Die Corona-Pandemie hat der Politik deutlich vor Augen geführt: Es war ein Fehler, Schlüsselindustrien in weit entfernte Länder wie China oder Indien abwandern zu lassen. Wenn es zu Lieferengpässen kommt, steht Deutschland ohne wichtige Güter der Grundversorgung dar – wie zum Beispiel Arzneimittel. Bereits 2020 kündigte der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an, Deutschland und die Europäische Union sollten solche Grundversorgungsgüter wieder stärker vor Ort produzieren lassen. Zwei Jahre später erlebt Deutschland eine seit der Nachkriegszeit nicht mehr gekannte Knappheit an Medikamenten.
Nun hat der amtierende Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein Eckpunktepapier vorgestellt. Dessen wichtigster Punkt: Medikamente sollen teurer werden, damit die Unternehmen sie in Deutschland anbieten und nicht in Nachbarländern wie den Niederlanden. Einen Teil der so entstehenden Kosten sollen die Krankenkassen übernehmen. Doch auch den Patienten drohen höhere Kosten. Derzeit habe vor allem Deutschland ein Problem, räumt Lauterbachs Ministerium in einer Pressemitteilung ein: „Dass man in Deutschland nur schwer einen Fiebersaft für sein Kind bekommt, der im Ausland noch erhältlich ist, ist inakzeptabel.“
Ein Problem spricht das Ministerium nicht an. Bisher gilt: Ist ein Medikament teurer als der mit der Kasse ausgehandelte Festbetrag, dann muss der Patient die Differenz zahlen. Steigen nun die Preise der patentfreien Arzneimittel um mehr als die zusätzlichen 50 Prozent, die die Kassen übernehmen sollen, dann steigt entsprechend auch der Zuschlag für die Patienten. Die Bürger müssten unmittelbar mehr für Medikamente bezahlen. Mittelbar müssen sie das ohnehin. Auf die Kassen kommen durch Lauterbachs Plan zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe zu. Sie wirtschaften jetzt schon defizitär. Auf mittlere Sicht werden die höheren Arzneikosten also auch höhere Beiträge für die Versicherten bedeuten. Von den höheren Zuschlägen will das Ministerium nur Kinder bis zu zwölf Jahren ausnehmen sowie „Jugendliche mit Entwicklungsstörungen“.
Für die Zukunft will Lauterbach das Ausschreibungsrecht ändern. Dafür muss er mit der Europäischen Union zusammenarbeiten. Zuschläge für Medikamente sollen dann nicht mehr unbedingt an den günstigsten Anbieter gehen. Stattdessen will der Gesundheitsminister den Standortfaktor berücksichtigen. Das heißt: Produziert ein europäisches Unternehmen ein Medikament, darf es damit teurer sein als der chinesische Anbieter, verpflichtet sich aber im Gegenzug, entsprechende Vorräte zu lagern. Der Preis bleibt aber weiterhin ein Faktor in den Ausschreibungen.