Tichys Einblick
Ein Lobby-Netzwerk für Qatar?

Korruptionsskandal um das EU-Parlament: Sozialistische Vizepräsidentin festgenommen

Interessanterweise zeigten in der letzten Zeit vor allem Politiker von SPD und verschiedener sozialistischer Parteien eine besondere Nähe zum Emirat Qatar. Die belgische Polizei hat nun vier Italiener und die griechische Sozialistin Eva Kaili festgenommen, die Geld aus Qatar angenommen haben sollen, um den Interessen des Emirats zu dienen. Der Verdacht lautet auf „Bildung einer kriminellen Organisation, Korruption und Geldwäsche“.

IMAGO / Panama Pictures

Am 18. Januar gratulierte der junge Vorsitzende der griechischen Sozialisten, Nikos Androulakis, einer frisch gewählten Eva Kaili zum Amt einer Vizepräsidentin des EU-Parlaments. Das erste Mal konnte sich das traditionsreiche, aber zuletzt deutlich geschrumpfte PASOK (Panhellenische sozialistische Bewegung, inzwischen mit anderen Mitte-links-Parteien zur „Bewegung für den Wandel“, Kinima Allagis, vereint) diesen Posten sichern. Und Eva Kaili, die frühere Fernsehmoderatorin, schien eine Muster-Abgeordnete zu sein, die durchaus verdienstvolle Anfragen zum Schlepperwesen in der Ägäis stellte.

Doch nun platzt diese sozialistische Blase mit allgemeiner Ausstrahlung. Am 9. Dezember tweetete Androulakis erneut etwas zu Kaili: Diesmal war es ihr Ausschluss aus dem PASOK und dem Parteienbündnis Kinima Allagis (KINAL) – ein Verfahren, das in Griechenland schnell geht, und ein scharfes Schwert, das oft beim leisesten Verdacht auf Illoyalität vom Parteivorsitzenden gezogen werden kann. In diesem Fall war es reine Notwehr des Parteivorsitzenden. Am Freitagabend wurde Kaili laut der französischen Agentur AFP von der belgischen Polizei festgenommen, dazu ihr Ehemann Francesco Giorgi, parlamentarischer Mitarbeiter einer belgischen S&D-Abgeordneten. Weitere Presseberichte besagen, dass auch der Vater Kailis in einem Zug ergriffen und festgenommen worden sei, als er versuchte, mit Koffern voller Geld zu fliehen. Solche „Taschen mit Geldscheinen“ wurden auch in der Wohnung Kailis gefunden. Die Mitte-links-Fraktion der Sozialisten & Demokraten (S&D) zeigte sich „angewidert von den Korruptionsvorwürfen“ gegen ihr hochrangiges Mitglied und bekundete, mit den Behörden zusammenarbeiten zu wollen.

Zuvor waren vier italienische Staatsbürger festgenommen worden, darunter auch der ehemalige sozialistische EU-Abgeordnete Pier-Antonio Panzeri (zuletzt für den Partito Democratico gewählt) sowie der aktuelle Vorsitzende der Internationalen Gewerkschaftsbunds, Luca Visentini. Auch die Frau und Tochter Panzeris wurden laut Politico von italienischen Polizisten in Bergamo festgenommen. Den Verdächtigen wird illegales Lobbying zu Gunsten des Golf-Emirats Qatar vorgeworfen, das auf diesem Wege politische und ökonomische Entscheidungen des EU-Parlaments beeinflussen wollte, wie die belgische Zeitung Le Soir berichtet.

Wegen versuchter Bestechung aus Katar:
Vize-Präsidentin des EU-Parlaments wegen mutmaßlicher Korruption festgenommen
Insgesamt wurden mindestens 16 Wohnungen durchsucht, darunter auch die Häuser zweier belgischer EU-Parlamentarier, Marie Alena und Marc Tarabella (wiederum beide S&D), die von der Polizei versiegelt wurden. Auch die einst von Panzeri geführte, in Brüssel sitzende NGO „Fight Impunity“ (Bekämpft die Straflosigkeit), die sich gegen Menschenrechtsverletzungen wendet, wurde durchsucht. Damit steht der Verdacht im Raum, dass die Organisation, die sich laut Website gegen Menschenrechtsverbrechen im Kongo, Jemen oder China einsetzt, der Geldwäsche diente. In Panzeris Brüsseler Privatwohnung wurde angeblich mehr als eine halbe Million Euro in bar gefunden. Die Verdachtsmomente umfassen laut den Ermittlern die „Bildung einer kriminellen Organisation, Korruption und Geldwäsche“. Einfach ausgedrückt, soll das Emirat Qatar Geld- und Sachgeschenke genutzt haben, um die politischen Entscheidungen der Parlamentarier zu beeinflussen. Das klingt harmlos, dahinter kann sich aber einiges verbergen.

Vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft in Qatar waren die EU-Sozialisten (S&D) durch ihr abwiegelndes Verhalten in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen in dem Golfemirat aufgefallen. So sagte die S&D-Fraktionsvorsitzende Iratxe García Pérez (PSOE), die WM solle als Gelegenheit gesehen werden, „alle Menschen zusammenzubringen, um für Freiheit, Gleichheit und Menschenrechte zu werben“. https://euobserver.com/world/156450 Das ist der Sound der One-Love-Binde, die man trotz unüberbrückbarer Differenzen mit den Tourniergastgebern zur Schau trägt – die allfälligen Profite einer WM natürlich im Hinterkopf. In Deutschland fiel Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel durch ähnliche Töne auf. Innenministerin Nancy Faeser hat das Golfemirat gleich zweimal im Zuge der WM besucht, um beim zweiten Besuch ostentativ und wenig diplomatisch die One-Love-Binde zu tragen. Der erste Besuch könnte der spannendere gewesen sein. Aus all dem kann man zumindest ableiten, dass auch die deutsche Sozialdemokratie dem Wüstenemirat nicht ganz ungnädig gesonnen ist.

Der EU-Abgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der ID-Fraktion Gunnar Beck (AfD) forderte „eine umfassende Aufklärung“ dieses Verdachts von Korruption bei den Sozialdemokraten im EU-Parlament: „Die Sozialisten geben sich immer als moralische Lehrmeister, dabei sind sie offenkundig anfällig für Korruption.“ Auch andere Fraktionen könnten laut Beck betroffen sein, etwa auch die deutschen Grünen und Christdemokraten, die jüngst für Visa-Erleichterungen für Qatar gestimmt hätten, wobei der grüne NGO-Mann Erik Marquardt Berichterstatter gewesen sei. Die ID-Fraktion will eine Debatte zu den Vorfällen in der nächsten Plenarwoche beantragen und erwägt die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses. Eva Kaili hatte sich vor kurzem mit dem Arbeitsminister von Qatar getroffen, wobei sie das Loblied des Emirats sang, wie die griechische Tageszeitung Kathimerini uns erinnert. Nun, was könnte billiger sein als das Einkaufen eines sozialistischen Abgeordneten, um ein Loblied auf angeblich menschliche Arbeitsbedingungen in einer für diesen Bereich vielgescholtenen Erbmonarchie zu erhalten? Laut Eva Kaili war Qatar jedenfalls ein „Spitzenreiter in Sachen Arbeitnehmerrechte“.

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