Obwohl Deutschland nur knapp zwei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verursacht, sollen wir mal wieder auch beim sogenannten Klimaschutz den Vorreiter abgeben. Koste es, was es wolle. Egal, was die Bürger denken. Auch egal, ob sich der Rest der Welt darum schert, was wir hier vorexerzieren. Als ich das zum ersten Mal las, war mir klar, dass da etwas nicht stimmen kann.
Ein Recherche-Team macht sich auf den Weg
Die Zeit der Verbrenner ist abgelaufen, heißt es. Die Neuzulassung von Benzin- und Dieselautos ist ab 2035 verboten. Wer ein neues Auto braucht (und noch das Geld dafür hat) muss zur „Rettung des Klimas“ auf E-Mobilität umsteigen und Strom tanken. Doch für die dafür benötigten Batterien werden vor allem Rohstoffe wie Lithium und Kobalt gebraucht, deren Abbau hoch problematisch ist. „Lithium: Der Traum vom sauberen Auto“ ist der Titel einer Sendung von „Panorama – die Reporter“ vom 29. November 2022, die ich zum Anlass nehmen möchte, um über eins der Puzzleteile der großen Energiewende, über den Lithium-Abbau in den Anden zu berichten.
BMW hatte vorgeblich keine Zeit dafür, Fragen der NDR-Reporter zu beantworten, bevor diese sich zu einem seiner Lithiumlieferanten, dem US-Unternehmen LIVENT, in die argentinischen Anden aufmachten. Auf 4.000 Höhenmetern wird dort in der Provinz Catamarca aus Salzseen das „weiße Gold“ für den Bau von Batterien für E-Autos gewonnen. Das salzhaltige Grundwasser, die Sole, wird aus dem Untergrund in riesige Becken gepumpt, wo dann nach zahlreichen Verdunstungsschritten die Lithium-Salze zurückbleiben. Doch ein solcher Eingriff in die Natur bleibt – naturgemäß – nicht ohne Folgen: Das Abpumpen der Sole führt zu einer Destabilisierung des Grundwasserspiegels und schließlich zur Austrocknung und Verschmutzung der Region und zu einer Gefahr für die Lebensgrundlagen von Menschen, Pflanzen und Tieren.
Die Journalisten hätten sich die Anlage gerne einmal angeschaut, werden aber abgewiesen. Der Bergbauminister lädt sie daraufhin ein, ihn zu einem Termin zur Werksbesichtigung zu begleiten, doch auch diesmal verwehrt man ihnen den Zutritt. Eine Anwältin von LIVENT belehrt sie, dass das Unternehmen nur für Behörden und nicht für Journalisten betretbar sei. Was haben die zu verbergen?, fragt man sich da.
Konsequenzen für die indigene Bevölkerung
Laut Völkerrecht haben die indigenen Gemeinschaften über ihr Gebiet ein Mitbestimmungsrecht. Doch die Reporter, die an einer Informationsveranstaltung von LIVENT teilnehmen können, hören von den Einwohnern, dass sie zwar ihre Beanstandungen und Wünsche äußern könnten, förmliche Beschwerden an die Verantwortlichen jedoch unbeantwortet blieben und die Petenten immer wieder vertröstet würden. „Oft werden die Entscheidungen über unsere Heimat, unsere Wälder und unsere Gewässer, die wir geschützt und erhalten haben, über unsere Köpfe hinweg getroffen“, kritisiert neben vielen anderen Donald Rojas aus Costa Rica, Präsident des Sozialforums für Umwelt und Entwicklung Zentralamerikas.
Über Jahrhunderte handelten die Bewohner dort mit Salz, bis man ihnen den Zugang zu den Salinen verwehrte. Sie leben traditionell von der Lama-Züchtung, aber das Weideland ist ausgetrocknet und ihre Tiere finden keine Nahrung mehr. Einer dort lebenden Bäuerin blieben von ihren 300 Lamas nur neun, erzählt ihr Nachbar und zeigt auf den Rio Trapiche vor ihrem Haus, der nur noch ein schwarzes Rinnsal ist. „Der Abbau hat das Grundwasser verbraucht, die Firmen nehmen sogar Wasser aus dem Fluss, so dass wir Bauern nicht mehr das Wasser bekommen, das wir brauchen“, sagt er, und die Verzweiflung steht ihm im Gesicht geschrieben. Etwaige Entschädigungszahlungen sind lächerlich gering, und die Menschen leben dort immer noch ohne ordentliche medizinische Betreuung und ohne stabile Stromversorgung.
