Tichys Einblick

Die EU will Ungarn in die Knie zwingen

Brüssel nutzt seine finanziellen Möglichkeiten, um die ungarische Demokratie zu untergraben. Über NGOs beabsichtigen Kräfte in der Europäischen Union, einen Regimewechsel herbeizuführen. Von Frank Furedi

IMAGO / Panthermedia

Die Europäische Kommission setzt wirtschaftliche Erpressung gegen die ungarische Regierung ein. Letzte Woche empfahl die Kommission, 7,5 Milliarden Euro an EU-Mitteln zurückzuhalten. Die EU behauptet, sie sei um die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn besorgt.

Bereits im Sommer hatte sich die ungarische Regierung nach Verhandlungen mit Brüssel bereit erklärt, bis zum 19. November 17 rechtsstaatliche Reformen umzusetzen. Jetzt hat die Kommission entschieden, dass Ungarn diese Ziele nicht erreicht hat. Und um sicherzustellen, dass Ungarn eine Lektion erteilt wird, hat die EU den Einsatz erhöht und weitere Bedingungen gestellt. Ungarn muss nun 27 „Super-Meilensteine“ erreichen, bevor es die Mittel erhalten kann.

Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis warnte, dass „die wesentlichen Meilensteine alle vollständig erfüllt sein müssen, bevor Ungarn seinen Zahlungsantrag stellen kann“. Er fügte hinzu, dass „kurz gesagt, keine Gelder fließen werden, bis die wesentlichen Meilensteine ordnungsgemäß umgesetzt sind“.
Die Eskalation der EU-Forderungen von 17 Abhilfemaßnahmen auf 27 „Super-Meilensteine“ zeigt, dass die Kommission kein Problem damit hat, die Regeln nach Belieben zu ändern. Man fragt sich, wie viele neue Meilensteine sie sich in den kommenden Wochen ausdenken wird.

Es ist klar, dass die Hauptmotivation hinter den Forderungen der EU nicht die Sorge um die Rechtsstaatlichkeit ist. Vielmehr geht es darum, Einfluss auf die politischen und juristischen Institutionen Ungarns zu gewinnen. Im Wesentlichen will die EU die Macht der demokratisch gewählten ungarischen Regierung einschränken.

Dieser Drang, sich in die inneren Angelegenheiten Ungarns einzumischen, wurde bei einer Sitzung des Europäischen Parlaments am 24. November nur allzu deutlich. Es wurde eine Entschließung verabschiedet, in der die ungarische Regierung nicht nur verurteilt wurde, sondern auch gefordert wurde, die Entscheidungsbefugnis der Regierung über die Verwendung von EU-Mitteln zu beschränken.

In dieser Entschließung wird die EU ohne Umschweife aufgefordert, die ungarische Regierung völlig zu umgehen und die Mittel stattdessen an EU-freundliche Verbündete innerhalb Ungarns auszuzahlen, und zwar über lokale Behörden und nicht-staatliche Organisationen (NGO). Mit anderen Worten: Das Europäische Parlament will mit EU-Geldern die Einrichtung von staatlichen Parallelinstitutionen in Ungarn fördern.

In den letzten Jahrzehnten hat die EU-Oligarchie viele ihrer politischen Maßnahmen durch eine enge Zusammenarbeit mit NGOs gefördert. Diese NGOs präsentieren sich selbst als expertengeleitet und unpolitisch und werden von vielen auch so wahrgenommen. Sie behaupten, dass ihr Status als „nicht-staatliche Organisation“ bedeutet, dass sie vom politischen Einfluss der Regierungen unabhängig sind. Infolgedessen werden die NGOs und die von ihnen geförderten Maßnahmen nur selten so genau geprüft, wie sie es verdienen.

In Wahrheit sind die NGOs weder unabhängig noch politisch neutral. In Wahrheit sind sie nicht einmal wirklich regierungsunabhängig. Viele von ihnen werden entweder direkt oder indirekt von anderen Staaten oder von der EU finanziert. Laut dem Finanztransparenzsystem der Europäischen Kommission hat die EU im Jahr 2021 zehn Milliarden Euro an NGOs und gemeinnützige Organisationen ausgezahlt – etwa sechs Prozent ihres Haushalts. Darunter befanden sich 25 Millionen Euro zur Finanzierung von NGOs und gemeinnützigen Organisationen in Ungarn.

Würden die für die ungarische Regierung bestimmten EU-Mittel stattdessen an NGOs weitergegeben, könnte dies leicht die demokratisch gewählte Regierung schwächen oder destabilisieren. Es würde der EU ermöglichen, ein Netzwerk vertrauenswürdiger lokaler Mitarbeiter aufzubauen, auf die man sich bei der Förderung der Interessen und Werte der EU verlassen könnte. Die Weiterleitung von Geldern über NGOs könnte auch die Position der politischen Opposition Ungarns stärken. Letztlich zielen die EU-Abgeordneten auf einen Regimewechsel in Ungarn ab und versuchen die Verteilung der EU-Gelder als Waffe einzusetzen.

Die Europäische Kommission hat den neokolonialen Vorschlag des Europäischen Parlaments, NGO-Brückenköpfe in Ungarn einzurichten, noch nicht aufgegriffen. Aber ihre 27 „Super-Meilensteine“ zeigen, wohin die Reise geht. Mit immer mehr Auflagen will Brüssel Ungarn zu einem Vasallenstaat degradieren.

Das birgt großes Konfliktpotenzial. Die europäischen Föderalisten sind zu unverfrorenen Architekten eines EU-Imperiums geworden. Ihre Versuche, die souveränen Befugnisse der ungarischen Regierung zu beschneiden, werden erhebliche Auswirkungen auf alle EU-Mitgliedstaaten haben.


Frank Furedi ist emeritierter Professor der Soziologie an der Universität von Kent, Autor zahlreicher Bücher und politischer Kommentator der Gegenwart. Mehr von Frank Furedi lesen Sie in den aktuellen Büchern „Die sortierte Gesellschaft- Zur Kritik der Identitätspolitik“ und „Sag was du denkst! Meinungsfreiheit in Zeiten der Cancel Culture“. Furedi ist Autor von „The Road to Ukraine: How the West Lost its Way”.

Dieser Artikel ist zuerst beim britischen Online-Magazin spiked erschienen. Aus dem Englischen übersetzt von Alexander Horn.

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