Rot und Blau waren lange Gegensätze in Dänemark. Nun sollen sie in einer Regierung koexistieren. In Dänemark kann die Sozialdemokratin Mette Frederiksen nach leichten Gewinnen bei den Wahlen vom 1. November weiterregieren. Sie hat nun allerdings eine formelle Koalition geschlossen, die entgegen dänischem Brauch die Links-Rechts-Kluft überspannt. Einige Punkte im neuen Regierungsprogramm seien „klassisch rote, andere klassische blaue Politik“, sagte Frederiksen bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags.
Hilfreich dürften die neu gegründeten „Moderaterna“ des ehemaligen Premierministers Lars Løkke Rasmussen gewesen sein, die sich genau in der ‚Mitte‘ des alten Parteiensystems niederließen. Aus deutscher Sicht greifen freilich alle drei Parteien von der Mitte aus tief ins rechte Spektrum aus. Denn in der Fortsetzung der strikten Null-Zuwanderungspolitik der dänischen Sozialdemokraten dürften sich alle drei einig sein. Rasmussen war vorher Mitglied der liberal-konservativen Venstre-Partei gewesen. Sie ist mit ihrem Vorsitzenden Jakob Ellemann-Jensen der dritte Partner der neuen Koalition. Übrigens spricht es sehr für die Fairness der Dänen, dass die Venstre-Liberalen sofort mit ihrer eigenen Abspaltung koalieren und nicht etwa Strafmaßnahmen bevorzugen.
Wegen eines Amtsvergehens musste sie sich letztes Jahr vor dem Reichsgericht verantworten und wurde zu 60 Tage Haft verurteilt. Sie hatte minderjährige Ehefrauen getrennt von ihren Ehemännern untergebracht. Nun steht sie mit ihrer neuen Partei für EU-Skepsis, weniger Bürokratie, eine Balance von Umweltschutz, Wirtschafts- und Landwirtschaftspolitik sowie eine Migrationspolitik, die sicherstellt, dass das freiheitliche Fundament der dänischen Gesellschaft nicht zerstört wird.
Vereinbart: Steuersenkungen und ein weiterer Umbau des Asylsystems
Insofern ist das eindeutig rechte Lager zwar durch die Novemberwahl geschrumpft, aber es bleibt als Stimme im Parlament erhalten, während zwei Mitte-rechts-Parteien Teil der Regierung werden. Theoretisch wäre sogar die Fortführung der von linken Parteien gestützten Minderheitsregierung der Sozialdemokraten denkbar gewesen. Doch diese (vielleicht wacklige) Möglichkeit schlug Frederiksen aus. Nun hat sie sich auch schon auf Steuersenkungen mit den beiden rechtsliberalen Koalitionspartnern geeinigt. Dafür verzichten die darauf, Frederiksen einem parlamentarischen Reichsgerichtsverfahren zu unterziehen, weil sie im Zuge der Corona-Pandemie die dänische Nerzindustrie keulte. Millionen Tiere wurden aus Furcht vor Infektionen getötet, wobei Frederiksen „irreführende Informationen“ verbreitet habe. Aber Geschichte wird von den Siegern geschrieben, und eine regierende Wahlsiegerin kommt nicht so leicht vor Gericht, zumindest nicht vor ein politisches.
Das eigene dänische Asylsystem wird im Koalitionsvertrag als „unmenschlich und dysfunktional“ bezeichnet. Jedenfalls will auch die neue dänische Regierung den Rahmen der „internationalen Konventionen“ und der EU-Verpflichtungen Dänemarks voll ausschöpfen, um den „Zufluss von Flüchtlingen und Migranten“ zu verringern, von denen viele kein Recht auf Schutz hätten.
Dänemark müsse „grundlegend zur Bekämpfung der Ursachen von Migration und Flucht beitragen“. Neben der Klimapolitik soll vor allem eine nachhaltige ökonomische Entwicklung in Afrika hier Dienste leisten. Was sich etwas nach protestantischer Selbstkasteiung anhört, wäre vielleicht auch für deutsche Migrationspolitiker ein sinnvoller Denkansatz: Mit der dänischen Methode könnte man auch hierzulande das Sterben auf dem Mittelmeer, Arbeits- und Perspektivlosigkeit sowie Kriminalität in Deutschland auf einen Schlag bekämpfen.