Angeblich will das Islamregime des Iran nach den wochenlangen Protesten nun die Sittenpolizei auflösen. Deren einzige Aufgabe war es, die schiitische Koran-Interpretation der Mullahs durchzusetzen, was wiederum vor allem bedeutete, die islamische Unterdrückung der Frauen zu gewährleisten. Aus ein paar wenigen Zeilen des Koran, die nach Auffassung von Experten ausschließlich auf die Frauen Mohammeds abzielten, ziehen die Reaktionäre in Teheran den Schluss, dass Frauen in der Öffentlichkeit ihr Haupthaar vollständig zu verstecken hätten.
Damit manifestierte sich das System der greisen Mullahs und der Anhängerschaft Alis. Der Konflikt zwischen den gewählten Kalifen und der Partei Alis um die Nachfolge Mohammeds führte im späten siebten Jahrhundert zum bis heute wirkenden, islamischen Schisma.
Die Sittenpolizei der schiitischen Mullahs im Iran war es, die die andauernden Proteste auslöste, indem sie die iranische Kurdin Mahsa Amini wegen eines zu locker getragenen Kopftuches inhaftierten und die 22 Jahre alte Frau im Gewahrsam der Sittenwächter zu Tode kam. Seitdem wollen die Proteste gegen das islamische Regime nicht enden, sollen laut UN-Angaben fast 500 vor allem junge Iraner von den Sicherheitskräften ermordet und weitere 14.000 inhaftiert worden sein, wo manchen von ihnen eine Verurteilung wegen Aufruhr oder ausländischer Agententätigkeit droht, was notwendig zur Todesstrafe führt.
Die Islam-Diktatur kann sich nicht selbst opfern
Trotz des martialischen Auftretens der sogenannten „Revolutionswächter“ und des Einsatzes sogar des Militärs war die islamische Führung bislang außerstande, der Protestwelle, die das Land vom kurdischen-aserbaidschanischen Norden bis zum arabischen und belutschischen Süden erfasst hat, Herr zu werden.
Um die Aufstände in den Griff zu bekommen, soll nun laut Montaseri zudem eine Neuregelung des Kopftuchzwangs geprüft werden. Angeblich würden sowohl die Justiz als auch das Parlament an diesem Thema arbeiten mit dem Ziel, in ein oder zwei Wochen ein Ergebnis vorzulegen.
Doch auch das klingt nur nach dem Versuch, Zeit zu gewinnen. Denn fällt der Kopftuchzwang, fällt zwangsläufig auch das Mullah-Regime. Seit der islamischen Revolution 1979 gegen den Schah Reza Pahlewi ist die Unterdrückung der Frauen, die unter den Reformen des Schahs westliche Lebensqualität und Freiheit erreichen konnten, die demonstrative Säule der Glaubensherrscher im Namen Allahs. Der Hijab dokumentiert die radikale Abwendung von westlichen Vorstellungen der Gleichberechtigung und der Menschenrechte, ist deshalb für die Greise Alis unverzichtbar.
Der dem radikalen Flügel zugerechnete Präsident Ibrahim Raisi unterstrich deshalb ebenfalls am Sonnabend, dass die Verfassung der Islamischen Republik „starke und unveränderliche Werte und Prinzipien“ habe. Es gäbe jedoch „Methoden zur Umsetzung der Verfassung“, die geändert werden könnten. Wie das zu verstehen sei, ließ Raisi offen – und wie eine islamische Verfassung, die auf den Prinzipien des Koran gründet, in ihrer methodischen Umsetzung die Forderungen der Aufständischen erfüllen soll, darf ohnehin als unbeantwortbare Frage im Raum stehen bleiben.
Einknicken befeuert die Revolution
Hinzu kommt: Die Proteste haben längst ein Stadium erreicht, bei dem es mit ein wenig staatlicher Kosmetik nicht mehr getan ist. Bei den Demonstrationen wird der Tod des Obersten Geistlichen und de-facto-Diktators Ali Khamenei ebenso gefordert wie ein generelles Ende der Islam-Diktatur – nicht ein wenig Kosmetik mit einem grundsätzlichen Weiter-so. Die Mullahs haben vor allem der jungen Generation des iranischen Volks alles Religiöse erfolgreich ausgetrieben.
Die Erfahrungen mit revolutionärer Dynamik zeigen zudem, dass solche Versuche, den Aufständischen einige Brosamen hinzuwerfen, in aller Regel die Proteste eher befeuern als sie zu beschwichtigen. Denn sie gelten den Revolutionären als Beweis dafür, dass ihre Handlungen nicht ohne Erfolg bleiben werden, dass das verhasste Regime zu wanken beginnt.
Ob mit den Ankündigungen das offensichtliche Ziel der Islam-Diktatur, seine Gegner ruhig zu stellen, tatsächlich erreicht werden kann, darf daher angezweifelt werden. Eher bleibt es bei der Einschätzung, die ich bei TE bereits zu Beginn der Proteste abgegeben hatte, wonach eine Revolution im Iran aufgrund der zahlreichen Nutznießer des Regimes zu einer blutigen Abrechnung werden wird. Die zahlreichen Toten, die die staatlich bestallten Mörder im Namen Allahs bereits auf ihrem Konto zu verbuchen haben, lassen einen friedlichen Übergang von der Glaubensdiktatur in eine freiheitliche Demokratie so gut wie ausgeschlossen erscheinen. Zu viele Rechnungen sind unbeglichen – und der Blutzoll, den die Mullahs in den vergangenen Wochen ihrem Volk abgepresst haben, lässt ein wie auch immer gestaltetes, friedliches Miteinander für die Zukunft ausgeschlossen erscheinen.
Gut möglich, dass die zaghaften Versuche des Regimes, auf die Proteste einzugehen, nun erst recht das revolutionäre Feuer entfachen.