Tichys Einblick
Pfizer und die verschwundenen Daten

Der wiedergefundene Pfizer-Vertrag in Israel und der geschäftstüchtige Heiko von der Leyen

Ein zunächst vermisster Impf-Vertrag zwischen dem Staat Israel und Pfizer taucht dort wieder auf. Doch von den Pfizer-SMS der Ursula von der Leyen fehlt weiter jede Spur. Dafür scheint ihr Mann jede Menge Staatsgelder aufzuspüren.

Ursula und Heiko von der Leyen

IMAGO / POP-EYE

Man kann sich denken, warum Ursula von der Leyen so viele, angeblich so genaue Kenntnisse über die neuen Gentherapeutika aus modifizierter Ribonukleinsäure (mRNA) hatte, als sie halb-privat mit Pfizer-Vorstand Albert Bourla konferierte. Heiko von der Leyen, der Mann der Kommissionschefin, ist selbst Arzt und medizinischer Direktor des US-amerikanischen Pharmakonzerns Orgenesis, der auf Gen- und Zelltherapie spezialisiert ist. Auch Orgenesis beschäftigt sich laut der Welt mit mRNA-Forschung. Zumindest konnte der Ehegatte der Kommissionspräsidentin beim Abendessen leicht Tipps zum aktuellen Stand der Forschung geben, über die er als ehemaliger Berater und medizinischer Direktor sicher informiert war.

Intransparent, überteuert, überdimensioniert?
Rechnungsprüfer zum Pfizer-EU-Vertrag: Einziges Mal, dass Vorverhandlungen nicht im Team geführt wurden
Mitte Oktober passierte etwas Unvorteilhaftes für dieses private Joint Venture: Die Europäische Staatsanwaltschaft gab bekannt, dass sie wegen der EU-Impfstoffdeals ermittelte. Und da die Leyen-Bourla-SMS seit Monaten im öffentlichen Gespräch waren, lag es nahe, dass es bei den Ermittlungen um den EU-Pfizer-Vertrag geht, der zudem der umfangreichste und lukrativste aller EU-Impfstoffdeals ist. Seit Oktober ist nun beinahe schon Gras über die Sache gewachsen. Klar ist nur: Die SMS sind weg. Das bestätigen auch EU-Ombudsleute, die eigentlich dazu berufen wären, der Kommission auf die Finger zu sehen. Da scheint auch keine Informationsfreiheitsanfrage mehr zu helfen, obwohl heutigentags angeblich nichts mehr endgültig gelöscht werden kann.
Mehr als ein Schwank: Israel konnte Pfizer-Vertrag nicht finden

Nun wartete Israel mit einem ähnlichen Schwank auf: Vor einem Jerusalemer Gericht versicherte ein Vertreter des israelische Gesundheitsministeriums, dass man den Vertrag, mit dem das Land seine Pionier-Partnerschaft mit Pfizer über mRNA-Therapeutika geschlossen hatte, trotz eingehender Suche nicht finden konnte: „Wir können die unterzeichnete Vereinbarung mit Pfizer nicht lokalisieren. Wir haben an allen möglichen Stellen gesucht, auch im Büro des Ministers und in der Rechtsabteilung. Sie ist verloren gegangen.“ Man sei sich durch den Regierungswechsel nicht einmal sicher, dass der Vertrag überhaupt unterzeichnet wurde. Diese Verwirrung währte angeblich für einige Zeit, bis der öffentliche Fernsehsender Kan das Ministerium kontaktierte. Plötzlich tauchte der unterzeichnete Vertragstext auf und wurde dem Gericht übermittelt.

Der Journalist, dem der Fund zu verdanken ist, sagte über den Vorfall: „Der Hund hat die Hausaufgaben gegessen in der Version des Gesundheitsministeriums“. Dass es sich wirklich so zutrug, kann freilich niemand mehr ausschließen. Immerhin wurde dieser „Originalvertrag“ aufgrund von eher geringem Mediendruck dann doch in Rekordzeit gefunden. Aber es ist mehr als eine amüsante Anekdote. Die Unfähigkeit des Gesundheitsministers, ein wichtiges Dokument wie dieses vorzuweisen, könnte man als weiteres Kapitel der Geschichte „Machtlose Staaten, allmächtige Konzerne“ sehen. Vorfälle wie dieser säen Zweifel an der Kompetenz und Souveränität der Staaten.

