Tichys Einblick
Politik in Italien

Meloni macht das Gegenprogramm zur Ampel

Liebäugeln mit der Kernkraft, Kampf gegen Schlepper-NGOs, Bürgergeld-Ende, Einspruch gegen das Verbrenner-Verbot: Beinahe hat man den Eindruck, die Regierung Meloni schaut auf die Regierung Scholz – und tut das Gegenteil.

IMAGO / ZUMA Wire

Wenige Wochen ist es her, dass die konservative Regierung von Giorgia Meloni das Ende des italienischen Bürgergeldes angekündigt hat – just, als in Deutschland die Einführung auf der Tagesordnung stand. Auf jede Berliner These scheint Rom derzeit mit einer Antithese zu kontern. Zwar haben sich davon schon mehrere im Programm des Rechtsbündnisses herausgebildet; ob und wie diese realisiert würden, war jedoch nicht klar. Bekanntlich sprechen Politiker im Rathaus anders als auf dem Marktplatz.

Meloni auf Liberalisierungskurs
Italien: Basta mit Bürgergeld
Nunmehr kristallisiert sich jedoch heraus, dass viele Wahlkampfforderungen doch keine heiße Luft waren. Beispiel Verbrennermotor: Wenige Tage vor der Wahl hatte Lega-Chef Matteo Salvini gefordert, ein Referendum über das von der EU beschlossene Aus für Benzin- und Dieselmotoren anzusetzen, sollten die Parteien rechts der Mitte siegen. Salvini ist mittlerweile Infrastruktur- und Transportminister – und als solcher an einer neuralen Schnittstelle, wenn es um die italienische Fahrzeugpolitik geht.
Kampf gegen das Verbrenner-Verbot ist Regierungslinie

Es verwundert daher nicht, dass Salvini weiterhin gegen das Verbrenner-Verbot wettert. Aber wie viel Gehalt hat das Getöse? In Brüssel erfährt TE: Es handelt sich hier nicht um ein Manöver, sondern um fundamentale italienische Interessenpolitik. Es handelt sich um kein bloßes Thema der Lega, sondern um eine offizielle Regierungslinie, die von allen Koalitionsparteien getragen wird, inklusive der Regierungschefin Giorgia Meloni.

Der Plan ist offenbar: So, wie Salvini früher als Innenminister gegen die Migrationspolitik gepoltert hat und anschließend Fakten schaffte, soll er in Zukunft als Infrastrukturminister für den Weiterbetrieb von Verbrennermotoren eintreten. Die italienische Wirtschaft könnte sich einen Umbau schlicht nicht leisten – ganz abgesehen davon, dass auch in der Lega klar ist, dass die Abschaffung des Verbrennerautos nicht eine Umrüstung auf Elektromotoren nach sich zieht, sondern ein prinzipieller Angriff auf den Individualverkehr ist.

Salvini will Atomkraftwerk am liebsten im eigenen Heimatquartier

Ganz ähnlich sieht es mit dem Einsatz für die Kernenergie aus. Im rechten Programm vor der Wahl angekündigt, hielt man die Volte, die Rückkehr zur Kernenergie zu prüfen, für einen Bluff. Auch hier spielt Salvini als Vizepremier und Infrastrukturminister eine entscheidende Rolle. „Ich werde hartnäckig für Italiens Rückkehr zur Atomenergie arbeiten. Italien könnte in sieben Jahren ein Atomkraftwerk besitzen und damit Energie zu niedrigeren Kosten als heute erzeugen“, sagt Salvini.

Folgt nach Schweden bald Italien?
In Italien wird der Ruf nach der Atomkraft lauter
Auf den beliebten Slogan der Atom-Gegner, dass das Atomkraftwerk dann ja vor seiner Haustüre stehen könne, antwortet Salvini schon im Voraus: Am liebsten sollte es nahe seiner Heimatstadt Mailand stehen, noch besser: in seinem Stadtteil Baggio. „Italien kann nicht das einzige große Land der Welt ohne Kernenergie sein. Wir können nicht von der Abschaffung von Gas, Benzin und Diesel reden, ohne über Kernenergie zu diskutieren“, erklärt der Minister. „Reaktoren der neuesten Generation sind die sicherste und sauberste Form der Energiegewinnung, das ist die Zukunft.“
Meloni über NGOs: „Ich bekämpfe jede Art von Mafia“

Und was ist mit der Migration, dem einstigen Leib-und-Magen-Thema des Ex-Innenministers? Auch hier hat die Meloni-Regierung in den vergangenen Wochen immer wieder gezeigt, dass sie ihre Ankündigungen umsetzen will. Offenbar macht die Römerin das Thema zur Chefsache. „Es gab Gerüchte über einen angeblichen Kurswechsel der Regierung in Bezug auf die Einwanderungspolitik. Das stimmt nicht. Die Regierung hat nicht die Absicht, ihren Kurs zu ändern“, sagte Meloni am Montag.

„Man reist nicht illegal nach Italien ein. Wir wollen den Menschenhandel, die illegale Einreise und das Sterben auf See bekämpfen“, wiederholte sie die Grundsätze der italienischen Regierung. Vorher hatte es auch im rechten Lager rumort, dass die Anlandung von Migranten (freundlich ermuntert durch Paris und Berlin, die sich zur Aufnahme anboten) die bisherige Position erodieren lassen könnte. Jetzt machte Meloni klar: Die NGOs seien an der Mithilfe zur illegalen Einwanderung beteiligt. „Ich bekämpfe jede Art von Mafia“, sagte im Bezug auf die in Deutschland so bezeichneten Seenot-Retter. In Rom mehren sich die Gerüchte, dass die Meloni-Regierung mittlerweile sogar das Verbot bestimmter NGOs prüft.

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