Tichys Einblick
In Interview

Jens Spahn bittet Familien um Verzeihung für Corona-Politik

Der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat in dem christlichen Magazin "pro" Familien um Verzeihung gebeten. Seine Corona-Politik habe zu sehr die Wirtschaft sowie die Alten und Schwachen im Blick gehabt.

IMAGO / Chris Emil Janßen

Jens Spahn ist 42 Jahre alt. In der Politik gilt man in diesem Alter durchaus noch als Talent. Doch der Christdemokrat hat bereits eine Karriere hinter sich: als Minister im Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Seitdem gilt er als verbrannt, muss im Bundestag einen neuen Anlauf versuchen. Zwar wird Spahn noch von Talkshows eingeladen und geht auch hin, will sich aber dort ausdrücklich nicht zu Fragen der Gesundheitspolitik äußern. Ein Bruch für einen Mann, der noch vor einem Jahr Gesundheitsminister war.

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Nun hat Spahn erstmals deutlich gemacht, warum er sich aus der Gesundheitspolitik zurückgezogen hat. Es ist die Pandemie. Dem christlichen Magazin „pro“ sagte er: Die Politik habe sich zu sehr auf alte und verwundbare Menschen konzentriert. Auch dass die Wirtschaft weiterlaufe, sei wichtig gewesen. Um Familien hätte sich die Regierung Merkel aber zu wenig gekümmert, Kinder und Eltern hätten in der Folge „unverhältnismäßig“ unter der Pandemie leiden müssen. Dafür bitte er heute um Entschuldigung. Auch dass viele Menschen alleine sterben mussten, sei hart gewesen.

Laut Spahn wollte die Politik nicht „jede Infektion und jeden Todesfall“ verhindern. Es sei darum gegangen, das Gesundheitswesen vor Überforderung zu bewahren und das Virus aus Pflegeeinrichtungen zu halten. Mit diesen Zielen ist Spahn auf voller Linie gescheitert. Im Bereich der Kindermedizin bricht das Gesundheitswesen gerade zusammen – auch weil Minister wie Spahn an der Kindermedizin zu stark gespart haben.

Das Virus aus den Heimen zu halten, ist ebenfalls nicht gelungen. Eine Großzahl der bestätigten Corona-Todesfälle fand um Weihnachten 2020 in Heimen statt. Trotz mehrfacher Warnung der Betreiber hatte es Spahn nicht geschafft, die Heime mit ausreichend Tests zu versorgen oder eine Strategie zu entwickeln, die eine Todeswelle in den Heimen verhindert hätte. In etwa zur gleichen Zeit kam raus, dass sich Unions-Politiker an der Beschaffung von Masken bereichert haben.

Auch wird Spahn vorgeworfen, die Pandemie Anfang 2020 verschlafen zu haben. Noch wenige Tage bevor der erste Lockdown kam, kündigte sein Haus eine Intiative an, die Gerüchte um einen Lockdown als „Fake News“ bekämpfen zu wollen. Als die Maßnahmen beschlossen wurden, habe man aber deren Tragweite nicht in allen Facetten absehen können, sagt Spahn gegenüber pro: „Es war in der Situation das, was wir in der Abwägung für richtig hielten.“

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