahn und Czaja lange genug als Braut anschaut, der ist am Ende halt doch bereit, die Ampel zu heiraten. Die Christdemokraten arbeiten noch an ihrem neuen Grundsatzprogramm. Es ist nachvollziehbar, wenn sich ein solcher Prozess hinauszögert. Doch Kommunikation findet täglich statt und sie ist in der Politik keine Nebensache. Schon gar nicht im Medienzeitalter. Auf diesem Feld scheitern Merz, Spahn und Czaja – weil sie darin allesamt so tapsig wie der Büro-Karrierist Bernd Stromberg sind.