Fazit: Die Lithiumgewinnung geht auf Kosten der lokalen Gemeinschaften, ihrer Weidegebiete, ihrer Landwirtschaft und der biologischen Vielfalt der Region. BMW dagegen rühmt seine Technologie als „ein innovatives Verfahren, das eine nachhaltige Wassernutzung gewährleistet und die Auswirkungen auf die lokalen Ökosysteme und Gemeinden minimiert.“ Wieder einer der zahllosen eklatanten Widersprüche, die wir immer aufs Neue schweigend schlucken sollen.
Es ist so, als ob man einen chirurgischen Eingriff vornimmt, ohne vorherige Untersuchung, was die Folgen sein könnten, sagt die Biologin Patricia Maconi, die viele Jahre lang für das Bergbauministerium die Umweltgutachten von LIVENT geprüft hat, in der Dokumentation. Eine diesbezügliche Studie von BMW sollte im ersten Quartal 2022 vorliegen. Doch bis heute gibt es keine Ergebnisse. Maconi: „Der Lithiumabbau ist derweil in vollem Gange. Wir bedauern, dass unsere Studien und Empfehlungen nur dazu da waren, damit die Funktionäre gut dastehen. Sie schreiben sie in ihre Gutachten, aber setzen nichts davon wirklich um. Und genau dafür ist es da. Damit die Erste Welt sagen kann, dass alles richtig gemacht wird und wie toll dieses Lithium ist, denn dieses Lithium ist grün. Nein, es ist nicht grün, denn es ist schwarz wie das Flussbett des Rio Trapiche.“
Aber wenigstens spart E-Mobilität CO2 – oder? Lars Hirsekorn gehört seit 1994 dem Betriebsrat von VW an. Er sagt, dass E-Autos keine Lösung für das Klimaproblem seien. „Sie führen nicht dazu, dass wir weniger CO2 in die Umwelt pusten.“ Für die Konzerne sei das ein guter Anlass, neue Autos zu verkaufen. „Das ist aber ökologisch völliger Unsinn, solange wir nicht die Autos mit grünem Strom produzieren und bewegen.“ Und das sieht er halt nicht.
Ist der Klimawandel menschengemacht?
Klimatologie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft mit den Fachgebieten Meteorologie, Geographie, Geologie, Ozeanographie, Klimageschichte und Physik. Über ein derart komplexes System kann man uns Normalbürgern – ähnlich wie bei Corona – alles erzählen, ohne dass wir nachprüfen könnten, ob die Erzählung vom menschengemachten Klimawandel der Wahrheit entspricht. Wer kann schon als Laie die Zahlen, Daten und Sachverhalte beurteilen und einschätzen, die uns täglich im Zusammenhang mit dem Klimawandel erzählt und vorgerechnet werden. Wir sollen einfach glauben, dass laut IPCC-Sachstandbericht mehr als 99,9 Prozent der Studien davon ausgehen, „dass der menschliche Einfluss die Atmosphäre, den Ozean und das Land erwärmt hat“.
Ist ein derartiger Konsens unter Wissenschaftlern glaubhaft? Es gibt durchaus eine große Anzahl von Klimatologen, die ganz andere Ansichten vertreten mit Studien, die zu anderen Ergebnissen kommen. In der Wissenschaft gilt die Debatte unter Forschern als „Keimzelle im Erkenntnisprozess“. Doch derartige fruchtbringende Auseinandersetzungen scheinen nicht mehr erwünscht zu sein.
Wem nützen die Weltklima- und Artenschutzkonferenzen?
Im November dieses Jahres haben sich 40.000 Vertreter von 198 Staaten für gut zwei Wochen in einem Land „mit bedenklicher Menschenrechtsbilanz“ (so Golineh Atai bei „Phoenix“) im ägyptischen Urlaubsort Sharm El Sheikh zur 27. Weltklimakonferenz getroffen. Nachdem Freiwillige und Taucher in einer Aktion in Absprache mit dem ägyptischen Umweltministerium Teile des Strandes und des Meeres von Plastikmüll, Metall und Reifen gesäubert hatten, konnte die Klimakonferenz beginnen. Ihr Reiseziel erreichten die Teilnehmer durch Nutzung der (wie man uns immer wieder erklärt) klimaschädlichsten Art, sich fortzubewegen: mit dem Flugzeug. Privatjets sollen auch dabei gewesen sein. Die Nachrichtenagentur AFP spricht von 400. Das Konferenzzentrum erreichten die Teilnehmer bequem in klimatisierten Limousinen über eine mehrspurige Straße. Auf der Konferenz sieht uns UN-Generalsekretär António Guterres dagegen auf dem „Highway zur Hölle“.