Israel als Impfstoff-Labor und Pfizer-Dependance

Hinlänglich bekannt und durch verschiedene Veröffentlichungen („leaks“) verschlossen gehaltener Pfizer-Verträge erwiesen ist wohl, dass sich der Konzern in den Vereinbarungen eine weitgehende Haftungsfreiheit ausbedungen hat – natürlich aufgrund der unordentlichen Geschäftslage und des raschen Hochziehens der Produktion. In einem Text, der aus Albanien stammen soll, heißt es,
der Konzern hafte nicht, wenn er die versprochenen Impfdosen nicht rechtzeitig liefert. Außerdem könne Pfizer die Zahl der vereinbarten Dosen und den Lieferplan nach eigenem Gutdünken anpassen, ohne dass die Kunden etwas dagegen unternehmen könnten. Und natürlich gab es auch keine Haftung bei Klagen Dritter, also von Patienten. In dem seit Januar 2021 veröffentlichten Pfizer-Israel-Vertrag ist das Haftungskapitel vollständig geschwärzt, nicht anders in anderen veröffentlichten Verträgen des Pharma-Konzerns.

Covid-Ausschuss des EU-Parlaments
Pfizer-Vertreterin: Es gab keinen Nachweis über Fremdschutz durch Biontech-Impfstoff
Dass das israelische Gesundheitsministerium durch die frühe Impf-Vereinbarung praktisch zu einer Dependance von Pfizer wurde, während Israel zum Labor für die Erprobung des mRNA-Präparats gemacht wurde, war in gewogenen und ungewogenen Medien zu lesen. Es sind sogar die Worte des Vizepräsidenten von Pfizer, Dr. Philip Dormitzer: Zu Beginn der Pandemie haben wir eine Beziehung mit dem israelischen Gesundheitsministerium aufgebaut, das ausschließlich den Impfstoff von Pfizer verwendet und ihn sehr genau überwacht … Ein Labor, in dem wir die Wirkung beobachten können.“

Doch die Genauigkeit dieses Labors und seine Offenheit für die wirklichen Daten und Fakten wurde auch angezweifelt: Angeblich löschte das Gesundheitsministerium kritische Kommentare zu Nebenwirkungen der mRNA-Gentherapeutika von seinen Auftritten in den sozialen Medien.

Mehr Korruption in der EU? Staatssubventionen in Millionenhöhe für Orgenesis

Was den Ehemann von Ursula von der Leyen angeht, so vertritt er anscheinend eine sehr erfolgreiche Firma – zumindest wo es um das Abräumen staatlicher Subventionen geht. Denn nicht nur erhielt die europäische Filiale Orgenesis Italia einen Teil der für italienische Unternehmen bewilligten Corona-Hilfen aus dem EU-Wiederaufbaufonds (383.000 Euro laut Welt). Daneben sollen weitere Töchter des US-Konzerns in Griechenland und den Niederlanden auf Millionenzuschüsse der jeweiligen Regierungen hoffen können. Besonders spendabel scheint die griechische Regierung des EVP-Freunds Kyriakos Mitsotakis gegenüber Orgenesis: Für ein Jointventure mit dem griechischen Biotech-Unternehmen Theracell will Athen laut Bloomberg bis zu 32 Millionen Euro an Steuergeldern vergeben, wobei ein Teil aus EU-Fördergeldern stammen soll.

Zu Impfstoff-Deal mit Pfizer-Chef
Wieder einmal sind Ursula von der Leyen Text-Nachrichten abhanden gekommen
In den Niederlanden gingen bereits 1,2 Millionen Euro an eine hundertprozentige Tochter von Orgenesis, die Mida Biontech. Man könnte nun munkeln, dass die ausgezeichneten Beziehungen der Kommissionschefin zu den Regierungschefs Rutte und Mitsotakis hier etwas nachgeholfen hätten. Aber für die EU-Kommission ist all das freilich noch kein Grund, von einem „Interessenkonflikt“ zu sprechen. Aber das muss nicht für immer so bleiben. Man sieht ja derzeit, wie aufgeschreckt der Hühnerhaufen EU reagiert, sobald die Korruption quasi gerichtsfest nachgewiesen ist. Erst dann hat das Mauern – sehr plötzlich – ein Ende.

Und tatsächlich haben laut der griechischen Nachrichtenseite News Break sieben grüne EU-Abgeordnete, darunter die Französin Michèle Rivasi, einen Brief an Věra Jourová, EU-Kommissarin für Werte und Transparenz, veröffentlicht, in dem sie Aufklärung über die Aktivitäten Heiko von der Leyens fordern: „Der Ehemann der Präsidentin der Europäischen Kommission nimmt eine leitende Funktion als medizinischer Direktor und Generaldirektor in einem privaten Unternehmen ein, das an Projekten beteiligt ist, die durch europäische Programme und also mit öffentlichen Geldern finanziert oder kofinanziert werden.“ Die Fragen von EU-Bürgern und ihren Vertretern zu möglichen Interessenkonflikten seien in diesem Fall legitim.

Anzeige
Die mobile Version verlassen