Tichys Einblick
Schnelle Einbürgerung gegen Fachkräftemangel?

Staatsbürgerschaft: Der große Ausverkauf

Um den Fachkräftemangel zu beheben, wird die Einbürgerung erleichtert. Das ist weder erforderlich noch staatspolitisch wünschenswert. Die Einbürgerung ist mehr als die Verleihung eines deutschen Passes. Der Status des Staatsbürgers verleiht das Recht, für öffentliche Ämter zu kandidieren und an Wahlen teilzunehmen.

IMAGO / Winfried Rothermel

Der grüne Traum rückt näher. Ob dieser Traum von allen Deutschen geteilt wird, oder von der Mehrheit der Deutschen als Albtraum empfunden wird, dürfte erst die Zukunft erweisen. Jedenfalls ist unter der geistigen Führung der Grünen ein Einbürgerungsmodell zur offiziellen Regierungspolitik geworden, das Erstaunliches vorsieht:

Um den Fachkräftemangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu überwinden, wird die Einbürgerung von Ausländern radikal erleichtert. Dabei soll es für die Kandidaten der deutschen Staatsbürgerschaft nicht mehr darauf ankommen, ob sie eine entsprechende Fachausbildung haben, deren Qualifikation am deutschen Arbeitsmarkt nachgefragt wird. Es soll auch nicht näher geprüft werden, ob die im Ausland erworbenen Abschlüsse einigermaßen äquivalent mit deutschen Diplomen sind. Vielmehr werden die Tore weit geöffnet für alle, die kommen wollen und „integrationswillig“ sind.

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Mit diesem Vorschlag, der der grünen Utopie entspringt, ein Deutschland ohne Deutsche zu schaffen, hat der grüne Koalitionspartner versucht, die Marktliberalen der FDP einzubinden. Die FDP-Liberalen hatten schon vor geraumer Zeit die Lösung des Fachkräfteproblems für wichtiger als den Erhalt einer minimalen kulturellen Homogenität in Deutschland gehalten. Indessen enthält der nunmehr regierungsamtliche Vorschlag einen Webfehler. Er suggeriert nämlich, dass, um Fachkräfte dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen, bzw. diese im Ausland anzuwerben, diesen Menschen eine schnelle Einbürgerung versprochen werden muss. Dies ist weder notwendig noch wünschbar. Denn die Einbürgerung ist mehr als die Verleihung eines deutschen Passes. Der Status des Staatsbürgers verleiht den Neuankömmlingen das Recht, für öffentliche Ämter zu kandidieren und an Wahlen teilzunehmen.

Sucht man im Ausland nach Nachwuchskräften für das Schweißer-Gewerbe oder verhandelt man mit ausländischen IT- Spezialisten, so ist es weder erforderlich noch staatspolitisch wünschenswert, dem Bewerber auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine deutsche Staatsbürgerschaft in Aussicht zu stellen. Der Hinweis darauf, dass man mit Ehrenämtern die bisherige Frist auf bis zu drei Jahre drücken kann, verramscht die deutsche Staatsbürgerschaft. Die in Deutschland wohnhaften deutschen Staatsbürger sollten schnellstens die Frage stellen, ob mit dem einfachen Hinweis auf Diversität und dem grünen Wunsch, ein Einwanderungsland zu werden, die Arbeitsmarktprobleme gelöst werden können.

Umfrage
Große Mehrheit der Deutschen gegen erleichterte Einbürgerung
Mit welcher Nachlässigkeit die gesamte politische Klasse dieses Thema behandelt, war bei der Debatte im Deutschen Bundestag spürbar. Wenngleich die Oppositionspolitikerin Andrea Lindholz die sachlich berechtigte und überfällige Kritik an den Regierungsplänen dem Parlament kundtat, bestand dieses Parlamentsplenum aus bestenfalls 50 Abgeordneten. Womit sich der Rest des 736 Mitglieder fassenden Deutschen Bundestages während dieser Debatte die Zeit vertrieben hat, würde der interessierte Beobachter gerne wissen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten suggerieren jedenfalls parlamentarische Aufmerksamkeit, weil sie den Plenumssaal fast nie in toto filmen. Dafür bekommt man aber umso mehr die Damen und Herren auf der Regierungsbank mit, die ihre Aufmerksamkeit im Parlament darauf beschränken, mit ihren Smartphones zu spielen.

So markiert das neue Einbürgerungsrecht nicht nur einen Niedergang deutscher Staatlichkeit, sondern auch die flagrante Dekadenz des parlamentarischen Regierungssystems. Es muss noch einige Zeit so weitergehen, damit den Deutschen klar wird, dass mit dem gegenwärtigen parlamentarischen Regierungssystem kein Staat zu machen, keine Humanität zu stiften ist, und die deutsche Demokratie nicht erhalten werden kann.

Dr. jur. Professor für Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Berlin, Gründer von www.europolis-online.org

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