Die COP27 wurde als Konferenz der „Implementation“ angekündigt, als Gipfel der Umsetzung. Die internationale Staatengemeinschaft solle Regeln und Mechanismen entwickeln, wie die Versprechen vergangenen Konferenzen (immerhin waren es schon 26) realisiert werden könnten. Auf Worte sollen Taten folgen, schreibt die ZEIT am 7. November. Allerdings hätten viele Staaten schon im Vorhinein massiv dafür geworben, das Thema Geld in den Mittelpunkt zu stellen, um den Ländern, die schon heute unter den Auswirkungen der Erderwärmung litten, finanzielle Mittel für den Klimaschutz zur Verfügung zu stellen.
Bundeskanzler Olaf Scholz verkündet dann auch am 7. November in seiner Rede: „Bis zum Jahr 2025 werden wir unseren Beitrag aus öffentlichen Mitteln für die internationale Klimafinanzierung auf 6 Milliarden Euro jährlich ausbauen und parallel dazu auch weitere private Mittel mobilisieren. Zudem werden wir die vom Klimawandel am schwersten betroffenen Länder gezielt im Umgang mit Verlusten und Schäden unterstützen.“
Einen Monat später sind dann wieder Tausende Vertreter aus 196 Ländern in die Flugzeuge gestiegen. Diesmal nach Montreal zum 15. Weltbiodiversitätsgipfel (7. bis 19. Dezember). Eine emotional merkwürdig unbeteiligt wirkende Steffi Lemke sondert im „Morgenmagazin“ die üblichen Schlagworte ab. Man will jetzt je 30 Prozent der Fläche „an Land und auf dem Meer“ unter Schutz stellen. Natürlich müsse man auch selber seine „Hausaufgaben“ machen. Kollege Cem Özdemir arbeite schon daran, entsprechende Veränderungen in der Agrar- und Forstwirtschaft vorzunehmen.
Natürlich darf der Hinweis auf weniger Fleischkonsum nicht fehlen. Von den Plastikmüllhalden, in denen unsere Ozeane ersticken und Meerestiere und Vögel massenhaft grausam verenden, hört man wenig. In Sharm El Sheikh hat man ja auch vor der Konferenz brav den Strand von Plastikmüll gesäubert. Nach Montreal reise sie „mit gutem Gepäck“, fährt Frau Lemke fort. Die Bundesregierung habe mit dem Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ vier Milliarden Euro zur Renaturierung zur Verfügung gestellt und auf internationaler Ebene 1,5 Milliarden zugesagt. „Gute Dinge, die ich mitnehmen kann.“ Bei den riesigen Summen, die im Zentrum dieser Konferenzen zu stehen scheinen, fällt mir der Spruch wieder ein, der in den achtziger Jahren oft als Warnung zitiert wurde: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“
Die Reden von UN-Generalsekretär Guterres, der Klimaneutralität, Nachhaltigkeit, Menschenrechte, Gerechtigkeit und Menschlichkeit wie eine Monstranz vor sich her trägt, werden immer kurioser: Die Menschheit solle aufhören, die Natur wie eine Toilette zu behandeln, sagt er in seiner Rede zur 15. Weltnaturkonferenz. Und: „Wir führen einen Krieg gegen die Natur.“ Ich denke zurück an die Menschen in den Anden und frage mich, wer mit diesem „wir“ gemeint sein könnte. Das Unternehmen LIVENT meint er wohl nicht, denn die produzieren ja Lithium für die angeblich so klimafreundliche E-Mobilität, für die der UN-Chef doch immer die Stimme erhebt.
Derweil bangen dort die Einwohner darum, dass sie ihren Lebensraum durch eben diesen Lithium-Abbau verlieren, und die Umweltzerstörung durch die Unternehmen wird dann wiederum genutzt, um eine weitere Konferenz zu veranstalten, wie man die Region retten kann. Von den vielen Milliarden, von denen immer wieder die Rede ist, haben die Geschädigten – wenn überhaupt – bisher nur lächerlich wenig gesehen. Sie leben von der Hand in den Mund in existenzieller Verzweiflung und ohne die Befriedigung ihrer grundlegendsten Bedürfnisse. Wohin fließen dann eigentlich die Milliarden?
In Gedanken gehe ich zurück zu der Dokumentation und höre die Worte von Ellie, der Einwohnerin, die die Reporter beherbergt hat. Sie soll hier das letzte Wort haben: „Das ist unser Rohstoff, und sie nehmen ihn sich für umsonst. Wir wachen gerade erst auf und sehen die Realität hier im Dorf: Die ganze Umweltzerstörung, die Austrocknung – all diese Dinge. Wir sind leider alle davon betroffen. Unsere Völker werden geopfert für den Profit ausländischer Firmen. Ohne jeglichen Nutzen für uns.“