Überraschen kann die Entscheidung nicht: Der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat einen Eilantrag der Unionsfraktion gegen den zweiten Nachtragshaushalt der Bundesregierung für 2021 zurückgewiesen. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei „unbegründet“, teilten die Karlsruher Richter am Donnerstag mit. Zu diesem Schluss sei man nach einer Folgenabwägung gekommen. Das macht den Regierenden das Regieren leichter – wie so manche Karlsruher Entscheidung jüngerer Zeit.
Dass das verfassungsrechtlich bedenklich ist, leuchtet eigentlich jedem halbwegs politisch und staatsrechtlich informierten Beobachter ein. Und auch die Verfassungsrichter haben dieses Regierungshandeln nicht grundsätzlich gerechtfertigt. Sie haben nur den Eilantrag der Unionsfraktion abgelehnt, nicht aber das damit verbundene Normenkontrollverfahren entschieden. Allerdings werden damit letztlich Fakten geschaffen beziehungsweise bestätigt, die eine spätere Entscheidung dagegen in der Hauptsache unwahrscheinlich erscheinen lassen.
„In der Hauptsache ist der Antrag zwar weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Die hier gebotene Folgenabwägung ergibt jedoch, dass die Nachteile, die einträten, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Normenkontrollantrag in der Hauptsache der Erfolg aber zu versagen wäre, die Nachteile, die zu befürchten sind, wenn der Erlass einer einstweiligen Anordnung unterbliebe, der Normenkontrollantrag in der Hauptsache jedoch Erfolg hätte, erheblich überwiegen.“
Die Verfassungsrichter halten in ihrer Begründung einen möglicherweise verfassungswidrigen Nachtragshaushalt für weniger dramatisch als das Fehlen der Schuldenmittel in der Hand der Regierung. Vereinfacht und etwas polemisierend könnte man die Argumentation der Verfassungsrichter so zusammenfassen: Hauptsache, die Regierenden haben das Schuldengeld in der Hand, ob sie es zu Recht haben, können wir immer noch entscheiden, vielleicht werden sie es ja gar nicht komplett gebraucht haben. Der von der Regierung vorgegebene Zweck des Nachtragshaushalts wird also letztlich höher gewichtet als die fragwürdige Verfassungsmäßigkeit.
In der Pressemitteilung wird das so formuliert:
„Im Falle des Nichterlasses bestünden für diesen Fall zwar – verfassungswidrig zustande gekommene – Verpflichtungen des Bundeshaushalts in Höhe von bis zu maximal 60 Milliarden Euro. Gleichwohl ist derzeit davon auszugehen, dass die Kreditermächtigungen bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht in voller Höhe aufgebraucht sein werden. Im Übrigen stehen dem Gesetzgeber unterschiedliche Möglichkeiten der Bewältigung der finanziellen Folgen für den Bundeshaushalt zur Verfügung.
Der Erlass der einstweiligen Anordnung kann hingegen zu einer Situation führen, in welcher die von der Bundesregierung aufgelegten Programme zur Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht weiter finanziert werden könnten. Damit bestünde die erhebliche Gefahr, dass der angeführte Zweck hinter dem Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz – die Überwindung der Corona-Pandemie in ökonomischer Hinsicht – jedenfalls mittelfristig nicht mehr ohne Weiteres erreicht werden könnte. Die hiermit verbundenen wirtschaftlichen Folgen träfen Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen unmittelbar.“
Die obersten deutschen Verfassungsrichter haben damit in seltener Deutlichkeit ein Beispiel geliefert für die Rechtfertigung der alten Maxime des Jesuitenordens: Der Zweck heiligt die Mittel.
(Mit Material von dts)